7. Dezember

Wir haben nicht nur Recht, sondern wir behalten es auch!

Ivo Vogel (Leiter des Fachinformationsdienstes für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung)

Waren Sie bisher schon einmal überrascht, warum die Staatsbibliothek zu Berlin (SBB) eigentlich so gut mit Rechtsliteratur und -quellen ausgestattet ist? Dieses offene Geheimnis soll hinter diesem Kalendertürchen gelüftet werden.

Schon die Vorgängereinrichtungen der SBB können auf eine lange und intensive Sammlung rechtswissenschaftlicher Quellen und Literatur zurückblicken. So ist es nicht verwunderlich, dass es sich bei einem der ältesten Besitztümer der Bibliothek um eine der bekanntesten Rechtshandschriften, einer Sachsenspiegelfassung (Signatur: Ms. germ. fol. 10) aus dem Jahre 1369, handelt. Hingegen zählt zu den ältesten Rechtsbüchern im Besitz der Bibliothek eine Sammelhandschrift juristischer Texte, die „Epitome Iuliani“ (Ms. lat. fol. 269), die aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts stammt. Und an Schönheit ist die italienische Pergamenthandschrift aus dem 14. Jahrhundert „Digestum vetus cum glossa“ (Ms. Ham. 364) wohl kaum zu übertreffen, welche mit Zierlinien, zahlreichen teils mit Gold verzierten Initialen in leuchtenden Farben, blütenartigen Ornamenten oder figürlichen Darstellungen im Bologneser Stil glänzt.

Als kurfürstliche und später königliche Bibliothek sowie Preußische Staatsbibliothek waren Rechtsquellen Gegenstand einer intensiven Anschaffungspolitik. Insbesondere ist ein einzigartiger Bestand an preußischen Rechtsquellen zu finden. Ein Teil dieser Quellen konnte bereits um die Jahrtausendwende im Rahmen eines durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projektes digitalisiert werden. Dabei handelt es sich um den Corpus Constitutionum Marchicarum (CCM) und dem Novum Corpus Constitutionum (NCC), eine umfassende Zusammenstellung preußischer Gesetze von 1298–1810.

Von besonderem Forschungsinteresse sind darüber hinaus die Rechtsakte in den deutschen Kolonien oder die Partikularrechte der deutschen Staaten bzw. des Auslands. In einem ebenfalls von der DFG geförderten Projekt konnten nahezu die gesamten Bestände zum Territorialrecht des 19. Jahrhunderts an der SBB digitalisiert und im Open Access zugänglich gemacht werden. Weitere konkrete wissenschaftliche Digitalisierungsbedarfe im Bereich Recht werden mit einem on demand-Dienst abgedeckt.

Insgesamt zählt der juristische Altbestand der SBB an gedruckten Werken (1501–1955) ca. 230.000 Titel. Eine sachliche Suche ist mittels des ARK-online (Alter Realkatalog) unter „Rechtswissenschaft“ möglich.

Schnelle Fakten:

  • über 1,25 Millionen Bände an Monographien, Zeitschriften, Gesetzesblättern und Entscheidungssammlungen
  • ca. 1.700 laufend gehaltene gedruckte Rechtszeitschriften
  • 9.000 elektronische Rechtszeitschriften
  • mehrere zehntausend Werke in Mikroform
  • ca. 6.000 Bände jährlicher Zuwachs an gedruckten Werken
  • 40 Prozent der Neuerwerbung bedienen das Recht Deutschlands

Potsdamer Straße

  • moderne juristische Forschungsbibliothek
  • 25.000 Bände

Standort: HB 10

Unter den Linden

  • historische Rechtsbibliothek
  • Mischung aus Alt- und Neubeständen

Standort: HA 10

Fachinformationsdienst für die Wissenschaft

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die rechtswissenschaftliche Sammlung beachtliche Zuwächse verzeichnen. Im Rahmen des durch die DFG geförderten Sondersammelgebiets Rechtswissenschaft erwarb die SBB ab 1975 vorrangig die im Ausland erschienene und fachlich bedeutsame Literatur, um eine überregionale Literaturversorgung zu gewährleisten. Dieses System der überregionalen Literaturversorgung ist von der DFG schrittweise durch die Fachinformationsdienste für die Wissenschaft ersetzt worden. Deren Kernaufgabe soll es sein, in engem Kontakt mit der Fachcommunity bedarfsorientiert und -gerecht Spezialliteratur sowie bevorzugt elektronische Ressourcen für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Verfügung zu stellen. Seit 2014 wird an der SBB nunmehr der Fachinformationsdienst für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung intR² (gesprochen: „Inter-Zwei“) auf- sowie ausgebaut, der sich inhaltlich auf internationalrechtliche und interdisziplinäre Rechtsliteratur spezialisiert hat.

Insgesamt hat sich die Rechtssammlung der SBB bis heute zu einer der größten geschlossenen Rechtsbibliotheken mit nationaler Bedeutung entwickelt. Vom „Harvard Law Review“ bis zur Verfassung Kasachstans können Sie an der SBB fündig werden. Jedoch wird auch das deutsche Recht intensiv gesammelt. Und sollte doch einmal ein begehrtes Rechtsbuch fehlen, so können Sie dieses zur Anschaffung vorschlagen und wir kümmern uns darum, damit Sie an der SBB schnellstmöglich zu Ihrem Recht kommen! Seit Oktober 2007 werden für den Großteil aller Neuerwerbungen elektronische Inhaltsverzeichnisse erstellt, die über den Katalog durchsuchbar sind. In einem Projekt konnten mit diesem Verfahren zusätzlich 45.000 elektronische Inhaltsverzeichnisse retrospektiv hinzugefügt werden.

Unser rechtswissenschaftliches Serviceportal

Doch die wohl größte Herausforderung für das Sondersammelgebiet Recht und den Fachinformationsdienst in Bezug auf moderne Informationsmittel war und ist der Aufbau bzw. Ausbau der so genannten Virtuellen Fachbibliothek. Dieses seit 2005 im Internet erreichbare Angebot stellt das zentrale Recherche- und Serviceportal des Fachinformationsdienstes dar.

Funktion des Portals ist es einerseits, eine zentrale Rechercheplattform für die rechtswissenschaftliche Forschung zur Verfügung zu stellen, anderseits ist es der Ort, an dem alle Services des Fachinformationsdienstes dargestellt und abrufbar sind. Eines der zahlreichen Angebote ist der Dokumenten- und Publikationsservice intR²Dok. Hier sammelt und verzeichnet der Fachinformationsdienst Open Access-Dokumente der juristischen Fachcommunity und stellt diese dauerhaft und kostenfrei bereit. Dieser Service erfüllt die neuesten technischen Anforderungen bezüglich der Datenerstellung, des Uploads von Dokumenten, der persistenten Adressierung (URN und DOI), der Langzeitarchivierung, der Präsentation und Auffindbarkeit, des Einsatzes von Statistiktools und des Angebots von gängigen Zitierformaten.

Fachrepositorium intR²Dok

Eine über 350-jährige Sammelleidenschaft hat an der SBB die größte universelle Rechtssammlung in Deutschland entstehen lassen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich stets den aktuellen Erfordernissen und Bedürfnissen der Fachgemeinschaft sowie inhaltlichen und technischen Neuentwicklungen gestellt haben. Aufgrund ihres Archivauftrags bewahrt die SBB diesen einmaligen Schatz für die Zukunft auf, so dass wir mit Recht behaupten können, nicht nur Recht zu haben, sondern es auch zu behalten.