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Karl Marx – Leben, Werk und zeitgenössische Kinderbücher

Das Geburtshaus in Trier, Brückenstraße 10. – Bildagentur Preußischer Kulturbesitz

Am 5. Mai 1818 wird Karl Marx in Trier geboren. Er ist das dritte der neun Kinder des Anwalts Heinrich Marx und seiner Frau Henriette (geb. Pressburg), und es sind unruhige Zeiten in Europa. Im Zuge des Ersten Koalitionskriegs (Revolutionskriegs) wurde Trier 1794 französisch, die französische Revolution endete (1799), im Verlauf der Befreiuungskriege fiel Trier fünfzehn Jahre später an Preußen und Napoleon wurde im selben Jahr (1814) endgültig geschlagen.

Angesichts der Repressalien Preußens gegenüber Angehörigen des jüdischen Glaubens konvertierte Heinrich Marx, der aus einer bedeutenden Rabbinerfamilie stammte, kurz vor Karls Geburt zum Protestantismus, um seinen Beruf weiter ausüben zu können. Am 26. August 1824 wird Karl zusammen mit seinen Geschwistern getauft. Diese, so berichtete später seine jüngste Tochter, soll er oftmals tyrannisiert, später dann aber mit dem Erfinden fantasievoller Geschichten besänftigt haben.

Zwischen 1830 und 1835 besucht Karl Marx das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Trier. Der Direktor und Geschichtslehrer Johann Hugo Wyttenbach beeindruckt Karl besonders, er ist nicht nur gebildet, sondern denkt auch progressiv. Den Sturm auf die Bastille hatte er als den Beginn heraufziehender Freiheit begrüßt. Seine Lehren verinnerlicht der junge Karl Marx, wie sein Abituraufsatz Betrachtung eines Jünglings bei der Wahl eines Berufs zeigt:

Porta Nigra in Trier. (Stahlstich, 1845). – Bildagentur Preußischer Kulturbesitz

[…] Wenn wir den Stand gewählt, in dem wir am meisten für die Menschheit wirken können, dann können uns Lasten nicht niederbeugen, weil sie nur Opfer für alle sind; dann genießen wir keine arme, eingeschränkte, egoistische Freude, sondern unser Glück gehört Millionen, unsere Thaten leben still aber ewig-wirkend fort und unsere Asche wird benezt von der glühenden Thräne edler Menschen.

Wyttenbach moniert „ein übertriebenes Suchen nach einem seltnen, bilderreichen Ausdrucke„, urteilt aber insgesamt: „Ziemlich gut.“

Marx besteht als einer der jüngsten Schüler des 32-köpfigen Jahrgangs das Abitur. Insgesamt ist er Achtbester, seine Stärken liegen in den Fächern Latein und Griechisch, in Französisch und Mathematik werden seine Leistungen dagegen mit „schwach“ beurteilt.

Zeitgenössische Kinder- und Jugendliteratur

Die Kindheit und Jugend von Karl Marx fielen hinsichtlich des Angebots von Kinder- und Jugendbüchern genau in eine Umbruchzeit. Während die an ein junges Publikum gerichtete Literatur seit der Mitte des 18. Jahrhunderts im Wesentlichen auf die religiös fundierte, sachliche Bildung ausgerichtet war, rückten die Romantiker des frühen 19. Jahrhunderts von dem Nützlichkeitsstreben der Aufklärungszeit ab. Sie propagierten eine fantasievolle, unterhaltsame, eher volkstümliche Lektüre. Als Auftakt gilt die Volksliedsammlung Des Knaben Wunderhorn von Achim von Arnim und Clemens Brentano, die zwischen 1805 und 1808 in drei Bänden erschien. Sie enthielt auch Kinderlieder und -gedichte und etablierte damit gleichzeitig die Kinderlyrik in Deutschland. Ein Jahr nach der Geburt von Karl Marx erschien außerdem die – u.a. für das zarte Kinderohr sprachlich und inhaltlich bereinigte – 2. Auflage der Kinder- und Hausmärchen von Jacob und Wilhelm Grimm. 1825 folgte mit der sogenannten Kleinen Ausgabe die erste deutsche illustrierte Fassung, die eigens für Kinder konzipiert war. Überhaupt brachte die Romantik üppig und attraktiv bebilderte Kinderbücher hervor, die aufgrund der hohen Produktionskosten aber weiterhin einem begüterten Publikum vorbehalten waren. Zu den weit verbreiteten Klassikern der Kinder- und Jugendliteratur während Marx‘ Kindheit und Jugend zählen vor allem

  • der Orbis sensualium pictus des Theologen und Pädagogen Johann Amos Comenius – ein für die damalige Zeit üppig bebildertes Sach- und Sprachlehrbuch, das, 1658 erstmals (zweisprachig, Deutsch-Latein) in Nürnberg erschienen, insgesamt in 20 Sprachen übersetzt wurde und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts etwa 200 Auflagen erreichte.
  • Friedrich Justin Bertuchs Bilderbuch für Kinder – ein enzyklopädisches, wenn auch dem sprunghaften kindlichen Interesse entsprechend jeweils pro Heft in bunter thematischer Mischung erscheinendes Sammelwerk, das zwischen 1790 und 1830 in 237 Teillieferungen angeboten wurde. Das Werk besticht vor allem durch die 1185 insgesamt enthaltenen kolorierten Bildtafeln.

Neben weiteren kindgerechten Lehrwerken, wie dem Elementarwerk von Johann Bernhard Basedow sowie Johann Sigmund Stoys Bilder-Akademie für die Jugend, zählten auch Reisebeschreibungen zur unterhaltsamen und gleichzeitig lehrreichen Lektüre von Jugendlichen.

Weitere Kinder- und Jugendbücher aus der Zeit zwischen 1818 und 1835 finden Sie im StaBiKat.

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Im Anschluss an das Abitur nimmt Karl Marx im selben Jahr (1835) das Studium der Rechtswissenschaften und der Kameralistik in Bonn auf. Er besucht zudem altsprachliche Seminare, die seinen literarischen Interessen entsprechen. Gleichzeitig legt Marx ein für zeitgenössische Erstsemester typisches Verhalten an den Tag, das dem Genuss frisch erworbener Freiheit geschuldet ist und sich in Geldsorgen, seltener Korrespondenz mit dem Elternhaus sowie zumindest zuweilen Trunkenheit, dem unerlaubten Tragen einer Waffe und wenigstens einem Duell ausdrückt.

Zum Wintersemester 1836/1837 wechselt Marx an die damalige Friedrich-Wilhelms-Universität (heute: Humboldt-Universität) nach Berlin. – Zuvor verlobt er sich noch heimlich mit der vier Jahre älteren Jenny von Westphalen, die er bereits seit Kindertagen kennt. Ihr Vater, Ludwig Freiherr von Westphalen, hatte einst den Grundstein zu Marx‘ Bewunderung für die Werke Homers und Shakespeares gelegt. Doch trotz der freundlichen Verbundenheit des Geheimen Regierungsrats mit dem jungen Studenten befürchtet das Paar Schwierigkeiten hinsichtlich der elterlichen Zustimmung.

Blick von der Halbinsel Stralau – auf der Höhe des ehemaligen Wohnorts Karl Marx‘ – über die Stralauer Bucht Richtung Westen

Karl Marx‘ neuer Studienort befindet sich in einer Phase des rapiden Wachstums. Auf der Suche nach einer günstigen, gut gelegenen Unterkunft zieht Marx insgesamt achtmal innerhalb der preußischen Hauptstadt um. Die schlechte, staubige Luft löst bei ihm

Atemwegserkrankungen aus, so dass er auf ärztliches Anraten vom April bis zum Spätsommer 1837 auf die ländliche Stralauer Halbinsel zieht.

Erkrankungen dieser Art stellen innerhalb der Familie Marx, vor allem bei den männlichen Familienmitgliedern, eine ernsthafte Bedrohung dar. Während seiner Studienzeit in Berlin verstirbt zunächst sein jüngster Bruder, Eduard (14.12.1837), kaum ein halbes Jahr später sein Vater (10.05.1838) und kurz nach dem Abschluss seines Studiums auch noch sein nächstjüngerer Bruder, Hermann (14.10.1842).

