Francis Richard Burton (1821−1890)

Waghalsiger Reisender, Gelehrter, Diplomat, Pionier der Ethnologie und Sexualkunde, Übersetzer – auf Burton treffen alle diese Schlagwörter zu. Als seine besondere Leistung wird es angesehen, die Tausendundeine Nacht (1885−1888) entsprechend dem Original und unzensiert veröffentlicht zu haben. Seine Persönlichkeit findet sich in diesem Text wieder: Burton betont archaische und exotische Elemente und hebt die erotische Ebene des Textes stark hervor. Beigegeben ist ein ausufernder gelehrter Anmerkungsapparat − teils gespeist aus eigener Anschauung, teils volks- und sexualkundlichen Inhalts, manchmal auch einfach kurios.

Im Lauf seines Lebens eckte der unangepasste Burton, trotz seiner immensen Kenntnisse und Verdienste, immer wieder an und musste wiederholt seine Laufbahn abbrechen. Auch warf sein sexualkundliches Interesse einen Schatten auf seine Reputation. Wie konnte in der viktorianischen Zeit, in der Burton lebte, über Tabubereiche gesprochen werden? Ein Weg war es, die gesellschaftlichen Grenzen in anthropologischen und literarischen Studien zu übertreten – der Weg, den Burton wählte, um im reichen Apparat der Tausendundeinen Nacht Themen wie Sexualität und Homoerotik zu diskutieren.

Seine Sprachbegabung war außergewöhnlich. Burton soll nach seinen ausgedehnten Reisen in vier Kontinenten, vor allem jedoch in Afrika und im Orient, über 40 Sprachen und Dialekte beherrscht haben. Er nahm das Wagnis auf, die heiligen Stätten von Mekka und Medina zu besuchen, wobei er sich als afghanischer Muslim ausgab. Der Aufenthalt war Ungläubigen bei Todesstrafe untersagt.  1855 nahm er an zwei entbehrungsreichen und schwierigen Expeditionen teil, um die Quellen des Weißen Nils zu entdecken. Dabei drang er in das Seengebiet Zentralafrikas vor und gilt als Mitentdecker des Tanganyika-Sees und des Viktoriasees.

Nach seiner Heirat mit der Adeligen Isabel Arundell schlug Burton die diplomatische Laufbahn ein und wurde nach Westafrika, Brasilien, später Damaskus entsandt. Seine letzte Station war Triest, wo er unter anderem das Kamasutra und den Duftenden Garten übersetzte, eine Art arabisches Ehe- und Sexualhandbuch aus dem 15. Jh. Auch die Tausendundeine Nacht wurde durch Burton in die Nähe der orientalischen Erotica gerückt. Nach seinem Tod vernichtete die Witwe, bemüht um Burtons Ansehen, einen großen Teil des Nachlasses mit Übersetzungen und den umfassenden Tagebüchern des Verstorbenen.

Sir Richard Francis Burton

by Lock & Whitfield. woodburytype, published 1876

© National Portrait Gallery, London

CC BY-NC-ND 3.0

Antoine Galland (1646-1715)

Cornelis de Bruyn: Voyages par la Moscovie, en Perse, et aux Indes Orientales. Ouvrage enrichi de plus de 320. Tailles douces, des plus curieuses. Amsterdam: Wetstein 1718.

Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin 

Galland war es nicht in die Wiege gelegt, als Orientalist in königlichen Diensten zu arbeiten und ein Buch zu schreiben, von dem Voltaire sagte, es sei eines der bekanntesten in Europa und „vergnüglich für alle Nationen“. Denn Galland stammt aus einer armen Bauernfamilie und verlor mit vier Jahren seinen Vater. Dank seiner herausragenden Sprachbegabung erhielt er die Möglichkeit, in Paris zu studieren, und begleitete mit 24 Jahren den neuen Botschafter an der Hohen Pforte als Sekretär. An diese Reise schlossen sich über den Zeitraum von fast 20 Jahren mehrere Aufenthalte im Orient an, wobei er den Auftrag hatte, Handschriften, Münzen und andere Antiquitäten für die königliche Sammlung zu erwerben. Während seiner dritten Reise begleitete er den Botschafter Gabriel de Guilleragues und unterrichtete dessen Tochter, die spätere Madame d’O, der die Mille et une Nuit gewidmet sind. Auf dieser Reise erwarb er auch eine Handschrift der Sindbad-Geschichten, die ihn wohl auf die arabische volkstümliche Literatur aufmerksam machten, so dass er sich auf die Suche nach ähnlichen Handschriften begab.

In Paris hatte er die Funktion eines Antiquaire du Roi, nicht zuletzt, um die von ihm erworbenen Orientalia zu ordnen und zu beschreiben. 1709 erhielt er schließlich einen Lehrstuhl für orientalische Sprachen am Collège royal.

Zu dieser Zeit waren die ersten Bände der Mille et une Nuit bereits erschienen und begeisterten Gallands Leser und vor allem Leserinnen – darunter Damen aus dem Hochadel, die Galland regelmäßig um neue Manuskripte seiner arabischen Erzählungen baten. Galland betrachtete diese Arbeit nicht als wissenschaftliche Leistung, eher als Zeitvertreib, der hinter anderen, ernsthafteren Aufgaben zurückstehen musste. Unter anderem verfasste er eine Abhandlung über den Kaffee und arbeitete an einer Koran-Übersetzung. Trotzdem war er – wie heute – vor allem für die Nächte bekannt. So wird die Anekdote überliefert, dass eine Gruppe lustiger Vögel eines Nachts vor seinem Fenster die Rolle Dinarzades übernommen haben soll: „Ah, Herr Galland, wenn Sie nicht schlafen, erzählen Sie uns doch eine von den wunderbaren Geschichten, die Sie kennen.“

Hanna Diyāb (um 1688, gest. nach 1763)

1993 wurde in der Bibliothek im Vatikan eine syrische Handschrift entdeckt und übersetzt. Hanna Diyāb, ein syrischer maronitischer Christ, erzählt hier seine Reise von Aleppo von Paris zwischen 1707 und 1710. Zur Zeit der Niederschrift ist der Tuchhändler über 70 Jahre alt.

Dieses aus dem 18. Jahrhundert stammende Manuskript ist gewissermaßen eine Sensation.

Denn als junger Mann war Hanna Diyāb nicht nur weitgereist und hatte sogar die französische Königsfamilie getroffen – als er in orientalischer Kleidung vor den Prinzessinnen in Versailles Wüstenspringmäuse aus Tunesien präsentierte. Vor allem aber hat er in der europäischen Kultur und Literatur tiefe Spuren hinterlassen, ohne es auch nur zu ahnen:

Antoine Galland traf Diyāb häufig während dessen Aufenthalts in Paris und ließ sich von ihm Märchen erzählen. Eine Vielzahl davon erschien in den letzten Bänden der Mille et une Nuit – darunter auch die Geschichte von Aladdin, von Ali Baba und vom Prinzen Achmed und der Fee Peri Banu. Für die meisten der Erzählungen wurden bis heute keine anderen Quellen gefunden.

Bevor der Reisebericht entdeckt wurde, war über Hanna Diyāb nur wenig aus Gallands Tagebuch bekannt. Galland erzählt von seiner Begegnung mit dem jungen Syrer: „Ich unterhielt mich einige Zeit mit Hanna, Maroniten aus Halep, der außer seiner eigenen Sprache, dem Arabischen, Türkisch, Provenzalisch und Französisch recht geläufig spricht“. Auch Hanna Diyāb erwähnt Galland in seinem Reisebericht.

Hanna Diyāb hatte sich in Syrien dem französischen Reisenden Paul Lucas angeschlossen und diesen auf seinem Parcours durch Ägypten, Tunesien, Korsika und Italien nach Frankreich begleitet. 1708 erreichten die Reisenden Paris. Der Bericht des Syrers zeigt die Aktivitäten des königlichen Ankäufers, die Stationen der Reise, geschichtliche Ereignisse sowie das Pariser Leben aus einer lebendigen, ungewohnten Gegenperspektive. Als Diyābs Hoffnung schwand, in Paris eine geeignete Anstellung etwa als Übersetzer oder Ankäufer von Altertümern zu erhalten, kehrte er wieder in seine Heimat zurück.

Öllampe, 11./12. Jahrhundert

Syrien / Irak, Kupferlegierung.

Museum für Islamische Kunst (Ident.Nr. I. 3681)

© Foto: Museum für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Fotograf: Johannes Kramer

Gustav Weil (1808-1889)

Quelle: Universitätsbibliothek Heidelberg

CC BY-SA 4.0

Gustav Weil stammt aus Sulzburg (Breisgau), wo seit dem Mittelalter eine große jüdische Gemeinde existierte. Sein Großvater war Rabbiner in Metz. 1827 begann er mit 20 Jahren, orientalische Sprachen in Heidelberg und kurz in Paris bei dem berühmten Orientalisten Silvestre de Sacy zu studieren.

Weil hielt sich über fünf Jahre in Algier, Kairo und Konstantinopel auf, arbeitete als Zeitungskorrespondent und Lehrer und erweiterte seine Sprachkenntnisse.

Seine Karriere war bemerkenswert: Durch textkritische Übersetzungen und Studien erwarb er sich ein ungewöhnliches wissenschaftliches Renommee als Arabist. Nach seiner Habilitation lehrte er zunächst an der Heidelberger Universität und wurde zum Bibliothekar an der Universitätsbibliothek Heidelberg befördert, im 19. Jh. eine angesehene Position. Gegen erhebliche Widerstände und als erster Jude in Deutschland wurde er 1848 zunächst als außerordentlicher, 1861 als ordentlicher Professor für Orientalische Sprachen in Heidelberg berufen.

Seine Übersetzung der Tausendundeinen Nacht war die erste deutsche Fassung, die streng nach arabischen Quellen entstand, und erreichte weite Verbreitung.

Joseph Charles Mardrus (1868–1949)

Mardrus war in Kairo geboren und ließ sich – nach einem Studium im Libanon – in Paris als Arzt nieder. Seine armenischen Vorfahren kamen aus dem Kaukasus. Im Auftrag des französischen Innenministeriums bereiste er Nordafrika und war Arzt in der Linienschifffahrt der Messageries maritimes. In Paris praktizierte er als „Docteur Mardrus“. Andererseits war er eine bekannte Persönlichkeit der Pariser Künstlerszene: Er war mit verschiedenen Personen wie André Gide, Auguste Rodin und dem avantgardistischen Modeschöpfer Paul Poiret befreundet. Seine Ehefrau war die Künstlerin und Dichterin Lucie Delarue-Mardrus, deren Salon beispielsweise Marcel Proust besuchte – der in seinem Werk von der neuen Übersetzung der Tausendundeinen Nacht erzählt und der Wirkung, die sie auf ihre Pariser Leser hatte. Mallarmé soll ihn ermutigt haben, dieses Werk anzugehen. Die prachtvoll ausgestattete Ausgabe in 16 Bänden (1899–1904) traf den Nerv der Zeit, war bei ihrer Erscheinung eine Sensation und löste eine orientalistische Mode aus. Bildende Künstler, die Mode und Schriftsteller wurden gleichermaßen inspiriert.

Docteur Mardrus.

Fotografie 1900-1916. Silbergelatine-Abzug, 22,6 x 16,8 cm. Porträt von Jean Charles Mardrus, Musterabzug, Atelier Nadar.

Album de référence de l’Atelier Nadar. Vol. 14,  1900-1916

Quelle:  gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France

département Estampes et photographie, FT 4-NA-237 (7)

Jean-Baptiste Tavernier (1605-1689)

Beschreibung der sechs Reisen, in Türckey Persien und Indien… Worinnen unterschiedliche Anmerckungen von der Beschaffenheit der Religion, Regierung, Gebräuchen und Handlungen, jeglichen Landes enthalten. Samt den Figuren, Gewichten und dem Maß der Müntzen, welche in diesen Länderen gangbar sind / Anfangs Frantzösisch beschrieben, anjetzo aber … in der Hoch-Teutschen Sprach ans Liecht gestellt, durch Johann Herman Widerhold. Genf 1681.

Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin

Von Jugend an war Tavernier vom Reisefieber ergriffen. Sechsmal reiste er in den Orient, gelangte bis nach Java und legte in 40 Jahren 240 0000 km zurück.

Der Sohn eines hugenottischen Kartographen handelte vor allem mit Juwelen. An orientalischen wie an europäischen Höfen war er ein geschätzter Experte für Diamanten. Der berühmteste Stein, den er nach Europa brachte, war ein großer blauer Diamant, den Ludwig XIV. erwarb und der sich heute als Hope Diamant in Washington befindet (National Museum of Natural History).

Ein Reisender wie Tavernier war gleichsam ein Bote zwischen entfernten Kulturen und schwer erreichbaren Regionen. Seine Erlebnisse und Beobachtungen, dabei viele praktische und alltägliche Details, hielt er rückblickend in seinen detaillierten Reiseberichten fest. In mehrere Sprachen übersetzt und in vielen Auflagen erschienen, gehören Taverniers Voyages en Orient zu den Berichten, welche die Leser vielleicht kannten, bevor sie in die Märchen der Tausendundeinen Nacht eintauchten.

Das Frontispiz der deutschen Übersetzung zeigt im Vordergrund den stämmigen Tavernier, Baron d’Aubonne, der einige Diamanten direkt von den dunklen Minenarbeitern erhält ­­– ein Herrscher vor Dienenden, ein Zusammentreffen von Licht und Schatten. Entgegen diesem konventionellen Rollenbild ließ sich Tavernier auch mehrmals in orientalischen Trachten porträtieren und knüpfte auf seinen Reisen enge Bekanntschaften.

Als er sich nach seiner sechsten Fahrt 1668 in Europa niederließ, wählte er sich eine Gegend, die ihn mit ihren Bergen, Tälern und Flüssen an das südliche Armenien erinnerte: das Pays de Vaud. 1685 jedoch verkauft er sein Schloss wieder und bricht zu seiner letzten Reise auf. Wenig später, hochbetagt, verstarb er in Moskau.

Leopold Hirschberg (1867­–1929)

Hirschberg war ein leidenschaftlicher Büchersammler: Über 20.000 Bücher gehörten zu seiner vielbewunderten Bibliothek, insbesondere schöne Literatur, musik- und kunstgeschichtliche Werke, seltene Ausgaben und Raritäten. Ein Schwerpunkt war die Literatur der Goethezeit.

Hirschberg war praktizierte lange als Arzt in Berlin. In Königsberg hatte er über Missbildungen beim ungeborenen Kind promoviert. Doch gleichzeitig publizierte er über Beethoven und Carl Maria von Weber, hielt musikwissenschaftliche Vorträge und gab literarische Werke wie auch Musikalien heraus. Offenbar waren seine beiden Professionen ziemlich einträglich, da sie seine Bibliophilie ermöglichten. Ab 1913 kaufte die Bibliothek der Berliner Universität insgesamt ca. 8000 Werke aus Hirschbergs Sammlung an; die Bücher kennzeichnete die UB mit einem markanten Exlibris.

Arabische Literatur sammelte Hirschberg nicht, jedoch besaß er seltene deutsche Übersetzungen der Tausendundeinen Nacht. In seiner Bibliothek befand sich auch eine Reihe von – teils kuriosen – Werken u.a. aus Berlin und Preußen, welche das bekannte Werk parodieren, nachahmen oder den Titel zitieren: Preußens Tausendundeine Nacht; die Komische Tausendundeine Nacht des Berliner Satirikers Glaßbrenner oder Lysers Abendländische Tausendundeine Nacht. 

Provenienz-Exlibris der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin

Claudia Ott

© Claudia Ott

Musikerin, Schriftstellerin, gestandene Arabistin und unermüdliche Botschafterin für die Tausendundeine Nacht ­– die literarische Übersetzerin Claudia Ott hat die Tausendundeine Nacht nach der ältesten bekannten Handschrift neu ins Deutsch der Gegenwart übertragen und ihr ein lebendiges Gesicht gegeben. Die Handschrift aus dem 15. Jahrhundert ist dieselbe, die Galland besaß, als er die Erzählungen erstmals dem europäischen Publikum vorstellte.

Ott übersetzt quellenkritisch und wissenschaftlich fundiert am Original. Dabei schafft sie gleichzeitig einen literarisch geschlossenen Text, welcher die Passagen in Versen und in Reimprosa ins Deutsche wiedergibt. Sie hat außerdem zusätzliche Quellen und Handschriften rund um die Tausendundeine Nacht entdeckt und übersetzt. Claudia Ott lebt zurückgezogen in Beedenbostel (Niedersachsen) und ist assoziiertes Mitglied am Seminar für Arabistik und Islamwissenschaft der Göttinger Universität. Wenige Personen, die sich mit den Tausendundeinen Nacht beschäftigten, haben sich wohl so persönlich mit dem Werk verbunden gefühlt. So beschreibt Ott ihr Zusammentreffen mit den Handschriften als „Verabredung“ oder „persönliches Kennenlernen“ und legte großen Wert auf das richtige Arbeitsmaterial, nämlich eigens für sie in Kairo gebundene Schreibhefte aus ägyptischem Papier.

Als Multitalent bringt Claudia Ott das literarische Werk in ihren Performances auch einem breiten Publikum nahe: Selber ausgebildet auf der Ney, der ägyptischen Rohrflöte, trägt sie Texte aus der Erzählsammlung mit musikalischer Begleitung vor ­– eine Art Gesamtkunstwerk der Tausendundeinen Nacht.

Redaktion und Gestaltung: Sarah Oettel, Yong-Mi Rauch (Humboldt-Universität zu Berlin)