BUSONI 100

Eine virtuelle Ausstellung zum 100. Todestag des Komponisten

Wunderkind

Lehrer

Im Schweizer Exil

Bearbeiter

Der Reisende

WUNDERKIND

Ferruccio Busoni wurde am 1. April 1866 im toskanischen Empoli bei Florenz geboren und wuchs in der norditalienischen Hafenstadt Triest in einer Musikerfamilie auf. Der Vater war Klarinettist, die Mutter eine gefragte Pianistin. Busoni wurde bereits mit vier Jahren ans Klavier herangeführt und verblüffte schon als Neunjähriger mit eigenen Kompositionen. Er galt als ein Wunderkind und wurde einer der berühmtesten Klaviervirtuosen seiner Zeit, nach Franz Liszt und Anton Rubinstein.

Mit sieben Jahren trat er zum ersten Mal mit seinen Eltern in einem Konzert auf. Den Klavierunterricht erhielt er zunächst bei der Mutter, später auch beim Vater, der ihn vor allem an das Klavierwerk von Johann Sebastian Bach heranführte.

Mit neun Jahren reiste Ferruccio Busoni mit seinem Vater für einige Monate nach Wien, der damals wichtigsten Stadt für angehende Musiker. Dort spielte er in zahlreichen Konzerten die Werke von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und auch eigene Klavierkompositionen, wie ein Capriccio, ein Menuett und eine Invention. Einflussreiche Familien der Wiener Aristokratie förderten seine Begabung und stellten die Verbindungen zu Komponisten und Musikkritikern her, wie Johannes Brahms, Franz Liszt und Eduard Hanslick.

Für eine fundierte Kompositionsausbildung ging er 1880 nach Graz, um bei dem Komponisten und Musiktheoretiker Wilhelm Mayer-Rémy (1831-1898) Unterricht in der Kontrapunktlehre zu nehmen. Ferruccio Busoni notierte in einem Sammelband sorgfältig ausgearbeitete „Kompositions-Aufgaben“ die der Lehrer mit durchweg positiven Bewertungen und ausführlichen Korrekturen versah. In dieser Zeit konnte sich der junge Ferruccio Busoni ausschließlich dem Kompositionsstudien widmen und trat nur selten als Pianist in Erscheinung.

Scène de ballet, Op. 6, BV 197 No. 3

Artist: Holger Groschopp
Composer: Ferruccio Busoni

LEHRER

Mit 19 Jahren verließ Ferruccio Busoni Italien und ging nach Leipzig. In der Messe-, Kultur- und Musikstadt fand er sehr gute Bedingungen für seine weitere Entwicklung. Mehrfach trat er mit großem Erfolg im Gewandhaus auf und seine frühen Kompositionen erregten das Interesse des weltweit ältesten Musikverlages Breitkopf & Härtel, der zu seinem Hauptverlag wurde. In Leipzig lernte Busoni den berühmten Musiktheoretiker Hugo Riemann kennen, der ihm zu seiner ersten Professur verhalf. Bereits im Alter von 22 Jahren siedelte Busoni nach Helsinki über, um am Konservatorium die Leitung der Klavierklasse zu übernehmen. Zu seinen Schülerinnen und Schülern gehörten u.a. Jean Sibelius und Gerda Sjöstrand, die die Tochter eines berühmten Bildhauers war. Ferruccio und Gerda (1862-1952) verliebten sich ineinander, heirateten 1890 und bekamen zwei Söhne, Benvenuto und Rafaello. Nach einem kurzen Intermezzo in Moskau, wo Busoni seinen nächsten Lehrauftrag als Klavierlehrer übernommen hatte, führten ihn weitere pädagogische Tätigkeiten nach Boston und New York. Hier spielte er in zahlreichen Recitals die Werke von Bach, Beethoven, Mozart und Liszt. Es kamen auch einige seiner eigenen Werke zur Uraufführung, u.a. das Orchesterwerk Berceuse élégiaque op. 42 mit den New Yorker Philharmonikern unter der Leitung von Gustav Mahler. Nach einem dreijährigen Aufenthalt in Amerika übernahm Busoni Meisterkurse in Weimar, Basel und Wien, die legendär und sehr gefragt waren. Die Teilnehmenden kamen aus bis zu neun Nationen. Unter den Namen finden sich berühmte Pianisten wie Eduard Steuermann, Egon Petri und Rudolph Ganz.