Dennoch bleibt sein Kontakt zur Familie in Trier eher lose und angespannt. Auch das aus dem Jahr in Bonn bekannte Problem ständiger Geldknappheit hält sich. Hinsichtlich seines Studiums geht Marx zunehmend eigene Wege. Die vom Vater favorisierten Rechtswissenschaften treten zunehmend zugunsten der Philosophie und Geschichte zurück. Den zeitweilig gehegten Traum vom Dichterdasein gibt Marx bereits Ende 1837 auf. Stattdessen zählt er zum Kreis der Junghegelianer und debattiert im sogenannten „Doctorclub“ auf der Basis der Dialektik Hegels über die Überwindung der repressiven politischen und sozialen Zustände in Preußen.

Entlastungsschreiben der Königlichen Bibliothek für Karl Marx. – Aus: Das Stichwort, 25 (1981) 1, S. 8.

Das Abgangszeugnis der Königlichen Friedrich Wilhelms Universtität zu Berlin datiert vom 30.04.1841. Zwei Wochen später, am 15.04.1841, wird Karl Marx in Abwesenheit über die Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie an der Universität Jena zum Doktor der Philosophie promoviert.

Anschließend zieht Karl Marx zurück nach Bonn. Doch seine Hoffnungen auf eine Professur erfüllen sich nicht, da der preußische Staat keine erwiesenermaßen oppositionellen Akademiker in die wissenschaftliche Laufbahn aufnimmt.

Eine Anstellung findet er bei der Rheinischen Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe, die liberale Bürger erstmals am 01.01.1842 in Köln herausgeben. Gut zehn Monate später übernimmt Marx komplett die Redaktion des Blattes, das unter seiner Führung zunehmend radikaler und daher von den Zensurbehörden zum 01.04.1843 verboten wird.

Am 18.06.1843 heiraten Jenny von Westphalen und Karl Marx in Kreuznach.

Karl Marx als Bibliotheksbenutzer

Der Stifter der Berliner Universität, Friedrich Wilhelm III., hatte 1810 verfügt, dass die Königliche Bibliothek den Lehrenden und Studierenden offenstehe. Den damit verbundenen  Anforderungen konnte die Königliche Bibliothek jedoch schon bald nicht mehr nachkommen, so dass 1831 die Universitätsbibliothek gegründet wurde. Zu den Studienzeiten von Karl Marx befand sich die Universitätsbibliothek zunächst im Obergeschoss der Königlichen Bibliothek im Dublettenzimmer. 1839 umfasste der Bestand 6.570 Titel, und die Universitätsbibliothek zog aus.
Zeitgenössische Darstellungen der Räumlichkeiten der Königlichen Bibliothek liegen leider nicht vor. Die zur Jahrhundertwende entstandenen Fotografien vermitteln jedoch, abgesehen von der Elektrifizierung im Lesesaal, einen guten Eindruck von der Bibliotheksbenutzung im 19. Jahrhundert.

Historische Fotografien mit freundlicher Genehmigung der bpk-Bildagentur

Lesespuren

Sehr wahrscheinlich ließ sich der junge Bibliotheksbenutzer Marx im Zuge enthusiastischer Lektüre zu (nach wie vor!) unerlaubten Anstreichungen im Text hinreißen. Zumindest ist aus der Geschichte unseres Hauses folgender Fall überliefert:

„Unsere Verbundenheit zur Partei der Arbeiterklasse möchten wir durch eine Buchgabe an den IX. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zum Ausdruck bringen.
Das beiliegende Buch von
N.W. Senior,
Letters on the Factury [sic] act, as it affects the Cotton Manufacture … London 1837
ist von Karl Marx benutzt worden; es enthält Anstreichungen, die nur von ihm selbst stammen können. Wir sind auf dieses wichtige Werk in unserem Bestand durch Wissenschaftler des Instituts für Marxismus-Leninismus aufmerksam gemacht worden und meinen, daß es künftig dort aufbewahrt und genutzt werden sollte, wo die Karl-Marx-Forschung in unserer Republik konzentriert ist.
Wir übergeben dieses wertvolle Bändchen als Dank an den IX. Parteitag und als Ausdruck der tiefen Verbundenheit aller Mitarbeiter der Deutschen Staatsbibliothek mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands.“
(Prof. Dr. Horst Kunze, Generaldirektor der Deutschen Staatsbibliothek, in: Das Stichwort : Nachrichten aus der Deutschen Staatsbibliothek. 20 (1976) Heft 2, S. 1.)

Der Band ist in der Staatsbibliothek heute nur noch als Kopie des o.g. Exemplars vorhanden. Das Original, das der Bibliothek des Instituts für Marxismus-Leninismus übereignet worden war, fand seinen Weg über die Nachfolgeinstitution, das Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung, zu seinem heutigen Standort als Rarum in der Bibliothek des Bundesarchivs.

Im Oktober 1843 gründen Karl und Jenny Marx in Paris ihren ersten gemeinsamen Hausstand. Marx‘ geplantes Projekt, die Herausgabe der Deutsch-Französischen Jahrbücher scheitert jedoch nach der ersten Nummer. Am 1. Mai 1844 bringt Jenny Marx ihr erstes Kind, Jenny, zur Welt. Da die Kleine sehr kränkelt, reist die Mutter mit ihr für drei Monate in die Heimat nach Trier. Als sie im Herbst nach Paris zurückkehrt, hat Karl Marx zwischenzeitlich Besuch von Friedrich Engels erhalten und arbeitet bereits an dem gemeinsamen Werk Die heilige Familie, das Anfang Februar 1845 in Frankfurt erscheint.

Plaine de Sainte-Gudule Nr. 21. Marx Wohnort vom 9.02. – 13.03.1845. – Bildagentur Preußischer Kulturbesitz

Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Marx allerdings schon in Brüssel. Während seiner Zeit in Paris hatte er nebenbei für das in Paris erscheinende Wochenblatt Vorwärts! geschrieben und durch seine sozialistischen Angriffe insbesondere auf den preußischen Staat dessen Regierung derartig erzürnt, dass eine Ausweisung aus Frankreich erwirkt wurde. Jenny Marx wird eine etwas längere Frist eingeräumt, die sie eilends nutzt, um durch den Verkauf der Familienmöbel und von Wäsche die Finanzen der Familie aufzubessern. Anfang Februar trifft Jenny mit der kleinen Tochter in Brüssel ein, am 26. September kommt Tochter Laura zur Welt. Unterstützung erhält Jenny in dieser Situation durch Helena Demuth, die Haushälterin, die ihre Mutter ihr aus Trier schickt. Karl Marx und Friedrich Engels arbeiten derweil an ihrer Kritik an Feuerbach, Bauer und Stirner, Die deutsche Ideologie. Diese wird jedoch erst nahezu 90 Jahre später aus ihrem Nachlass herausgegeben.

Die ersten beiden Zeilen stammen aus der Feder von Jenny Marx. – Bildagentur Preußischer Kulturbesitz

Am 3. Februar 1847 kommt Marx‘ erster Sohn zur Welt, Charles Louis Henri Edgar, genannt „Musch“. Karl Marx und Friedrich Engels treten im selben Jahr dem „Bund der Gerechten“ bei. Unter ihrem Einfluss wird die Organisation, die heute als Urahn aller sozialistischen und kommunistischen Parteien gilt, in „Bund der Kommunisten“ umbenannt und die beiden neuen Mitglieder erhalten den Auftrag, die programmatische Grundlage des Bundes auszuarbeiten. Aufgrund der äußerst unleserlichen Handschrift ihres Mannes übernimmt Jenny Marx neben ihren Aufgaben als Mutter obendrein die Funktion als Marx‘ Sekretärin und überführt noch im Februar 1848 Teile seines Manuskripts des Kommunistischen Manifests in Reinschrift. In Folge der Februarrevolution von 1848 werden Karl und Jenny Marx am 4. März frühmorgens verhaftet und aus Belgien ausgewiesen. Der Gunst der Stunde hinsichtlich der politischen Verhältnisse folgend, zieht das Paar mit seinen drei kleinen Kindern Anfang April zunächst zurück nach Paris, wenig später dann nach Köln. Während Karl Marx die Neue Rheinische Zeitung herausgibt, bemüht sich Jenny Marx, wieder in den Besitz des in Brüssel zurückgelassenen Hausrats zu gelangen. Am 18. Mai 1849 wird die Publikation der Zeitung jedoch untersagt und Karl Marx, der die preußische Staatsbürgerschaft 1845 aus Verärgerung aufgegeben hatte, als Staatenloser aus Preußen ausgewiesen. Ein weiteres Mal verkauft Jenny Marx sämtliche Möbel, verpfändet ihr Silber und folgt, erneut schwanger, zusammen mit ihren Kindern und der Haushälterin ihrem Mann über Paris nach London.

