21. Dezember

Wie Sie ja vielleicht wissen, ist heute Wintersonnenwende. Sprich der kürzeste Tag und die längste Nacht des Jahres. Heute beginnt offiziell der Winter und die gute Nachricht ist, dass nun die Tage schon wieder länger werden, bis am 21. März die Tag- und Nachtgleiche erreicht sein wird. Nicht jede*r weiß vielleicht, dass heute auch St. Thomas gefeiert wird. Und wie eine alte Bauernregel bereits besagt:

Wenn St. Thomas dunkel war, dann gibt’s ein schönes neues Jahr!

Mit dieser Bauernregel im Gepäck werfen wir nicht nur einen prüfenden Blick aus dem Fenster, sondern zeigen Ihnen auch ganz unterschiedliche Kalender, die wir in unserer Bibliothek für Sie entdeckt haben: wie etwa einen ungewöhnlichen Aderlasskalender, einen reich illustrierten Kalender aus dem 18. Jahrhundert oder einen Taschenkalender für Beamte aus dem 19. Jahrhundert.

Dieser Almanach ist auf das Jahr 1478 datiert und der Holzschnitt über dem Text zeigt den Erzengel Gabriel zwischen einem echten Pfau und einem als Pfau verkleideten Storch. Ungewöhnlich ist dieser Aderlasskalender aus mehreren Gründen, denn der Almanach „weicht in seinem Bildschmuck völlig von der Norm ab“ (Amelung, Bilderschmuck, S. 238) und der Text ist laut Heitz/Haebler als Satire gegen Hoffart und Anmaßung zu verstehen: Der Erzengel Gabriel tritt hier in parodistischer Verkehrung der Verkündigungsszene auf. Auch der Textbeginn ist ungewöhnlich: Die Eingangsworte „stellen die erste Reaktion gegen die Laßtafelwirtschaft dar, indem sie ausdrücklich betonen, daß das alles nur für das hygienische Aderlassen der Gesunden Geltung habe … Die Laßtage sind in diesem Kalender überhaupt wesentlich eingeschränkt“ (Sudhoff, Laßtafelkunst, S. 243).

Hier handelt sich um ein reich illustriertes Kalenderwerk von Jehuda Löw Grünhut aus dem Jahr 1715. Es ist eine Kompilation früherer Werke. Dem eigentlichen kalendarischen Teil sind noch verschiedene kürzere Texte angefügt: Astrologische Bauernkalender, Wetterprognosen, Liste der Tage, an denen man sich zur Ader lassen soll, sowie eine Liste mit Jahrmärkten in verschiedenen deutschen Städten.

Einer kleinen Anekdote zufolge fällte Moritz Steinschneider (1816‑1907), der diese Handschriften Ende des 19. Jahrhunderts beschrieb, folgendes Verdikt:

„An der Ausschmückung ist eine Mühe verschwendet worden, welche nur von der beispiellosen Geschmacklosigkeit übertroffen wird, die selbst bei einem deutschen Juden des XVIII. Jahrhu. überrascht. Ganze Seiten enthalten nur scheussliche Figuren von Menschen, Tieren und anderen Gegenständen, deren Zusammenhang mit dem Buche mitunter sehr fragwürdig erscheint.“ (Verzeichnis Berlin, 1897, S. 76)

Das sagt viel über den Asketen Steinschneider aus, der sich an streng wissenschaftlichen Werken erfreute und dem diese jüdischen Werke sogar fast peinlich waren. Er arbeitete vor allem an seinem Lebenswerk, der Erforschung der Rolle der Juden als Kulturvermittler und Übersetzer. Illustrierte Werke oder auch die Bibelmanuskripte interessierten ihn weniger. Uns fallen heute aber gerade diese reich illustrierten Kalenderwerke ins Auge, weil sie als historische Dokumente interessant sind.

Sie finden in unseren Digitalisierten Sammlungen zahlreiche Taschenkalender für Beamte aus dem 19. Jahrhundert, die im Rahmen des Projekts „Digitalisierung des Bestands der Staatsbibliothek zu Berlin zum deutschen Territorialrecht von 1801 bis 1900“ digitalisiert wurden. Durchstöbern Sie sie selbst und machen Sie sich vertraut mit Namenstagen oder dem preußischen Jagdkalender!