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Erkennen Sie die Meerjungfrau? Man muss schon ein wenig genauer hinschauen, um sie durch das Papier schimmern zu sehen – denn nicht aus den Meeresfluten, sondern aus einem Nachlass der Staatsbibliothek zu Berlin stammt sie. Ihrem ursprünglichen Element ist sie aber weiterhin verbunden, handelt es sich bei ihr doch um ein Wasserzeichen, wie man sie in europäischen Papieren vom Mittelalter bis zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert findet.
Bei der manuellen Papierherstellung wurden Stoffreste eingeweicht und zersetzt, bevor man aus diesem wässerigen Faserbrei mithilfe eines Siebs Papierbögen schöpfte. Als eine Art Markenzeichen der Papiermühlen wurden auf die Schöpfsiebe kleine Drahtfiguren aufgenäht. Die dabei gewählten Motive sind sehr vielfältig; von Fabelwesen wie der hier abgebildeten Meerjungfrau (Staatsbibliothek zu Berlin, Nachlass 139: Carl Peter Lepsius; Fasz. 6, Blatt: 23–25) oder Einhörnern ist über Wildschweine, Schnecken, Tulpen, Butterfasstürme und Dreiberge bis hin zu geometrischen Figuren und Buchstaben (fast) alles zu finden.
Für die Erforschung von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handschriften sind Wasserzeichen vor allem als Datierungshilfe von größter Bedeutung. In der Regel hatten die Schöpfsiebe eine Gebrauchsdauer von ca. zwei Jahren, und in den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass das Papier innerhalb weniger Jahre nach seiner Entstehung auch beschriftet wurde. Daher kann der Entstehungszeitraum undatierter Quellen durch den Vergleich mit einer datierten Quelle, die ein identisches Wasserzeichen enthält, auf wenige Jahre genau bestimmt werden.
Dies setzt voraus, dass auf (möglichst umfangreiche) Sammlungen von datierten Wasserzeichen zurückgegriffen werden kann. Neben zahlreichen gedruckten Wasserzeichensammlungen wie denjenigen von Briquet und Piccard gibt es mittlerweile auch Onlinedatenbanken für die Wasserzeichenforschung, wie etwa das seit 2010 entwickelte und ständig erweiterte Wasserzeichen-Informationssystems WZIS, in das auch Wasserzeichen aus den Beständen der Staatsbibliothek eingepflegt werden.
Doch was haben Wasserzeichen nun eigentlich mit der Advents- und Weihnachtszeit zu tun? Dazu nur so viel: Das weitaus häufigste Wasserzeichenmotiv in mitteleuropäischen Papieren des Mittelalters ist der Ochsenkopf (über 35.000 Belege in WZIS). Nicht ganz so verbreitet ist der – im adventlichen Kontext ebenfalls relevante – Esel (43 Belege); und für ganz anspruchsvolle Krippenbastler*innen sind sogar Engel (162 Belege) und Dromedare (2 Belege) im Angebot.
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