Zeitgenössische Kinder- und Jugendliteratur

Als grafische Technik hatten während der Kindheit von Karl Marx vor allem Kupferstich und Holzschnitt vorgeherrscht. Lithografie und Holzstich sowie geringfügig später auch der Stahlstich gesellten sich sukzessive dazu und ermöglichten kostengünstigere, präzise und fein nuancierte Illustrationen. Weitere technologische Neuerungen, wie die Papiermaschine ab den 1830er Jahren, trugen zum Sinken des Buchpreises bei.

Mit der Generation der Kinder von Karl und Jenny Marx brach also, allein schon was den Umfang des Kinderbuchmarktes anbelangte, ein neues Zeitalter an. Großformatige und dennoch vergleichsweise erschwingliche Bilderbücher konnten produziert werden. In der Kinder- vor allem aber der Jugendliteratur ist neben einer Ausdifferenzierung zwischen Jungen- und Mädchenbüchern – Abenteuerbüchern bzw. Backfischliteratur – insgesamt eine Literarisierung und Fiktionalisierung der Literatur zu beobachten. Moralische Lehren, gesellschaftliche Normen, geographische Fakten und anderes Sachwissen kommen nicht mehr länger als eher trockene Sachtexte daher, sondern werden in spannende Geschichten verpackt. Der Unterhaltungswert gewinnt erheblich an Bedeutung.

Weitere Titel aus diesem Zeitraum im Bestand der Kinder- und Jugendbuchabteilung finden Sie im StabiKat.
Weitere digitalisierte Werke können Sie direkt in den Digitalisierten Sammlungen durchblättern.

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Als die schwangere Jenny Marx mit ihren drei Kindern sowie der Haushälterin Helena Demuth ihrem Mann folgt, hofft sie, nach eigenen Worten, „in London einen sicheren Hafen der Ruhe zu finden“ („Mohr und General“, S. 190). Die kleine Gruppe erreicht die 2,5-Millionen-Metropole am 24. August 1849, und damit beginnt die wohl intensivste Lebensphase der Familie Marx. Sie ist geprägt von wirtschaftlicher Not, Krankheiten, hoher Kindersterblichkeit, aber auch von langjährigen Freundschaften, der Entstehung der Hauptwerke von Karl Marx sowie letztlich einer finanziellen Stabilisierung.

Haus 28 Dean Street, Soho, London. Wohnort der Familie Marx zwischen 1851 und 1856.
Aufnahmedatum: o.J.
Bildagentur Preußischer Kulturbesitz

Großbritannien pflegt im 19. Jahrhundert ein sehr liberales Asylrecht, stellt den zahlreichen politisch Verfolgten, die vom europäischen Kontinent aus einwandern, jedoch auch keinerlei Hilfen zur Verfügung. Das Leben, das Familie Marx in London führt, entspricht wirtschaftlich dem vieler geflüchteter Zeitgenossen. Zwar arbeitet Karl Marx für verschiedene internationale Zeitungen, ohne stetige finanzielle Zuwendungen seines Freundes Friedrich Engels sowie Erbschaften, auch seiner Frau Jenny, hätte die Familie jedoch schwerlich überleben können. Abgesehen von einzelnen Aufenthalten zur politischen Kontaktpflege vor allem aber aufgrund medizinisch notwendiger Kuren auf dem Kontinent behält Karl Marx seinen Wohnsitz in London bei.

Seine Rolle als Vater erfüllt Marx voller Stolz und mit Begeisterung. Bekannt, u.a. durch die Erzählungen Karl Liebknechts,  sind die Ausflüge der Familie Marx und gemeinsamer politischer Weggefährten nach Hampstead Heath (heute ein Park im Norden Londons), bei denen gepicknickt, gespielt und richtiggehend getobt wurde – Marx, als Kind unter Kindern, mittendrin. Auch daheim lässt er sich von den Kindern und später dem Enkel als Zugpferd einspannen. Er liest ihnen vor und erfindet selbst Geschichten für die Kleinen.
Zu seinem großen Kummer versterben innerhalb nur weniger Jahre vier seiner Kinder noch bevor sie das zehnte Lebensjahr erreichen:

9. Graftonterrace, Maitland Park, London. Wohnhaus der Familie Marx Oktober 1856 – März 1864.
Aufnahmedatum: o.J.
Bildagentur Preußischer Kulturbesitz

– 1850: der erst im Jahr zuvor am Guy Fawkes Day (5.11.) geborene und daher Föxchen genannte Heinrich / Henri Guido.
– 1852: Jenny Eveline Francis (genannt Franziska) ebenfalls kurz nach ihrem ersten Geburtstag.
– 1855:  das Lieblingskind des Ehepaars Marx, der 1847 in Brüssel geborene Edgar (genannt Musch).
– 1857: ein am 6. Juli geborenes Kind, welches noch am Tag der Geburt verstirbt und daher namenlos blieb.

Die beiden großen Töchter, Jenny (*1844) und Laura (*1845), sowie in etwas geringerem Maße auch die 1855 geborene Eleanor (genannt Tussy) erziehen Karl und Jenny Marx entsprechend der gängigen Konventionen des britischen bzw. des deutschen Bürgertums. Die beiden Älteren erhalten Zeichenunterricht, lernen Italienisch und Französisch und spielen Klavier. Selbst in den Zeiten vor der Publikation des ersten Bandes seines Hauptwerks „Das Kapital (1867), also noch bevor sich die finanzielle Situation der Familie zu konsolidieren beginnt, legt Karl Marx ungeachtet der entstehenden Kosten großen Wert darauf, dass Jenny und Laura eine der insgesamt nur 12 weiterführenden Schulen für Mädchen in London besuchen. Im Unterschied zu anderen Eltern liegt das Erziehungsziel der Eltern Marx darin, ihre Töchter nicht nur auf ihre Rolle als Mütter und Haushaltsvorstände, sondern als intellektuell ebenbürtige, zupackende Partnerinnen sozialistisch aktiver Männer vorzubereiten.

Auch ein unehelicher Sohn, Henry Frederick Demuth, gehört zu den Nachkommen Karl Marx‘. Die langjährige Haushälterin der Familie, Helena Demuth, bringt ihn nur drei Monate nach der Geburt von Jenny Marx‘ Tochter Franziska zur Welt. Friedrich Engels übernimmt offiziell die Verantwortung für die Vaterschaft.

Ab 1862 beginnt Karl Marx zunehmend zu kränkeln, Haut-, Augen-, Leber- und Atemwegserkrankungen erschweren ihm das Leben und damit auch die Arbeit. Im Dezember 1881 verstirbt seine geliebte Gattin. Marx begibt sich kurz darauf eine lange Reihe von Reisen, die zur Verbesserung seines gesundheitlichen Zustandes beitragen sollen. Im Januar 1883, während einer Kur auf der Isle of Wight, erfährt er vom Tod seiner Lieblingstochter Jenny. Zwei Monate später, am 14. März 1883, erliegt Karl Marx einer Kehlkopfentzündung.

Karl Marx über die Lebensumstände von Arbeiterkindern

Der Ruf des Kinderfreundes eilt Marx voraus. Zwar habe die Erfahrung geschäftsmäßiger Bettelei auf Londoner Straßen Marx gegenüber Erwachsenen vorsichtig werden lassen, so Karl Liebknecht („Mohr und General“, S. 89), leidenden Kindern gegenüber sei er jedoch immer schwach geworden und habe versucht, ihnen etwas zuzustecken. Das Leid der Arbeiterkinder beschreibt Marx wiederholt in Das Kapital, Bd. 1 (1867):

Karl Marx als Bibliotheksbenutzer

Archive photo, Round Reading Room.
Inventar-Nr.: 116880001. © The Trustees of the British Museum. Shared under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0) licence.

Im Juni 1850 erhält Karl Marx erstmals Zugang zur Bibliothek des British Museum, der heutigen British Library. Damit beginnen die Jahre intensiven Studiums und Phasen vertiefter wissenschaftlicher Arbeit. Seine grundsätzlichen ökonomischen Erkenntnisse, die Basis dessen, was Marx ab 1867 in den drei Bänden seines Hauptwerks „Das Kapital“ ausführlich darlegt, erscheinen 1859 in Berlin unter dem Titel „Zur Kritik der Politischen Oekonomie„. (Der Band gehört leider zu den Kriegsverlusten der Staatsbibliothek zu Berlin. Eine Microfiche-Ausgabe ist vorhanden.)

