10. Dezember
Haben Sie schon einmal von Dschuha oder Nasreddin Hocca gehört? Und was haben diese beiden humoristischen Berühmtheiten der islamischen Welt mit einer Zeitung aus dem Ersten Weltkrieg zu tun?
Wir verraten es Ihnen sogleich! Denn heute präsentieren wir Ihnen eine äußert spannende und seltene Quelle aus dem Ersten Weltkrieg: Die Lagerzeitung des Halbmondlagers Wünsdorf (Ğarīdat al-asāra maṭā), die im Dezember 1916 im ‚Halbmondlager‘ angefertigt wurde. Unweit vor den Toren der Hauptstadt waren in jenem Kriegswinter mehrere Tausend französische Kolonialsoldaten aus Marokko, Algerien und Tunesien sowie indische Gefangene des britischen Heeres interniert. Grund für deren Internierung war die „Revolutionierung der islamischen Welt“, welche das Deutsche Reich gemeinsam mit dem Bündnispartner Osmanisches Reich seit November 1914 verfolgte. Erklärtes Ziel dieser umfassenden politisch-militärischen Stratgie war es, all jene Muslime, die unter der Kolonialherrschaft der Entente-Mächte standen, zu einer Revolte anzustiften oder nationale Befreiungsbewegungen zu unterstützen, um die Entente (Frankreich, Großbritannien, Russland) zu schwächen.
Die in maghrebinischem Dialekt verfasste Zeitung wurde als Gegenstück zu der Lagerzeitung El Dschihad, die auf geringe Resonanz gestoßen war, produziert. Der Grund für die Einführung war eine politisch-militärische Neuausrichtung gegenüber den Gefangenen: fortan standen weniger der militärische Drill und die pro-deutsche Propagada im Vordergrund, sondern den Gefangenen sollte Abhilfe vom langweiligen Lageralltag geschaffen werden. Vermutlich waren die Gefangenen an der Produktion der Zeitung beteiligt.
Die Zeitung enthält Hinweise auf das alltägliche Lagerleben, vor allem aber Märchen und Erzählungen aus Nordafrika. Darunter auch die ein oder andere Dschuha-Geschichte (5. Ausgabe), die heute in der arabischen Welt zum Allgemeingut gehören. Während Dschuha im arabischen Raum als humoristische Figur weit verbreitet ist, so werden im persischen und türkischen Raum Geschichten von Nasreddin Hodscha zum Besten gegeben. Falls Sie also noch auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk für die Jüngsten sind, dann lesen Sie doch mal ‚Das fliegende Kamel‘ von Paul Maar, der die Geschichten von Nasreddin Hodscha für Kinder aufbereitet hat.
Oder stöbern Sie weiter im Bestand der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: hier finden Sie einige tatarische Notizbücher und Briefe aus dem benachbarten Weinberglager oder entdecken Sie Fotografien in der Sammlung Stiehl des Museums Europäischer Kulturen. Oder entdecken Sie eine umfassende Quellensammlung zum Halbmondlager, die im Rahmen des Forschungsprojekts Cultural Exchange in a time of global conflict entstanden ist.
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