„Er schuff sie eyn menlin und frewlin“ – Luther und die Ehe

Luthers 1524 publizierter Sendbrief zur Praxis der Eheversprechen in der Ausstellung „Bibel – Thesen – Propaganda“.

Ein Beitrag von Evelyn Hanisch.

„So wie mein Herz bisher gestanden und jetzt steht, wird es nicht geschehen, daß ich ein Weib nehme – ich bin weder Holz noch Stein, aber mein Sinn ist fern vom Heiraten“ schrieb Martin Luther in einem Brief am 30. November 1524, kurz nachdem er aus dem Orden der Augustiner-Eremiten ausgetreten war. Nur ein halbes Jahr später, am 13. Juni 1525 heiratete er Katharina von Bora. Sein neues Verständnis von der Ehe findet sich schon in einigen früheren Werken.

Nicht autorisierter Druck der Predigt vom ehelichen Stand. Abteilung Historische Drucke. Lizenz: CC-BY-NC-SA

Nicht autorisierter Druck der Predigt vom ehelichen Stand. Abteilung Historische Drucke. Lizenz: CC-BY-NC-SA

Am Anfang war die Predigt

Erstmals äußerte er sich am 16. Januar 1519 in einer Predigt öffentlich zur Eheproblematik, von der kurz darauf – ohne Luthers Einverständnis – eine Nachschrift bei Wolfgang Stöckel in Leipzig in den Druck ging. Diese von ihm nicht autorisierte Variante rief Luther auf den Plan und noch im selben Jahr ließ er bei Johann Rhau-Grunenberg in Wittenberg die überarbeitete und korrigierte Version Eyn Sermon von dem Elichen stand drucken. Der Sermon erlangte große Popularität, es erschienen vierzehn weitere Ausgaben, darunter eine Übersetzung ins Dänische. Luther unterscheidet in der Predigt dreierlei Liebe, die falsche, die natürliche und die eheliche Liebe, die er als die höchste Liebe anerkennt. Schon im darauffolgenden Jahre entwickelte sich die Priesterehe zu einem zentralen Reformthema bei Luther. In den programmatischen Schriften von 1520 An den Christlichen Adel deutscher Nation und De captivitate Babylonica ecclesiae behandelt er unter anderem das Problem des Eheverbots für Priester: „wir sehen auch wie die priesterschafft gefallen, und mancher armer pfaff mit weib und kind ubirladen“ und spricht sich gegen den Sakramentscharakter der Ehe aus. In beiden Werken entwickelt Luther erstmals die Idee der Abschaffung des Priesterzölibats.

Von Luther korrigierte Druck der Predigt vom ehelichen Stand. Abteilung Historische Drucke. Lizenz: CC-BY-NC-SA

Von Luther autorisierter Druck der Predigt vom ehelichen Stand. Abteilung Historische Drucke. Lizenz: CC-BY-NC-SA

Luthers Theorie vom ehelichen Leben

Im Jahre 1522 reizte es Luther erneut, sich öffentlich mit der Ehethematik in der Schrift Vom ehelichen Leben auseinanderzusetzen, die er wieder bei Johann Rhau-Grunenberg in Druck gab. Mit zwölf Nachdrucken, darunter einer niederländischen Übersetzung, fand der Traktat eine ähnliche Verbreitung wie die Predigt vom ehelichen Stand. Vom ehelichen Leben ist Luthers reformatorisches Programm von Familie und Ehe in drei Teilen: Im ersten Teil geht er auf die Frage ein, welche Menschen heiraten können, den geistlichen Stand eingeschlossen, im zweiten beschäftigt er sich mit Gründen für eine Scheidung, entweder durch Hurerei und Ehebruch oder durch Verweigerung der ehelichen Pflichten, im dritten Teil führt er aus, wie der Ehestand christlich und gottgefällig zu führen sei.

Luthers Traktat Vom ehelichen Leben (1522). Abteilung Historische Drucke. Lizenz: CC-BY-NC-SA

Luthers Traktat Vom ehelichen Leben (1522). Abteilung Historische Drucke. Lizenz: CC-BY-NC-SA

Nein zum Priesterzölibat

Im Sommer 1523 schließlich erreichte die Auseinandersetzung über den Priesterzölibat seinen Höhepunkt. Ausgelöst durch die Heirat dreier Priester im sächsischen Raum war das Thema in der Öffentlickeit höchst virulent. Im selben Jahr entflohen immer mehr Nonnen und Mönche den Klostermauern, darunter auch jene zwölf Nonnen, die mit Luthers tatkräftiger Unterstützung in einer Nacht- und Nebelaktion aus dem Zisterzienserkloster Marienthron in Nimbschen bei Grimma flohen – unter ihnen seine spätere Ehefrau Katharina von Bora. Im August 1523 verfasste er mit Das siebende Capitel S. Pauli zu den Chorintern ein nachdrückliches Statement gegen den Zölibat und für die Ehe.