Das Jahr 1850 markiert gleichzeitig den Beginn der nationalbibliographischen Verzeichnung der Bestände der Bibliothek des British Museum, die unter der Leitung ihres Direktors Antonio Panizzi beständig und massiv wächst. 1857 wird der berühmte Kuppellesesaal eröffnet, der Bestand verdoppelt sich innerhalb der nächsten zehn Jahre nahezu auf eine Million Bände.

Index slip recording the issue of a reading ticket to Karl Marx, dated 21 July 1873. © The Board of the British Library. Shared under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0) licence.

Marx bleibt Leser der Bibliothek des British Museum und verbringt zahllose Stunden im Kuppellesesaal (Lieblingsplatz: G7). Darüber hinaus schenkt er der Bibliothek Ausgaben seiner eigenen Werke, in einem Fall vermutlich mit eigenen handschriftlichen Randnotizen.

Bilder mit freundlicher Genehmigung der Trustees of the British Museum  sowie des Board of the British Library.

Vater Marx als Vorleser

Gleich seinem Schwiegervater so liest auch Karl Marx seinen Kindern umfänglich und intensiv aus den Werken Shakespeares und Homers vor. Marx‘ jüngste Tochter, Tussy, bezeichnete Shakespeare später als die Hausbibel der Familie. Mit der „Ilias“ sowie der „Odyssee“ sind ihre Schwestern und sie bestens vertraut, gleiches gilt für die beiden großen deutschen Heldenepen „Nibelungenlied“ und „Gudrun„, den „Don Quijote“ des Miguel de Cervantes und die Geschichtensammlung „Tausendundeine Nacht„.
Im Alter von sechs Jahren erhält Tussy von ihrem Vater den ersten Roman: Frederick Marryats „Peter Simple„. Weitere maritime Werke Captain Marryats sowie James Fenimore Coopers Lederstrumpf-Erzählungen folgen und werden ebenso wie später die Romane Sir Walter Scotts gemeinsam gelesen und diskutiert. („Mohr und General“, S. 246 f.)

James Fenimore Cooper: Cooper’s ‚Leather-stocking‘ tales, comprising The Deerslayer. The Pathfinder, The last of the Mohicans, The pioneers, The prairie. – London : Routledge, 1867.

Frederick Marryat: Peter Simple / by Captain Marryat. – London : Routledge, [ca. 1870].

Ausschnitt eines unveröffentlichten Cover-Entwurfs von Paul Rosié für „Franziska und der Student aus Trier“ (Autor: Helmut Meyer). Aus der Sammlung der Originalillustrationen der Kinder- und Jugendbuchabteilung, Staatsbibliothek zu Berlin – PK. Mit frdl. Genehmigung von Daniel Rosié.

Karl Marx in der Kinder- und Jugendliteratur

Karl Marx liebte seine Kinder, er spielte mit ihnen, las ihnen vor oder erfand eigene Geschichten. Die Grundidee einer dieser Erzählungen, nämlich die des Spielwarenladenbesitzers Hans Röckle, der zaubern konnte, aber nie Geld in der Tasche hatte, ist durch die Aufzeichnungen seiner jüngsten Tochter Eleanor (Tussy) überliefert. Marx hatte diese Geschichte seinen älteren Töchtern, Jenny und Laura, bei Spaziergängen erzählt – nicht etwa in einzelnen Kapiteln, sondern in zurückgelegten Meilen. Die vielen buchstäblich zauberhaften Episoden der Erlebnisse Hans Röckles sorgten für zahlreiche lange Spaziergänge.

Die Bibliothekarin und Schriftstellerin Ilse Korn griff die Idee auf und vereinbarte 1956 mit dem Kinderbuchverlag in Berlin (Ost) vertraglich, auf der Basis der inhaltlich dürftigen Überlieferung eine vollständige Märchenerzählung im Marx’schen Sinne zu erarbeiten. Ihr Manuskript entwickelte sich jedoch immer weiter in Richtung einer Marx-Biografie. Sie ließ ihren Vertrag daher bereits ein Jahr später entsprechend anpassen. Der neue Arbeitstitel lautete „Der Mohr und die Kinder der Rabengasse“. Die ursprünglich angestrebte Erzählung „Hans Röckle und Teufel“ ist darin als Binnenhandlung in einzelnen Episoden eingewoben. – Als Teil der letztlich von Ilse Korn und ihrem Gatten, Vilmos Korn, veröffentlichten Biografie „Mohr und die Raben von London“, erschien die märchenhafte Erzählung 1962 erstmals im Druck.

Im Dezember 1966 schloss das Ehepaar Korn mit dem Kinderbuchverlag erneut einen Vertrag, der ausschließlich diese Erzählidee zum Gegenstand hatte. Arbeitstitel: „Meister Hans Röckle und Mister Flammfuß“. Hans Röckle wird darin zum Alter Ego Karl Marx‘ stilisiert. Durch seine Klugheit und Gewitztheit vermag er den Teufel, die Personifikation alles Bösen – des Geldes, der Habgier, der Herrschenden – zu besiegen. Damit verheißt er allen Armen und Unterdrückten eine Aussicht auf ein Land der Gerechtigkeit, der Gleichheit aller, in der Zukunft. – Das Kinderbuch erschien erstmals 1968 und wurde im Laufe der 1970er Jahre wiederholt neu aufgelegt. (Weitere Buchcover können leider aus urheberrechtlichen Gründen nicht gezeigt werden.)

Druckgenehmigungsverfahren

Der Buchmarkt in der DDR wurde entsprechend der staatlichen, ideologischen Interessen gelenkt. Zwar gab es laut Verfassung keine Zensur, jedoch stellten die Druckgenehmigungsverfahren, die für jeden einzelnen Titel, der gedruckt werden sollte, durchlaufen werden mussten, eine Vorzensur dar. Der Verlag hatte dazu jeweils einen Antrag zu stellen, der auch die Kalkulation des Umfangs, der Auflagenhöhe und des insofern benötigten teuren Papiers beinhaltete. Dem waren das Manuskript zur fachlichen und ideologischen Prüfung sowie ein Verlags- und häufig zumindest ein Außengutachten beizufügen. Auf dieser Basis entschied die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel innerhalb des Ministeriums für Kultur und forderte ggf. auch Änderungen am Text ein, bevor eine Genehmigung erteilt oder letztlich verwehrt wurde.
Diese Druckgenehmigungsakten im Umfang von ca. 130 laufenden Metern befinden sich heute im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde. Die Druckgenehmigungsvorgänge für belletristische Literatur, rund 1.100 Bände, wurden digitalisiert und können auf den Seiten des Bundesarchivs online eingesehen werden. Die Einsichtnahme in die Außengutachten muss aus urheberrechtlichen Gründen im Lesesaal des Bundesarchivs erfolgen.
Unter den digital vorliegenden Druckgenehmigungsakten des Kinderbuchverlags aus den Jahren 1966-1989 befindet sich auch der Vorgang  „Meister Hans Röckle und Mister Flammfuß“. Als Gutachter für das Verlagsgutachten waren damals der Cheflektor und spätere Direktor des Kinderbuchverlags, Fred Rodrian, selbst aktiver Bilderbuchautor, sowie seine langjährige Kollegin Regina Hänsel, Lektorin bzw. leitende Lektorin und Herausgeberin von Sagen- und Märchensammlungen, zuständig. Der Text des Gutachtens zeigt, wie eng die Zusammenarbeit zwischen Autoren und Verlag verlief. Auch die Position der Lektoren als Vermittler zwischen dem Außengutachter und seinen Wünschen sowie dem Autorengespann und ihren Vorstellungen wird deutlich.

DEFA-Verfilmung: Hans Röckle und der Teufel

Die Erzählung von Ilse und Vilmos Korn diente der DEFA als Grundlage für einen Märchenfilm, der Sommer 1974 unter dem Titel „Hans Röckle und der Teufel“ in den ostdeutschen Kinos anlief. Das DDR-Fernsehen, über die Grenzen hinweg bekannt für die Ausstrahlung bezaubernder Märchenverfilmungen, zeigte das Werk eineinhalb Jahre später. Mit Rolf Hoppe als Meister Hans Röckle und dem sehr früh verstorbenen Peter Aust als Flammfuß war der Film hochkarätig besetzt. Für Drehbuch und Regie zeichnete Hans Kratzert, einer der erfolgreichsten Kinderfilmregisseure der DEFA, verantwortlich.

