12. Dezember

Heute entdecken Sie in unserem Adventskalender gewissermaßen ein Wimmelbuch von 1757. Weil das Buch als ‚Groß-Folio‘ aber so stattlich ist – viel größer als die bekannten Ali-Mitgutsch-Bücher! –, können wir Ihnen nur das Frontispiz zeigen. Aber wie bei Wimmelbüchern so üblich, finden Sie darin auch schon viele spannende Kleinigkeiten.

Der Urheber unserer besonderen Kupfertafel ist Giovanni Battista Piranesi (1720-1778) und der Band ist natürlich kein schnödes Wimmelbuch. Es handelt sich um den zweiten Band der berühmten Antichità Romane, der vor allem römische Grabanlagen zeigt und auf den folgenden Kupfertafeln viel Wert auf architektonisches Wissen legt. Piranesi erforschte und vermaß zahllose Bauten des antiken Roms und gab anschließend in vier Bänden Ansichten römischer Altertümer heraus – nicht umsonst gilt er als bekannter Vertreter der Vedute, d. h. realistischer Stadtansichten. Obwohl Piranesi also durchaus mit künstlerischer Freiheit versuchte, die Idee der römischen Architektur darzustellen, wirkt der restliche Band nicht so fantastisch, frei von realistischen Größenverhältnissen und überladen wie unser Wimmelbild. In der Fachsprache hieße unsere Seite mit der Gräberstraße übrigens wohl sowieso eher ‚Capriccio‘. Trotzdem: Es gibt hier viel zu entdecken und der Kupferstich erzählt sogar von einem kleinen Skandal!

Schauen Sie sich doch bitte einmal die Inschrift ein klein wenig links von der Bildmitte an – um Ihnen das zu erleichtern, finden Sie auf unserem zweiten Bild einen entsprechend vergrößerten Ausschnitt. Sie können den Text nicht recht lesen? Das ist auch intendiert, denn ein wütender Piranesi hat die Inschrift in Teilen getilgt. Lord Charlemont, sein Mäzen, hatte zunächst finanzielle Unterstützung für die Antichità Romane zugesagt und diese dann zurückgezogen. Piranesi tilgte daraufhin die Widmung und begann eine öffentliche Fehde.

Aber nochmals zurück zu Fachlichem: Weil die Druckplatten sowohl von Piranesi selbst als auch von späteren Eigentümern immer wieder verändert und teilweise auch Einzelblätter verkauft wurden, ist die Datierung reichlich schwierig. Hier helfen dann vor allem die Wasserzeichen auf den einzelnen Papierbögen weiter (weitere Informationen). Mithilfe einer thermographischen Kamera können in der SBB Wasserzeichen fotografiert und gut sichtbar gemacht werden. Diese geben dann Aufschluss über die Papiermühle und über die Herstellungszeit des jeweiligen Bogens. Sie sehen also: Wir haben es hier zwar vielleicht nicht mit einem Wimmelbuch zu tun, aber zu entdecken gibt es trotzdem viel!