14. Dezember
Kennen Sie Herrn Hensel? Wilhelm Hensel? Nein? Macht nichts, wahrscheinlich sind Sie damit in guter Gesellschaft, denn aus heutiger Sicht könnte man ihn gewissermaßen für einen C-Promi der deutschen Kulturgeschichte halten. Aber Vorsicht vor zu schnellen Schlüssen, lassen Sie uns gemeinsam genauer hinsehen und in die Berliner Romantik eintauchen!
Wilhelm Hensel war der Bruder der Dichterin Luise Hensel, die Sie mit Sicherheit kennen: Von ihr stammt das Gedicht und Gute-Nacht-Gebet vieler Kinder: „Müde bin ich, geh zur Ruh“. Wilhelm Hensel war außerdem mit vielen Geistesgrößen bekannt, z. B. mit E.T.A. Hoffmann, Karl Friedrich Schinkel, Adelbert von Chamisso und Clemens Brentano – in den Salons der Zeit ging Hensel also ein und aus. Und Theodor Fontane widmete Hensel ein Kapitel in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, in dem er ihn als konservativen und königstreuen Hofmaler und Porträtzeichner beschreibt.
Vor allem aber war Wilhelm Hensel seit 1829 der Ehemann von Fanny Hensel, der Schwester von Felix Mendelssohn-Bartholdy und Enkelin von Moses Mendelssohn, der als Philosoph der Haskala (der jüdischen Aufklärung) bekannt ist. Fanny Hensel war musikalisch mindestens so begabt wie ihr berühmter Bruder: Sie komponierte meisterhaft und konzertierte als Pianistin. Das allerdings stets nur im privaten Umfeld, denn ihre Familie hielt wenig von einer berufstätigen Frau und gab der Schicklichkeit den Vorzug. Wilhelm Hensel sah das anders: Er unterstützte Fanny Hensels musikalisches Wirken und so ist es kein Wunder, dass die beiden eine außerordentlich glückliche Ehe geführt haben sollen. Als Fanny 1847 starb, gab Wilhelm die Malerei auf und zeichnete nur noch Porträts. Und für diese ist er heute auch vor allem bekannt. Etwa 1000 Porträts seiner Zeitgenoss*innen sind erhalten und zeigen das „Who’s who“ seiner Zeit.
Sie sehen also: auch wenn Ihnen Wilhelm Hensel vielleicht vor einigen Minuten noch nichts gesagt hat, mithilfe seines Werkes und anhand seiner Person können Sie tiefe Einblicke in die Jahre der Spätromantik erhalten.
In unserem Adventskalender zeigen wir heute aus dem Bestand des Mendelssohn-Archivs ein hübsches kleines Zeichen- und Skizzenbuch, das Wilhelm Hensel für Fanny entworfen hat. Sie finden darin unter anderem einige Illustrationen zu Werken von Ludwig Tieck. Während sich die Porträts Wilhelm Hensels vor allem im Kupferstichkabinett befinden, liegen im Mendelssohn-Archiv an der SBB fünf großformatige Alben mit jeweils mehr als 100 eingeklebten Skizzen und Zeichnungen sowie rund ein Dutzend kleinformatige Skizzen- und Zeichenbücher.