Meister Röckle : Oper für große und kleine Leute

Während die Musik für den Film „Hans Röckle und der Teufel“ von Günther Fischer geschrieben wurde, engagierte die Deutsche Staatsoper Berlin (heute: Staatsoper Unter den Linden) für die Komposition einer Oper auf der Basis dieses Märchenstoffes einen der bedeutendsten Filmkomponisten der DDR: Joachim Werzlau. Für das Libretto konnte der Lyriker Günther Deicke gewonnen werden. (Selbst der „Spiegel„, als führendes westdeutsches Nachrichtenmagazin, berichtete im März 1975 über dieses Vorhaben.) Am 3. Oktober 1976 konnte „Meister Röckle : Oper für große und kleine Leute“ uraufgeführt werden. Allein an der Deutschen Staatsoper wurde das Stück sechzigmal gespielt.
Von der Aufführung am 17.12.1977 konnte die Kinder- und Jugendbuchabteilung antiquarisch das ausgesprochen reizvolle Programmheft erwerben, das nicht nur aus einem schlichten Einlegeblatt, welches Auskunft über die Besetzung gibt, besteht, sondern allen spielerisch veranlagten BesucherInnen mittels eines Bühnenbildes aus dünnem Karton sowie einem Ausschneidebogen mit den handelnden Figuren die Möglichkeit eröffnet, das Stück daheim noch einmal nachzuspielen – in bester Bilderbogentradition des 19. Jahrhunderts.

Mit freundlicher Genehmigung des Archivs der Staatsoper

Texte aus der Feder des Vordenkers des Kommunismus waren und sind  in der Kinder- und Jugendliteratur kaum zu finden. Dem jungen Lesepublikum konnten sie aufgrund ihres hohen Anspruchs kaum als Freizeitlektüre angeboten werden. Ihre Heimat war insofern eher das Schulbuch, welches jedoch nicht zum Sammlungsumfang der Kinder- und Jugendbuchabteilung der Staatsbibliothek gehört und daher an dieser Stelle nicht weiter betrachtet werden soll.

Ansonsten lag es vor allem im Interesse der Jugendorganisation „Freie Deutsche Jugend“ (FDJ) der DDR, ihre Mitglieder mit der Ideenwelt Karl Marx‘ vertraut zu machen, um sie zu überzeugten Bürgerinnen und Bürgern der sozialistischen Gesellschaft zu erziehen. So gab der Zentralrat der Freien Deutschen Jugend ein Heft mit „Materialien für Feierstunden und Heimabende im Karl-Marx-Jahr 1953“ heraus, das neben einer „Bildbeilage für Ausstellungen“ etwa zur Hälfte politisch opportune Texte des Gefeierten enthält. Zwischen 1978 und 1989 veranlasste er zudem den Druck eines Lehrbuches Marxistisch-leninistische Philosophie : geschrieben für die Jugend (Autoren: Erich Hahn und Alfred Kosing), das insgesamt in 16. Auflagen erschien und die Basislektüre des FDJ-Studienjahrs darstellte. – Darüber hinaus finden sich auch in der oftmals propagandistischen Sachbuchreihe nl konkret des Ostberliner Verlags Neues Leben einzelne Texte oder jugendgerechte Adaptionen und Einführungen.

Eine Ausnahme stellt ein schmales Lyrikbändchen dar. Die Reihe Poesiealbum richtete sich zwar nicht originär an ein jugendliches Publikum,  war aber aufgrund der schieren Größe der Auflagenhöhe und des überaus günstigen Preises von dauerhaft 90 Pfennigen in vielen Haushalten vorhanden und wurde daher, so steht zu vermuten, auch von Teenagern gelesen. Sollten sie diesen Band zur Hand genommen bzw. bekommen haben, so lernten sie den „Lehrer und das Vorbild der deutschen Jugend“, wie ihn die FDJ in ihrer Materialsammlung titulierte, von einer ganz anderen Seite kennen: Karl Marx als „in Liebe entflammter“ junger Mann, der Gedichte für seine Verlobte, Jenny von Westphalen, schrieb. Die Auswahl stammt aus den ersten beiden Jahren ihrer Verlobungszeit, 1836 und 1837.

Eintragung im Alten Realkatalog der Staatsbibliothek für Willy Cohns „Ein Lebensbild von Karl Marx : der Jugend erzählt“

Obgleich sich die SPD bereits früh, noch vor dem Ableben von Karl Marx, mit dem Thema geeigneter Jugendlektüre beschäftigte und Clara Zetkin die Nutzung der Künste für den Klassenkampf einforderte, blieben selbst sozialistische Kinderbücher lange unpolitisch, der Bildung des Charakters verpflichtet. Eine erste detaillierte Schilderung einer Kindheit im wilhelminischen Arbeitermilieu, Piddl Hundertmark (1912) von Wilhelm Scharrelmann, stellt das Elend dieser Gesellschaftsschicht nicht etwa als Massenproblem, das es zu lösen gilt, sondern als Einzelschicksal dar.

Die arbeiternahe Jugendliteratur der Weimarer Republik betonte dagegen die Notwendigkeit der Solidarität der unterdrückten Arbeiterklasse und bewegte sich damit ideologisch in die Richtung der Erkenntnisse und Forderungen Karl Marx. Alex Weddings (d.i. Grete Weiskopf) Ede und Unku (1931) wurde während des Dritten Reichs verboten, entwickelte sich in der DDR später aber zu einem Kinderbuchklassiker, der die Notwendigkeit des Klassenkampfes eindrücklich vermittelt. Walter Schönstedts Kämpfende Jugend dagegen, 1932 erschienen und im selben Jahr von den Nationalsozialisten verboten, propagiert eher wenig überzeugend für den Eintritt in den Kommunistischen Jugendverband und gerät späterhin weitgehend in Vergessenheit.
Eine erste Marx-Biografie, vom Breslauer Historiker und Gymnasiallehrer Willy Cohn eigens für ein junges Publikum verfasst, erschien 1923. Auch dieser Titel, Ein Lebensbild von Karl Marx,  wurde unter nationalsozialistischer Herrschaft zensiert und der jüdische Autor mitsamt seiner Familie 1941 nach Kaunas (Litauen) deportiert und erschossen.

Curt Falk:
Karl Marx : erzählt für unsere Jugend. – Bodenbach a.d. Elbe : Nordböhmische Druck- und Verlagsanstalt, 1935. – 32 S.

Kurt Löwenstein, Pädagoge und SPD-Politiker, der sich 1933 aufgrund von Repressalien wegen seines jüdischen Glaubens über verschiedene Station in die Nähe von Paris ins Exil begab, hatte in seiner Heimatstadt Berlin die erste integrierte Gesamtschule Deutschlands eingerichtet und ihr den Namen Karl-Marx-Schule gegeben. Auf der Flucht vor den Nazis veröffentlichte er 1935 in Bodenbach a.d. Elbe, das damals noch zur Tschechoslowakei gehört, unter dem Pseudonym Curt Falk eine kurze Biographie des kommunistischen Vordenkers für jugendliche Leserinnen und Leser. Darin berichtet er gleich eingangs über die Verwüstungen, die nationalsozialistische Schergen in Marx‘ Geburtshaus in Trier anrichteten:
„‚Trier, 8. März 1933. Nationalsozialisten besetzten gegen Abend das Geburtshaus von Karl Marx und hißten die Hakenkreuzfahne. Einer ihrer Führer hielt eine Ansprache. Drei rote Fahnen mit den drei Pfeilen wurden auf der Straße vor dem Hause verbrannt. Die Polizei hält das Haus besetzt.‘
Die Denktafel ist entfernt, die Bücher und Schriften sind zerrissen und verbrannt, und von dem Giebel des Hauses weht das Zeichen der Barbarei, die Hakenkreuzfahne.“ (Falk: Karl Marx, S. 3)

Als Sproß einer ursprünglich jüdischen Familie wurde Karl Marx vom nationalsozialistischen Regime verachtet, sein Andenken bekämpft. Hitler hatte bereits in seiner Programmschrift Mein Kampf (1925/1926) dem Kommunismus als einem Versuch „der Juden“, die Weltherrschaft an sich zu reißen, den Kampf angesagt. Der antisemitisch motivierte Antikommunismus stellte eine der zentralen Ideen des Nationalsozialismus dar. Die überaus feindselige Haltung jener Tage bemühte sich der NS-Kanzleichef und Hitler-Scherge Philipp Bouhler auch unter den Kindern und Jugendlichen zu schüren:

