Die Geschichte von König Ǧaliʿād und seinem Wesir Šīmās

Die illustrierte arabische Handschrift Ms. or. fol. 2564 gehört zu den Highlights dieser Ausstellung, denn es gibt weltweit nur sehr wenige Exemplare dieser Art. Die Geschichte vom indischen König Ǧaliʿād, seinem Sohn Wird-Ḫān und dem Wesir Šīmās ist eine Art Prinzenspiegel. In eine Rahmenhandlung werden verschiedene Fabeln und Erzählungen eingebaut, die den ungezogenen Königssohn wieder auf den rechten Weg bringen sollen. Diese Fabelsammlung war als eigenständiges Werk ebenso im Umlauf wie als Teil der Überlieferung von Tausendundeiner Nacht. Die Abschrift entstand im 17. Jahrhundert in Ägypten.

Die Inhaltsangabe im Titel lautet:

„Im Namen Gottes, des barmherzigen Allerbarmers“ beginnen wir mit Hilfe Gottes – erhaben ist er – und seinem erfolgreichen Beistand mit der Niederschrift des Buches von dem Weisen Šīmās und seines Berichts über die Erlebnisse mit dem König Wird-Ḫān im Lande Indien – und dieser enthält Beispielhaftes und nützliche Weisheit. Bei Gott ist der Beistand. (Ms. or. fol. 2564, Bl. 1a)

Eine koptische Buchwerkstatt

Erst kürzlich konnte von einer französischen Wissenschaftlerin die Verbindung zu einer koptischen Buchwerkstatt in Kairo hergestellt werden, wo vor allem Evangelien-Handschriften ausgeschmückt wurden. Der Abu-Mina-Werkstatt in Kairo können so einige illustrierte Handschriften der arabischen Unterhaltungsliteratur zugeordnet werden, u.a. auch die Tübinger Handschrift von Umar Ibn Nu’man.

Die Schwesterhandschriften

Die Handschrift wurde 1897 in einem Pariser Antiquariat erworben. Bereits ein Jahr davor konnte bei einem Münchener Buchhändler eine andere Handschrift erworben werden, welche der anderen in Stil, Format und Machart gleicht. Es handelt sich dort um eine arabische Version des Alexanderbuches, einem im Mittelalter weit verbreiteten Legendenstoff, der sich um den historischen Alexander den Großen rankt. Auf einem Titelblatt dieser Handschrift kann der Arabisch-Kundige erkennen, dass dies das gemeinsame Titelblatt für insgesamt fünf Werke war – neben einem Sindbad-Buch, der Geschichte von der Messingstadt und der Fabelsammlung Kalila und Dimna enthielt sie auch die Geschichten vom König Dschaliad. Die gesamte Handschrift wurde vermutlich von ihrem letzten Besitzer zerteilt, um sie gewinnbringender verkaufen zu können. Es ist dem Zufall zu verdanken, dass zumindest zwei Teile in Berlin landeten. Ein dritter Teil dieser zerteilten Handschrift, die Fabeln von Kalila und Dimna, befindet sich heute in der Bayerischen Staatsbibliothek.

Zum Nachlesen:

Die Geschichte von Ǧaliʿād, seinem Sohn Wird-Ḫān und dem Wesir Šīmās befindet sich im sechsten Band der Erzählungen von den Tausendundein Nächten in der Übersetzung von Enno Littmann, erschienen im Insel-Verlag.

Restaurierung und konservatorische Sicherung der Handschrift

Die Handschrift bildet einen Auszug aus den Märchen aus Tausendundeiner Nacht und wurde in Ägypten für einen unbekannten Auftraggeber hergestellt. Auch über den Schreiber ist leider nichts bekannt. Trotzdem lassen sich über die verwendeten Materialien und Gebrauchsspuren einige Schlüsse über die Entstehung und Geschichte der Handschrift ziehen.
In einem zweijährigen Masterprojekt am Institut für Restaurierung und Konservierung der Technischen Hochschule in Köln wurde diese Handschrift unter kodikologischen und kunsttechnologischen Aspekten untersucht und auf Basis dieser Erkenntnisse ein Restaurierungskonzept entworfen, welches erfolgreich auf die Handschrift angewendet werden konnte.