Der Fall Hans Schott

Im Frühjahr 1524 veröffentliche Luther die kleine Schrift Daß Eltern die Kinder zur Ehe nicht zwingen noch hindern, und die Kinder ohne der Eltern Willen sich nicht verloben sollen. Das als Sendbrief gestaltete Werk ist an jenen fränkischen Reichsritter Hans Schott von Schottenstein gerichtet, der Luther 1521 bei dessen Ankunft auf dem Reichstag zu Worms zur Herberge geleitete. Wenige Jahre nach diesem schicksalsträchtigen Reichstag schrieb Hans Schott in eigener Sache an Luther. Der Brief ist nicht erhalten, aber er behandelte wohl den Fall der erzwungenen Ehe von Jakob Hufener und dessen Ehefrau Anna, geb. Auerbach, die in Unfrieden mit ihrem ehebrecherischen Ehemann lebte. Sie trennte sich von ihrem Ehemann, der sich eine andere Frau ins Haus geholt hatte, erwirkte von einem Torgauer Prediger den Ehedispens und ehelichte schließlich Hans Schott von Schottenstein. Der Fall wurde publik und Luther sprach 1526 sein Bedenken gegen diese Hochzeit aus. Schließlich erklärte Kurfürst Johann von Sachsen 1528 in einem Urteilsspruch die Ehe zwischen Hans Schott und Anna Auerbach für ungültig. Anna sollte zu ihrem ersten Ehemann Jakob Hufener zurückkehren und Schott zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden.

„das eyn mensch zur ehe geschaffen ist … als ein bawm geschaffen ist, öpffel odder byrn zu tragen“

In dem Sendbrief von 1524 thematisiert Luther das häufig auftretende Eherechtsproblem der heimlichen Verlöbnisse. Im ersten Teil spricht sich Luther sowohl gegen Eheversprechen zwischen Brautleuten ohne elterliches Einverständnis aus, als auch gegen Eltern, die ihre Kinder gegen ihren Willen zur Ehe zwingen wollen: „Denn es ist yhe leydlicher, das die liebe, so zwey gegenander haben, zutrennet und verhyndert werde, denn das zwey zusamen getrieben werden, die widder lust noch liebe zusamen haben“. Luther appelliert an die Väter, in ihrer Fürsorge das rechte Maß walten zu lassen, denn sonst liefen sie Gefahr, zu Tyrannen zu werden, die ihre Herrschafft missbrauchen und somit gegen Gott handeln würden. Dabei wirft Luther die Frage auf, ob „eyn kind schüldig sey dem vater gehorsam zu seyn, der es zur ehe, odder zu der person dringet, da es nicht lust zu hatt“. Er beantwortet die Frage mit einem Nein, in solch einem Falle müsse die weltliche Obrigkeit eingreifen und eine erzwungene Ehe bestrafen. Im zweiten Teil erörtert Luther heimliche Verlöbnisse und die Frage, ob Kinder eine gültige Ehe ohne das elterliche Einverständnis eingehen könnten. Auch hier rät Luther, das Maß zu wahren und keinen Zwang auf die Kinder auszuüben, denn „die elltern sollen wissen, das eyn mensch zur ehe geschaffen ist, früchte seynes leibs zu zichten, so wol als eyn bawm geschaffen ist, öpffel odder byrn zu tragen“. Deshalb müsse es das erklärte Ziel der Eltern sein, den Kindern zu einer guten Ehe zu verhelfen. Täten sie das nicht, seien sie keine Eltern mehr und „so ist das kind schuldig sich selb zu verloben“. Ebensowenig wie ein Vater sein Kind zur Ehe zwingen dürfe, dürfe er es zur Keuschheit und zur Ehelosigkeit zwingen. Die Ehe, „das weltlich ding“, ist der Stand, in dem der Mensch Gott vor allem durch die Erziehung der Kinder dient.

Schutzmarke Lutherrose

Der Sendbrief, dessen Erstausgabe bei Lucas Cranach d. Ä. in Wittenberg erschien, war mit zehn Nachdrucken, einer lateinischen Übersetzung und dem Abdruck in den Gesamtausgaben ebenfalls sehr erfolgreich. In der Wittenberger Druckerpresse von Lucas Cranach d. Ä., die er zwischen 1523 und 1526 gemeinsam mit Christian Döring betrieb, enstanden in diesem kurzen Zeitraum nur insgesamt 45 Drucke, davon 39 reine Lutherdrucke. Die Druckergemeinschaft tat sich mit besonders modern gestalteten Titelblättern hervor. Das Titelblatt des Sendbriefs illustriert ein architektonisch streng gestalteter Titelrahmen. Der mittig in einer viereckigen Tafel stehende Titel ist von einem reich verzierten Tonnengewölbe umrahmt, das auf vier Säulen ruht. Unter dem Titel halten zwei Engel die Lutherrose mit den Initialen M. L. Diese Luthersche Schutzmarke wurde zu Beginn des Jahres 1524 von Cranach und Döring als Zeichen der Authentizität Wittenberger Lutherdrucke mit nachhaltigem Erfolg eingeführt. Unter der Lutherrose verkündet eine zweite querrechteckige Tafel das Motto des Sendbriefs: „Er schuff sie eyn menlin und frewlin.“

Vom 3.2. bis 2.4.2017 können Sie dieses und viele weitere Objekte zu den theologischen und moralischen Positionen Martin Luthers selbst bei uns in der Staatsbibliothek in Augenschein nehmen.

Luthers Sendbrief zur Praxis der Eheversprechen von 1524. Abteilung Historische Drucke. Lizenz: CC-BY-NC-SA

Titelblatt zu Luthers Sendbrief zur Praxis der Eheversprechen von 1524. Abteilung Historische Drucke. Lizenz: CC-BY-NC-SA

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