„Die giftigste Blüte aber, die auf dem Sumpfboden des Liberalismus gedeihen konnte, ist der Marxismus. Nie ist eine wahnsinnigere Lehre einem menschlichen Gehirn entsprungen. Der Jude Karl Marx (1818-83) hat den traurigen Ruhm, Erfinder einer Weltanschauung zu sein, die zwangsläufig im Kommunismus enden mußte und die unsägliches Leid über die Völker der Erde gebracht hat. Der Kernpunkt seiner Lehre ist die Theorie vom Klassenkampf.“ (Philipp Bouhler: Kampf um Deutschland : ein Lesebuch für die deutsche Jugend. – Berlin : Zentralverlag der NSDAP, 1941. – S. 14) Signatur: 53 MA 500483

Erzählende Kinder- und Jugendliteratur

Entsprechend der jeweiligen ideologischen Ausrichtung der beiden Nachfolgestaaten des Deutschen Reiches erfuhr auch die Kinder- und Jugendliteratur jeweils eine unterschiedliche Ausprägung.
Der Westen begann in den 50er Jahren konservativ mit Altbewährtem, brachte in den 60er Jahren fantastische Geschichten mit vorsichtiger Kritik an überkommenen Werten und geltenden Vorurteilen hervor und katapultierte die Kinder- und Jugendliteratur gegen Ende des Jahrzehnts durch die politisch linksgerichtete, gesellschaftskritische Studentenbewegung ins Zentrum des Bewusstseins der progressiven jüngeren Generation. Doch trotz der Nähe zum Neomarxismus, trotz antiautoritärer Kinderbücher und der Erkenntnis, dass die Jugendliteratur von heute die kritisch denkenden, sozial handelnden Mitbürger*innen vor morgen erzieht, erschien selbst unter diesen günstigen Bedingungen keine nennenswerte erzählende oder Sachliteratur, die Karl Marx zum zentralen Thema gehabt hätte. Die seit der Gründung der Bundesrepublik als gemeinsame Basis internalisierte antikommunistische Einstellung nahm gegen Ende der 70er Jahre, in der letzten Phase des Rüstungswettlaufs, eher wieder zu.
Im Osten dagegen herrschte ab den 50er Jahren insofern Aufbruchstimmung, als dass die Kinder- und Jugendliteratur als probates Mittel zur sozialistischen Erziehung ideologiekonformer junger Menschen angesehen und gefördert wurde. In den folgenden Jahrzehnten weiteten sich die ideologischen Grenzen sukzessive. Die belletristische Aufarbeitung der Geschichte der Arbeiterbewegung sowie Biographien einzelner verdienter Persönlichkeiten, nicht nur aus dem Umfeld der Politik, erfuhren jedoch gleichbleibend große Aufmerksamkeit. Die grundsätzlich positive Einstellung, die Karl Marx als dem Vordenker des Kommunismus entgegengebracht wurde, schlug sich dementsprechend in der Kinder- und Jugendliteratur nieder, wenngleich die Anzahl relevanter Titel insgesamt jedoch erstaunlich gering ausfiel.

Der zweifellos bedeutendste Titel, Mohr und die Raben von London, stammt aus der Feder von Ilse und Vilmos Korn. Es handelt sich dabei um das Werk, das Ilse Korn 1955 in der Absicht begonnen hatte, die einzige überlieferte Märchenidee von Karl Marx, Hans Röckle und der Teufel, zu einem Kinderbuch auszuarbeiten. Unter der Mitarbeit ihres Mannes, des kritischen Publizisten Vilmos Korn, entstand schließlich eine dichte Erzählung, die sowohl einen Einblick in das Leben Karl Marx‘ und seiner Familie in London gibt, als auch über die Lebens- und Arbeitsbedingungen insbesondere arbeitender Kinder zur Mitte des 19. Jahrhunderts informiert und darüber hinaus durch das ebenfalls enthaltene Marx’sche Märchen unterhalten und zuversichtlich stimmen soll. Mohr und die Raben von London erschien erstmals 1962. Es folgten allein im Kinderbuchverlag 13 weitere Auflagen. Dazu gesellen sich Taschenbuchausgaben sowie Schulausgaben, da das Werk bereits kurz nach dem Erscheinen zur Pflichtlektüre der 6. Klassen erklärt wurde. Bis 1987, also etwa für die Dauer einer gesamten Generation, bestimmte somit das von Ilse und Vilmos Korn geschaffene Bild die Vorstellung vom Wesen und Schaffen Karl Marx. – Der Titel blieb bis zur Wende im Lehrplan verankert, dann allerdings nur noch in Hörspielauszügen, nicht länger als Gesamtlektüre von mind. 319 Seiten (Schulausgabe).
Auch im „sozialistischen Ausland“, wie im Verlagsgutachten (s.u.) bereits im Februar 1962 angekündigt, wurde der Titel verlegt. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre erfolgten Übersetzungen ins Litauische, Lettische, Rumänische, Ukrainische und Estnische. Eine weißrussische Ausgabe kam 1982 auf den Markt, gefolgt von einer russischen Version 1987.

1973, elf Jahre nach der Erstauflage des mittlerweile bereits zum Klassiker avancierten Werks von Ilse und Vilmos Korn, erschien ein weiterer Titel, der ebenfalls einen Ausschnitt einer fiktiven Lebensgeschichte zweier Jugendlicher und ihres erwachsenen Umfelds mit einem Lebensabschnitt Karl Marx‘ verflechtet. Helmut Meyer nimmt sich in seiner Erzählung Franziska und der Student aus Trier der Berliner Studentenzeit des berühmten Denkers an. Sechs Jahre hatte der bereits 1931 im Alter von 27 Jahren der KPD beigetretene Meyer an dem Manuskript gearbeitet. Sein Lektor, Paul Lehmann, urteilte im Verlagsgutachten (s.u.): „Er hat es sich nicht leicht gemacht, hat sich mitunter auch schwer getan.“ Der Autor war um historische Akkuratesse und Details bemüht, Lektor Lehmann musste kürzen. Es entstand ein spannender Roman, der zwischen der ersten Auflage 1973 und der siebten Auflage 1982 fast im Jahresrhytmus neu aufgelegt werden musste, wobei die Illustrationen von Paul Rosié bis zur letzten Auflage beibehalten wurden.

DEFA-Verfilmung: Mohr und die Raben von London

©DEFA-Stiftung/Heinz Wenzel, Klaus Zähler.

Zur Feier des 150. Geburtstags von Karl Marx wurde „Mohr und die Raben von London“ von der DEFA verfilmt. Das Drehbuch schrieb Helmut Dziuba, der sich mit der Verfilmung von Kinder- und Jugendliteratur einen Namen machte. Er führte obendrein Regie. In der Hauptrolle ist Alfred Müller zu sehen, der 1969, im Jahr der Uraufführung, den Nationalpreis der DDR für seine Darstellung des Karl Marx erhielt. – Gleichwohl handelt es sich um den einzigen DEFA-Film, in dem Marx eine zentrale Rolle spielte.

In einer ersten Voraufführung vor 120 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 6, 8 und 10 untersuchten das Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig zusammen mit dem Institut für Filmwissenschaft Berlin 1968 die Wirkung des Films auf das jugendliche Publikum. Die Forschungsergebnisse waren frappierend: Während quer über alle Altersstufen hinweg und unabhängig vom Geschlecht Karl Marx‘ Hilfsbereitschaft, trotz der eigenen schwierigen wirtschaftlichen Situation, seine Kinderliebe und positive Rolle als Familienvater sehr gelobt wurden, maßen die Jugendlichen seiner Arbeit zur Entwicklung einer kommunistischen Partei sowie der Theorie für den Klassenkampf der Arbeiter am wenigsten Bedeutung bei. Dementsprechend lautete das ernüchternde Fazit:

Nur etwa 50% aller befragten Schüler interessieren sich für Karl Marx. Auch wenn die Vermutung naheliegt, daß die Frage zum Teil falsch verstanden wurde, so ist diese Zahl besorgniserregend. Dabei gelang es den Schöpfern des Filmes nicht, das Interesse zu wecken und die Kinder zu einer wesentlichen Änderung ihres Urteils zu veranlassen. (ZIJ-Projekt 1969, 00/18. S. 121)

Im Rahmen der Jugendfilmwoche wurde „Mohr und die Raben von London“ 1969 als bester Kinderfilm ausgezeichnet.

