10. Dezember
Eine Lebensbeschreibung des Gründers der Bön-Religion
Antje Ziemer (Ostasienabteilung)
Ein Weihnachtsfest mit viel Schnee kann man sicherlich auf dem Dach der Welt erleben. Heute stellen wir Ihnen deshalb eine tibetische Handschrift vor.
Die Darstellungen sind dem Objekt Waddell 1 entnommen, das sich in einer der Sammlungen der Ostasienabteilung befindet. Es beinhaltet einen Teil des Zermig (གཟེར་མིག), der Lebensbeschreibung des Shenrab (གཤེན་རབ). Shenrab (auch Tönpa Shenrab Miwoche སྟོན་པ་གཤེན་རབ་མི་བོ་ཆེ) ist der mythische Gründer des Bön (བོན), der früheren vorbuddhistischen Religion Tibets. Der Bön war eine schamanistische Religion, die besonders im westtibetischen Reich von Zhang-Zhung (ཞང་ཞུང) verbreitet war. Nach dem Sieg des zentraltibetischen Königs Songtsen Gampo (སྲོང་བཙན་སྒམ་པོ; ca. 600-649) wurde der Bön zunehmend verdrängt. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte beeinflussten sich Bön und Buddhismus gegenseitig. Seit 1977 ist der Bön durch den Dalai Lama als 5. Schule des Buddhismus anerkannt.
Illustrationen von Waddell 1; 101 r
In der vorliegenden Handschrift (im sogenannten Blockdruckformat) beginnen und schließen die einzelnen Kapitel mit je einer Schmuckseite, zu erkennen an den Miniaturmalereien. Außerdem sind die roten Kreise innerhalb des Textblocks der indischen Palmblatttradition nachempfunden, bei der die einzelnen Blätter durch Löcher mit einer Schnur zusammengebunden wurden.
Es werden (mythische) Figuren aus dem Leben des Shenrab sowie verschiedene Bön-Gottheiten dargestellt. Auf dem vorliegenden Blatt ist links der Tsugshen Gyalba Tulku (གཙུག་གཤེན་རྒྱལ་བ་སྤྲུལ་སྐུ) dargestellt. Dabei handelt es sich um eine Inkarnation des Shenrab, einem wichtigen Abt. Rechts ist eine Göttin abgebildet, die auf dem Blatt als Öd Ling Matima Lhamo (འོད་ལིང་མ་ཏི་མ་ལྷ་མོ) bezeichnet wird.