Carl Maria von Weber: Romanza siciliana

Autographen aus den ersten zwanzig Lebensjahren Carl Maria von Webers haben Seltenheitswert; umso überraschender war es, als 2015 die Reinschrift der Romanza siciliana auftauchte, die der Komponist Ende 1805, kurz nach seinem 19. Geburtstag abgeschlossen hatte. Der letzte Hinweis auf den Verbleib dieses Manuskripts, das sich lange Zeit (vermutlich seit 1839) im Archiv des Berliner Verlages Schlesinger befunden hatte, stammte aus dem November 1925, als es in New York im Auktionshaus Anderson Galleries „unter den Hammer kam“; seitdem galt das Autograph als verschollen. Im Februar 2017 konnte das Frühwerk für die Weberiana-Sammlung der Staatsbibliothek erworben werden und ist – dank der Unterstützung der Restaurierungs-Abteilung – nun auch, obgleich fragil, in einem Zustand, der die Benutzung zu wissenschaftlichen Zwecken erlaubt.

Weber vermerkte auf seinem Manuskript zu den Entstehungsumständen des Werks: „componirt in Breslau für H: Kauffmann Zahn den 24t December. 1805.“ In der schlesischen Metropole hatte der junge Musiker im Sommer 1804 (noch nicht 18jährig) sein erstes besoldetes Amt als Musikdirektor am Theater angetreten, seine dienstlichen Verpflichtungen ließen ihm allerdings wenig Zeit für eigene Arbeiten, so dass er seinen 1806 auslaufenden Zweijahresvertrag nicht verlängerte. Zu den wenigen bekannten Kompositionen der Breslauer Periode gehört dieses gerade 59 Takte umfassende Vortragsstück für Solo-Flöte und Orchester, dessen Adressat der Kaufmann Jakob Conrad Zahn war: ein Liebhaber von Flötenmusik, der 1803 einen Quartettverein gegründet hatte und in seinem Hause Privatkonzerte veranstaltete. Ob Weber von Zahn einen entsprechenden Auftrag erhalten hatte oder von seinem Freund Friedrich Wilhelm Berner zur Komposition angeregt wurde, der im Zahn’schen Quartettverein aktiv war und ebenfalls Werke für den Mäzen schrieb, ist nicht überliefert. Solist der um den Jahreswechsel 1805/06 anzunehmenden Uraufführung dürfte der Breslauer Flötist Adam (auch Adamy) gewesen sein, ebenso ein Freund Berners sowie Ehrenmitglied des genannten Vereins.

Das Autograph diente, wie Stechervermerke mit Bleistift sowie die auf der ersten Seite hinzugefügte Verlagsnummer „S. 2321.“ ausweisen, als Stichvorlage für die im September 1839 erschienene Erstpublikation des Werks bei Schlesinger (als Nr. 2 der „Nachgelassenen Werke“). Ein Rezensent attestierte dem Werk damals eine „schön empfundene schlichte Romanzenmelodie, welche die Flöte meist ganz ungeschmückt, wie einen weichen Hirtengesang vorträgt; nur einige Male klingen mässige Bravouren hinein“ (Allgemeine musikalische Zeitung, 1938, Sp 1042f.). Dass es sich dabei nicht um ein Spitzenwerk des Komponisten, sondern eher eine musikalische Gefälligkeit handelt, ließ der Kritiker nur dezent anklingen, indem er auf die „ungesuchte“ Melodie, „sinnige“ Harmonien und die Kürze des einsätzigen Stücks hinwies und betonte, dass dieses – wie auch von Weber beabsichtigt – seinen Platz in „geselligen Zirkeln“ habe, also nicht auf dem Konzertpodium, sondern eher im Salon (bzw. der Hausmusik). Ungeachtet dieser Einschränkung bezüglich seiner musikpraktischen Relevanz ist das Manuskript als Dokument der musikalischen Entwicklung des „frühen“ Weber von besonderer Bedeutung. Neben Eintragungen des Stechers (laut Schlesinger-Verlagsbuch in diesem Falle F. Wessely) findet sich auf den insgesamt vier Blättern des Autographs als weiterer Zusatz von fremder Hand eine Echtheitsbestätigung des „Vaters der Weber-Forschung“ Friedrich Wilhelm Jähns vom 8. Juli 1863.

Digitalisat der Handschrift

[Text von Frank Ziegler]

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