Kinder- und Jugendsachbücher

Die Anzahl der Sachbücher über Karl Marx ist überschaubar. Selbst in der DDR wurden dem Gründungsvater der immerhin staatstragenden Wirtschaftsphilosophie lediglich einige wenige Titel gewidmet. Die für Jugendliche verfasste Biographie Karl Marx von Walther Victor erschien 1953 in drei Auflagen, insgesamt in 60.000 Exemplaren. Es war in den Schulen und FDJ-Bibliotheken vertreten und wurde ins Chinesische, Bulgarische, Ungarische, Tschechische, Slowakische und Russische übersetzt. Großer Beliebtheit erfreute es sich, zumindest in Deutschland, jedoch nicht, und eine Neuauflage unter dem Titel Der Mann, der die Welt veränderte wurde 1959 nur widerstrebend und nach einigen Kürzungen sowie Überarbeitungen genehmigt. Walter Ulbricht beglückwünschte den Autor im Sommer 1960 zu „dieser bedeutenden Arbeit“. Die ungarische Wochenzeitung Élet és Irodalom (Leben und Literatur) dagegen, so geht aus einer der Druckgenehmigungsakte beigelegten Übersetzung hervor, urteilte über die ungarische Übersetzung drei Jahre später: „Unerträglich langweiliger und zum Teil ausgesprochen stupider Broschürentext […].“

1968, knapp zehn Jahre nach der umstrittenen Neuauflage von Victors Biographie, erschien Günter Radczuns Einführung in das Leben und Werk Karl Marx‘ Prometheus aus Trier (1968). Radczun behandelt den Zeitraum vom Abitur des Protagonisten bis zum Abschluss des ersten Bandes des Kapitals. Kindgerecht sollte „die erregende Dynamik des Forschungsweges“ dargestellt werden, der Marx zu den bekannten bahnbrechenden Erkenntnissen gelangen ließ. Der Titel erschien bis 1980 in vier Auflagen, außerdem war er u.a. in spanischer Übersetzung in Kuba erhältlich.

Einen weiteren Versuch, sich des Themas im Hinblick auf ein junges Lesepublikum erfolgreich zu nähern, unternahmen Gudrun Schulz und Winfried Bütow 1983 mit ihrem Band Mohr – Auskünfte über Marx. Doch auch der gewollt jugendgerechte Schreibstil verfing weder bei der Zielgruppe noch bei den Kritikern.

In der Sachbuchreihe nl konkret des Ostberliner Verlags Neues Leben, die sich an Jugendliche und junge Erwachsene richtete, erschien 1989 mit Marx – von rechts gelesen schließlich eine Schrift des Philosophiehistorikers Eberhard Fromm, deren erklärtes Ziel es war, das „konservative Marxbild der achtziger Jahre“, so der Untertitel, aufzuzeigen. Er wolle über und gegen die „Marxtöter“ schreiben, die seit über 100 Jahren versuchten, Marx zu widerlegen.

Literatur über Jenny Marx

Die biografische Erzählung Jenny, über das Leben der Ehefrau von Karl Marx, erschien zwischen 1961 und 1984 in 13 Auflagen sowie einer Taschenbuchauflage. Sie wurde ins Russische, Ukrainische und Slowakische übersetzt. Der Autor, Gerhard Hardel (1912-1984), erhielt zusammen mit seiner Frau, der Schriftstellerin Lilo Hardel, 1968 den Nationalpreis der DDR III. Klasse für Kunst und Literatur. Damit sollten insbesondere ihre „biographischen Erzählungen über bedeutende Persönlichkeiten der deutschen Arbeiterbewegung“ gewürdigt werden.
Die Gutachten für die Druckgenehmigung schrieben u.a. die Schriftstellerin und Lyrikerin Eva Strittmatter sowie der ehemalige Chefredakteur der Kinderzeitschriften ABC-Zeitung und Schulpost Gerhard Holtz-Baumert, berühmt geworden vor allem durch seine beiden Kinderbücher über Alfons Zitterbacke. Da namentlich gekennzeichnete Außengutachten jedoch dem Urheberrecht unterliegen, können sie nicht im Internet eingesehen werden.

Comics und Bildergeschichten

Im Unterschied zur Comic-Szene in den USA, die sich bereits im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts rasant entwickelt hatte, haftete ihr in den beiden deutschen Staaten der Nachkriegszeit und bis in die 80er Jahre hinein noch immer der Geruch der Schmutz-und-Schund-Literatur an.
Zwar wurden die erfolgreichen US-Comics auch in der Bundesrepublik vertrieben und gewannen schnell eine große Leserschaft, eigene, in der BRD produzierte Comics kamen jedoch eher langsam hinzu, und die 1954 eingerichtete Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften sorgte für eine inhaltliche sowie künstlerische Beschränkung, die das Genre tendenziell auf die Zielgruppe junger Leser einschränkte. Darstellungen von Geschichte, die über die Funktion einer Bühne für imaginierte Geschichten hinausgehen, fanden sich in Comics eher selten. Die Reihe „Illustrierte Klassiker“ des Aachener Bildschriften Verlages stellte in den frühen 60er Jahren eine Ausnahme dar.
Vor allem für die als Beigabe in Zeitungen und Zeitschriften erscheinenden Comics gilt, dass an ideologischer Botschaft lediglich das vertreten sein darf, was bei der breiten Masse der Leserschaft auf Zustimmung trifft. Vom Comic wird Unterhaltung, nicht Belehrung und erst recht nicht Bekehrung erwartet. Im Zuge der 68er Revolution entstand jedoch ein Markt für systemkritische Bildergeschichten und Comics.

Die Bezirksorganisation Ruhr-Westfalen der 1968 neu gegründeten Deutschen Kommunistischen Partei bediente sich der erfolgreichen Geschichte von Max und Moritz des Comic-Urvaters Wilhelm Busch, um 1969 – leicht verständlich und vergnüglich – marxistisch- leninistische Systemkritik zu üben. Die Buschiade mit den Protagonisten Marx und Engels war zwar vornehmlich an ein erwachsenes Publikum gerichtet, dürfte aber auch politisch aktive, kritische Jugendliche erreicht haben, wenn auch in regional recht eingeschränktem Maße.
Nur ein Jahr später erschien im Berliner Basis-Verlag die von Bertold Haas umfänglich bebilderte Geschichte über den Mars/x-Menschen Martin. Diese war direkt an Kinder im Vorschul- bzw. Grundschulalter gerichtet. Die Autorin Annusch Möhring erläutert im Rahmen der Erzählung die marxistischen Ideen von Privateigentum und Ausbeutung, Kollektiveigentum und Solidarität. Sowohl die antiautoritäre als auch die unmittelbar sozialistische Kinderliteratur zielten in diesem Zeitraum im Wesentlichen darauf ab, Kinder zu „freien“ Menschen zu erziehen, die Institutionen und Vertreter der bürgerlichen, kapitalistischen Gesellschaft als Feinde der Freiheit betrachten sollen.
Karl Friedrich Waechters Märchenparodie Tischlein deck dich, aus dem Jahre 1972, kommt dagegen nur auf den ersten Blick als lustige Bildergeschichte für Kinder daher. Seine Komik, in Wort und Bild, erschließt sich vor allem Erwachsenen. Das Beispiel verdeutlicht gleichzeitig, in welchem Maße linke Kinderliteratur in der Bundesrepublik in den frühen 1970er Jahren en vogue war. Selbst alteingesessene Verlage wie Rowohlt richteten eigens eine spezielle Sparte für progressive Kinderbücher ein: rororo Rotfuchs.
Der erste Versuch, Karl Marx‘ zentrales Werk, Das Kapital, einem weiteren Publikum zugänglich zu machen, ist in Kurt Plöckingers und Gerhard Wolframs Geschichten vom Doppelcharakter (1974) zu sehen. Jari Pekka Cuypers griff die Bildergeschichte auf und verarbeitete sie zu dem Comic Das Kapital :  für Anfängerinnen und Anfänger (1980), dem einzigen Titel, der auch nach 1990 mehrfach neu aufgelegt wird. Nahezu zeitgleich, 1979, erschien Rius‘ (i.e. Eduardo del Rio) Welterfolg, der Sachcomic Marx para principantes (Mexiko-Stadt, 1972), erstmals in deutscher Sprache. Der Titel, der nebenbei die englische Comicserie „… for beginners“ begründete, erfreute sich großer Beliebtheit und wurde von Rowohlt bis 1988 insgesamt sechsmal unverändert nachgedruckt.