Buchblock
Das Büttenpapier, aus dem sich der Buchblock zusammensetzt, zeigt Wasserzeichen, die bei der Herstellung des Papiers entstehen und einen Hinweis auf den Ort und den Zeitraum der Herstellung liefern. Über diese Wasserzeichen konnte ermittelt werden, dass das Papier im 17.Jh. in einer französischen Papiermühle hergestellt wurde und für den Export in den arabischen Raum bestimmt war.
Die häufige Nutzung der Handschrift führte zu zahlreichen Rissen im Papier. Zahlreiche Reparaturen im Falzbereich der Blätter weisen darauf hin, dass sich Seiten gelöst haben.
Der großzügig aufgetragene und versprödete Leim sowie die zahlreichen Reparaturen im Falzbereich führen dazu, dass sich die Handschrift nicht mehr gut aufschlagen ließ. Sogar Risse durch das Papier mit den Buchmalereien sind festzustellen.
Um weitere Risse zu verhindern und die Handschrift besser aufschlagen zu können, muss die Leimschicht entfernt und die Einzelblätter wieder zu Lagen zusammengesetzt werden. Diese Lagen können daraufhin wieder geheftet werden, was das Aufschlageverhalten verbessert.
Risse und Fehlstellen müssen geschlossen werden, um ein weiteres Einreißen zu verhindern.
Werden zwei Einzelblätter wieder mit Papierstreifen zu Doppelblättern zusammengefügt, entsteht ein enormer Volumenzuwachs dort, wo sich die Papiere überschneiden. Das muss so weit es geht verhindert werden, da der Buchblock wieder in seinen ursprünglichen Einband zurückgeführt werden soll. Eine Abnahme der historischen Reparaturen im Falzbereich war daher notwendig.
Durch eine ausgiebige fotografische Dokumentation durch die Digitalisierung der Handschrift in einem vorangegangenen Projekt ist die Lage der historischen Reparaturen nachvollziehbar. Alle Reparaturen in anderen Bereichen des Blattes, vor allem an den Ecken und Kanten wurden als historische Zeugnisse belassen. Durch die Abnahme der historischen Reparaturen konnte viel Platz für das zusätzliche Papier und die Heftung gewonnen werden. Außerdem wurde beschlossen, nur ein sehr dünnes, transparentes Japanpapier für die Zusammenfügung der Einzelblätter zu verwenden. Nun lässt sich der Buchblock problemlos vollständig aufschlagen.

Tinte und Kupfer
Die Tinte besteht aus einer Mischung aus einer Eisengallustinte und einer Rußtusche.
Bei einer Eisengallustinte kann das Phänomen des Tintenfraßes vorkommen, welcher das Papier regelrecht zerfrisst. Daher müssen Maßnahmen getroffen werden, um den Schaden, der hier noch nicht weit fortgeschritten ist, so früh wie möglich einzudämmen.
Die Rußtusche ist wasserlöslich, sodass eine sehr feuchte Behandlung der Tinte dazu führen kann, dass die Tinte ausgeschwemmt wird.

Das grüne Pigment besteht aus einem Kupferchlorid. Dieses kann nicht nur den Kupferfraß ausbilden, ein ganz ähnliches Phänomen wie das des Tintenfraßes, sondern auch den Tintenfraß verstärken. Schäden lassen sich vor allem an den Stellen der Seite erkennen, an denen auf der einen Seite des Blattes eine grüne Malerei, auf der anderen Seite des Blattes in derselben Höhe, Schrift aus schwarzer Tinte aufeinandertreffen. Die Restaurierung der Handschrift muss daher beide Phänomene berücksichtigen.

Einband
Der Einband ist neueren Ursprungs. Die Reste einer Urkunde, die zur Verstärkung des Buchblocks verwendet wurde, nennt ein Datum (1749) und ist in Frankreich zu verorten. Da die Urkunde zweckentfremdet wurde, kann davon ausgegangen werden, dass sie einige Jahrzehnte nach ihrer Entstehung ihre Gültigkeit verlor und für die Reparatur des Buches verwendet wurde. Auch die Technik und die Gestaltung des Einbandes lassen darauf schließen, dass das Buch Ende des 18. oder Anfang des 19.Jh. neu gebunden wurde. Die Gestaltung des Einbandes, insbesondere mit der Mandorla, die das Mittelfeld des Einbandes verziert, lehnt sich an orientalische Vorbilder an, wurde aber in europäischer Technik hergestellt.
Das Einbandleder war versprödet und zeigt Spuren eines säurebedingten Zerfalls. Ein Festigungsmittel wurde aufgetragen, um vor weiteren Abpulverungen und Verfärbungen zu schützen. Die Risse und Fehlstellen im Einband wurden mit Leder und Japanpapier ergänzt.

* Dieser Abschnitt zur Restaurierung ist eine leicht gekürzte Version eines Blogbeitrags von Ina Fröhlich. In einem zweijährigen Masterprojekt am Institut für Restaurierung und Konservierung der Technischen Hochschule in Köln hat sie diese Handschrift unter kodikologischen und kunsttechnologischen Aspekten untersucht und anschließend restauriert.

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