 Bach – 10 Chorale Preludes: No. 4. Nun freut euch, lieben Christen, BWV 734

Artist: Holger Groschopp
Composer: Ferruccio Busoni

Der Unterricht des charismatischen Pianisten und Komponisten Busoni ging weit über das Kontrapunktstudium und das Komponieren von Fugen hinaus. Seine Kurse zeichneten sich durch Reflexion und Diskussion über Musik, Kunst und Literatur aus. Busoni besaß auch ein zeichnerisches Talent. In seinem umfangreichen Briefwechsel und auch in seinen Musikautographen finden sich zahlreiche Zeichnungen und Skizzen, in denen er seine Ideen für Bühnenbilder zu seinen Opern skizzierte und mit feinsinnigem Humor so manche alltägliche Beobachtung in einer Karikatur festhielt. Die abgebildete Zeichnung zeigt den Klavierstudenten Michael Zadora, der in angestrengter und hochkonzentrierter Haltung am Klavier sitzt, dahinter steht der Meister in gelassener Perspektive und raucht Pfeife.

Nach seinem Aufenthalt im Schweizer Exil wurde Busoni ab 1920 als Leiter der Meisterklasse Komposition an die Berliner Akademie der Künste berufen. Zu seinen Studenten gehörten einige berühmte Komponisten der Moderne, wie u.a. Stefan Wolpe, Wladimir Vogel und Kurt Weill. Am liebsten unterrichtete er im Musiksalon seiner Schöneberger Wohnung am Viktoria-Luise-Platz 11.

IM SCHWEIZER EXIL

Ab 1894 lebte Busoni in Berlin, aber er behielt Zeit seines Lebens die italienische Staatsangehörigkeit. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 stellte für ihn eine Katastrophe dar. Italien trat 1915 der Entente bei und stand mit Busonis geistiger Heimat Deutschland nun im Krieg. Wie viele Intellektuelle ging er mit der Familie in die neutrale Schweiz und ließ sich in Zürich nieder. Hier stand er in regem Austausch mit Schriftsteller:innen und Künstler:innen, wie Stefan Zweig, Jakob Wassermann, Max Oppenheimer und Tilla Durieux.

Als Dirigent wirkte Busoni bei den Konzerten in der Züricher Tonhalle mit und gestaltete hier auch die Programme selbst. Große Beachtung fanden seine Klavierabende, in denen er sich jeweils einem bedeutenden Komponisten widmete, dazu zählten J. S. Bach, Beethoven, Chopin und Liszt.

Busoni fand im Schweizer Exil auch wieder Zeit zum Komponieren. Mit großem Erfolg kamen die beiden Opern  „Arlecchino“ und „Turandot“ 1917 am Züricher  Stadttheater zur Uraufführung. Arlecchino ist eine Figur aus der Commedia dell’Arte, die Busoni zu seinem Sprachrohr machte. Er kritisiert gesellschaftliche Missstände und zeichnet in weiteren Rollen die Charaktere des Spießertums nach. Die Welt des Spiels wird zum Spiegel der Zeit. Außerdem begann er mit der Komposition seines Hauptwerks, der Oper „Doktor Faust“. Ein Jahr nach dem Tod Busonis vollendete sein Schüler Philipp Jarnach aufgrund von Skizzen das Werk und es kam in Dresden 1925 zur Uraufführung.

In Zürich bearbeitete Busoni seinen musiktheoretischen Essay „Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst“, der 1907 erschienen war. Die zweite Auflage von 1916 erweiterte Busoni um Ansichten über die Oper der Zukunft und entwickelte die Vision von einer freischwebenden Tonkunst, die losgelöst von Normen und Gattungen entstehen sollte. Dies löste einen heftigen Streit in der Musik über Fragen der Musikästhetik und über die Zukunft der Musik aus. Die zentrale Botschaft darin war sein Anliegen, der Musik eine freie und autonome Entfaltungsmöglichkeit zu gewähren, ohne sie in ein formales, tonales Korsett einzuzwängen, ohne programmatische Eingrenzung durch Operntext und Bühnenbild.

DER BEARBEITER

Als Pianist hatte Busoni ein enges Verhältnis zu den Werken der Komponisten, die er spielte und die er häufig aus gestalterischer Sicht des Interpreten bearbeitete. So komponierte er um 1890 zwei Kadenzen zum Klavierkonzert Nr. 4 op. 58 von L. van Beethoven, die er selbst gespielt hatte und die mit dem Rubinstein-Preis in Moskau ausgezeichnet wurden.

Die Musik von J. S. Bach war ihm seit der Kindheit vertraut und sie beschäftigte ihn sein ganzes Leben lang, in dem er zahlreiche Bachsche Klavierwerke bearbeitete und transkribierte, z.B. das Wohltemperierte Clavier I, I und das Italienische Konzert. Busonis Klavierspiel zielte darauf, Anpassungen der barocken Klaviermusik für moderne Konzertflügel zu finden. Die umfasst 25 Bände, die zwischen 1894 und 1922 bei Breitkopf & Häertel erschienen ist.

The Well-Tempered Clavier, Book 1, BWV 846 – 869 (arr. F. Busoni) : Prelude No. 3 in C-Sharp Major, BWV 848

Artist: Holger Groschopp
Composer: Ferruccio Busoni
Composer: Johann Sebastian Bach

Auch der unvollendet gebliebene Schluss von J. S. Bachs „Kunst der Fuge“ (BWV 1080) hat Busoni zu einer Komposition angeregt. Mit seiner Fantasia contrappuntististica, setzte er sich 1910 in vier Fassungen (zweimal Klavier solo, für zwei Klaviere, für Orchester) mit der Komposition Bachs auseinander.

Grosse Fuge: III. Fuga IV – Stretta

Artist: Holger Groschopp
Composer: Ferruccio Busoni

Neben kommentierten Editionen und Transkriptionen von Bachschen Klavier- und Orgelwerken galt seine besondere Aufmerksamkeit den Werken von Mozart, Schubert und vor allem Liszt, an dessen kritisch-instruktiver Gesamtausgabe er sich ebenfalls beteiligte. Dabei kommentierte er in Fußnoten eigene ästhetische Beobachtungen in Mozarts Komposition, die Liszt in seiner Bearbeitung hervorgehoben hatte.

DER REISENDE

Häufige Konzerttourneen und Reisen zu Meisterkursen gehörten zum Alltag des gefragten Klaviervirtuosen Busoni. Schon in der Kindheit reiste er mit dem Vater durch Italien und Österreich, um auch vor prominentem Publikum, wie der Erzherzogin Marie Valerie Mathilde von Österreich, aufzutreten. Seit seinem 18. Lebensjahr reiste er allein, nicht nur innerhalb von Europa. Insgesamt fünfmal in seinem Leben nahm er die anstrengende Schiffsreise in die Vereinigten Staaten von Amerika in Kauf. Hier trat er u.a. in der New Yorker Carnegie Hall auf und bereiste die Westküste Amerikas.

Piano Concerto in C Major Opus 39 by (1.-4.Mov.)

Peter Donohoe, Piano
BBC Symphony Orchestra & Male Chorus
Mark Elder, Conductor

Von unterwegs schrieb er zahlreiche Briefe, allein rund 800 an seine Frau Gerda in denen er sie durch ausführliche Schilderungen an den Eindrücken, Begegnungen und auch seinen wechselnden Gemütszuständen Anteil nehmen ließ. Er berichtete darin über die Strapazen der Reise, beklagte sich über die eng getakteten Konzerte, die schlechten Gagen und hielt in humorvollen Zeichnungen auch manchmal persönliche Beobachtungen fest.

Zu seinen Kompositionen kam er während der Reisen kaum, allenfalls sammelte er Material für neue Ideen. So verwendete er die Melodien und Gedichte aus dem Indians‘ Book (einer Sammlung indianischer Lieder), auf die er in Amerika durch die Ethnologin Natalie Curtis hingewiesen worden war, in mehreren Kompositionen, u.a. dem Indianischen Tagebuch (I und II) und der Indianischen Fantasie.

„Busoni 100. Eine virtuelle Ausstellung zum 100. Todestag des Komponisten“ wurde im Rahmen der Ehrenamtsinitiative der Stabi umgesetzt. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit von Marina Gordienko (Fachreferentin im Ehrenamt), Mara Eling (Freiwilliges Soziales Jahr) und Pia Beckmann (Öffentlichkeitsarbeit).

Wir bedanken uns bei dem Pianisten Holger Groschopp für die Genehmigung, seine Aufführungen in unsere Ausstellung einbinden zu können. Weitere Einblicke in die Arbeit von Holger Groschopp finden Sie auf seinem YouTube-Kanal.