Während die bundesdeutsche Kritik vor allem das mangelnde künstlerische, sprachliche und pädagogische Niveau der amerikanischen Comics hervorhob, gesellte sich seitens der Kritiker im sozialistischen Teil Deutschlands obendrein die unerwünschte ideologische Ausrichtung sowohl dieser als auch der Comics der BRD hinzu. Mit der Gründung der Pionierorganisation 1949 wurden Kinderzeitschriften, wie die unmittelbare Nachkriegsneugründung „ABC-Zeitung“ (seit 1946) oder der Titel „Unsere Zeitung“ (1948, 1949 umbenannt in „Der junge Pionier“), samt der stets enthaltenen Bildergeschichten zum Instrument sozialistischer Erziehung. Weder in der Zeitschrift „Frösi“ (gegründet 1953 unter dem Titel „Fröhlich sein und singen“), als der interessantesten Trägerzeitschrift für Comics, noch in den reinen Comicblättern, „Mosaik“ und „Atze“ (beide 1955 als Gegengewicht zu den inzwischen verbotenen West-Comics gegründet), finden sich jedoch Geschichten, die Karl Marx als zentrales Thema oder handelnde Figur gehabt hätten.

Eine Ausnahme stellt die 20-teilige Serie Jenny, dar, die 1988 auf den Kinderseiten der illustrierten Frauenzeitschrift „Für Dich“ erschien. Bernd Günther, der in den 80er Jahren vor allem für das Comicmagazin „Atze“ arbeitete, zeichnete in dieser Geschichte den Lebensweg von Jenny Marx und ihrer Familie nach.

Erzählende Kinder- und Jugendliteratur & Kinder- und Jugendsachbücher

Die Entdeckung von Karl Marx als Gegenstand der Kinder- und Jugendliteratur nach der deutschen Wiedervereinigung erfolgte sukkzessive. So führte nicht etwa die Wirtschaftskrise zu Beginn dieses Jahrhunderts zu einer merklich intensivierten Auseinandersetzung mit Marx. Ein Hype ist vielmehr erst heute, zum 200. Geburtstag des Revolutionärs, in diesem Literatursegment zu beobachten.

Eine mitreißende Schilderung des Studentenlebens von Karl Marx legte Daniel Chotjewitz 1996 vor. Gefeiert wird nicht die Ikone Karl Marx, gerühmt für ihr Lebenswerk, stattdessen zeigt Chotjewitz den zerrissenen, suchenden Studenten. Karl Marx fungiert als Protagonist eines Bildungsromans, der gespickt ist mit historischen Fakten, den Namen berühmter zeitgenössischer Persönlichkeiten – kurz, einer Materialfülle, die den jungen Leser „zwischen Kapitulation und Faszination schwanken“ lässt, so resümierte der Rezensent Reinhard Osteroth in der Wochenzeitung Die Zeit ().
Weitere Biographien erschienen erst jüngst anlässlich des Marx-Jubiläums:
Hans-Christoph Liess schildert das Leben und Wirken des Jubilars in Karl Marx und der Fluch des Geldes aus unterschiedlichen zeitgenössischen Perspektiven, darunter der von Jenny Marx und Friedrich Engels. Zudem stellt der Autor die Bedeutung der Erkenntnisse Marx‘ für die heutige globale Wirtschaftssituation dar. Durch die Beigabe sachlicher Hintergrundinformationen sowie eines Glossars wird der Band auch für eine jüngere Leserschaft (ab 11 Jahren) gut verständlich.
Wolfgang Korns Biographie Karl Marx – ein radikaler Denker ist dagegen, wie auch bereits Chotjewitz‘ Werk, an Jugendliche (ab 14 Jahren) gerichtet, und obgleich Korn das gesamte Leben und Lebenswerk des großen Denkers betrachtet, entsteht nicht etwa das Bild eines unantastbaren Marx-Monuments, vielmehr gewinnen die Leser*innen einen Eindruck von dem Menschen Karl Marx und seiner Lebenswelt. Auch Korn leistet den Transfer der Anwendung Marx’scher Theorien auf das heutige ökonomische Gefüge.

Deutlich jüngeren Kindern (ab 7 Jahren) versuchen die beiden Titel Ohne Schein kein Sein (2006) sowie Das Gespenst des Karl Marx (2014) den Philosophen näherzubringen.
Sabine Carbon und Barbara Lücker schicken ihre durch drei vorangegangene Bände in Sachen Zeitreisen bereits erfahrene Protagonistin Maria zu einem Treffen mit Karl Marx nach London. Die von Maren Barber illustrierte Geschichte, die auf der Mischung von Fakten und Fiktion basiert, bietet Kindern eine altersgerechte Einführung in das wirtschaftstheoretische Denken von Karl Marx und vermittelt eine Vorstellung vom Alltagsleben im 19. Jahrhundert.
Der Wissenschaftsphilosoph Ronan de Calan dagegen macht Karl Marx, verkleidet als Gespenst (das Gespenst des Kommunismus, das bekanntlich in Europa umgeht), zum Erzähler seiner eigenen zeitgenössischen Beobachtungen und philosophischen Schlussfolgerungen. Das Sachbilderbuch, schlicht und wirkungsvoll illustriert von Donatien Mary, wurde für diese kindgerechte Erläuterung einer komplexen Theorie 2015 mit dem Heinrich-Wolgast-Preis ausgezeichnet.

Comics

Die Grundlage für den Wandel, der sich in der Comicszene seit den 90er Jahren vollzieht, wurde eigentlich bereits durch die Entwicklung der Underground Comics seit dem Ende der 60er Jahre sowie die Graphic Novels etwa zehn Jahre später gelegt. Beide Genres bedienten ursprünglich die Zielgruppe erwachsener Leser, in dem sie u.a. mit politischen Aussagen aufwarteten, ernsthafte Themen im Umfang eines gebundenen Comicbuches bearbeiteten sowie historische Ereignisse aus individueller Perspektive, oftmals autobiographisch, wiedergaben.
Dazu gesellen sich seit den 90er Jahren die japanischen Manga. Diese hatten in ihrer Heimat längst eine atemberaubende Genrevielfalt entwickelt, die von seichten Formen der Kinderunterhaltung bis zu von der Zensur bedrohten extrem gewalt- bzw. sexbetonten Darstellungen, ähnlich den Underground Comics, reichte. Ihr Umfang rangierte längst zwischen dem klassischen, aus vier Bildern bestehenden Comic-Strip und langen, viele hundert oder gar tausend Seiten umfassenden Erzählungen, die in Buchform angeboten wurden. Seit den 70er Jahren ist den Manga das Stilmittel der Überzeichnung, insbesondere der Augen, sowie zur Steigerung die Variante Super Deformed gemein, um durch extreme Deformierung emotionale Ausbrüche auf humorvolle Art und Weise wiederzugeben.

In Japan wurde die Quintessenz von Karl Marx‘ Kapital in einer Geschichte über einen kleinen Käsehersteller, der sich durch seinen Erfolg zum typischen Kapitalisten entwickelt, als Manga gezeichnet. Eine englischsprachige Ausgabe erschien 2012 im kanadischen Verlag Red Quill Books. Derselbe Verlag brachte 2016 auch das Kommunistische Manifest als Graphic Novel heraus. Stilistisch ist The Communist Manifesto Illustrated, das ursprünglich in vier Einzelhefte herausgegeben wurde, eher an die typischen Superheldencomics angelehnt.

Eine ganz andere Handschrift dagegen trägt die Graphic Novel Marx der beiden Französinnen Corinne Maier und Anne Simon. Karl Marx, stets von Rottönen geschmückt, führt die Leser*innen im Schnelldurchlauf durch seine Biographie. Die Bilder sind freundlich, reduziert, und hinsichtlich ihrer sparsamen Koloration sorgfältig durchdacht. Der 60-seitige Band eignet sich gut als erster Einstieg.

Eine weitere Biographie in Form eines Comics legten Ulrike Albers und Johannes Saurer 2017 mit dem Band Karl Marx : die Macht der Idee vor. Das Gespann aus Autorin/Koloristin und Zeichner hat sich auf die Produktion von Geschichtscomics spezialisiert. Weitere Lebensbeschreibungen herausragender historischer Persönlichkeiten umfassen z.B. Martin Luther und Martin Luther King.

Der einzige Titel, der nicht im Hinblick auf das Marx-Jubiläum neu entstand, ist Jari Banas‘ „Das Kapital“. Er erschien 2012 als unveränderter Nachruck der Ausgabe von 1980. 2016 folgte, zur Feier des 150. Jahrestages der Erstausgabe im folgenden Jahr, eine überarbeitete Ausgabe, und zum 200. Geburtstag von Karl Marx wartet der VSA-Verlag (Verlag für das Studium der Arbeiterbewegung) mit einer ersten farbigen Version auf.

Der Trailer zum Comic „The Communist Manifesto Illustrated“: