100 Jahre Novemberrevolution

Anlässlich des 100. Gedenkjahres der Revolution zeigt die Staatsbibliothek zu Berlin Reproduktionen von Flugblättern, Handzetteln und Zeitungssonderdrucken aus der Sammlung „Novemberrevolution“. Begleiten  Sie uns in die revolutionären Tage in Berlin, Braunschweig  und  München  und tauchen Sie ein in die politische Zeit des Umbruchs von 1918 bis 1920, in der demokratische und reaktionäre Kräfte  erbittert und oft mit Gewalt über die zukünftige Ausrichtung der jungen Republik stritten.

Sammlung an der Staatsbibliothek zu Berlin

Unmittelbar nach dem Ausbruch der revolutionären Ereignisse im November 1918, veranlasste das Preußische Kultusministerium,  die Sammlung revolutionärer Schriften an der Preußischen Staatsbibliothek. Der Sammelauftrag galt Büchern und Flugschriften ebenso wie Plakaten, Maueranschlägen, Flugblättern sowie einzelnen Zeitschriften- und Zeitungsnummern. Inhaltlich umfasste die Sammlung alle unmittelbar mit der Revolution zusammenhängenden politischen, sozialen, wirtschaftlichen, rechtlichen und kulturellen Aspekte sowie die nachfolgenden Zeitereignisse wie Kapp-Putsch, Ruhraufstand, Mitteldeutscher Aufstand und Hitler-Putsch.

Berlin || 1918

Der Kaiser hat abgedankt – Die Novemberrevolution in Berlin

Die gescheiterte Frühjahroffensive 1918 hat das deutsche Heer endgültig in die Defensive gedrängt, die Gefahr einer militärischen Niederlage auch angesichts der immer zahlreicheren amerikanischen Truppen zeichnet sich ab. Im Herbst 1918 fordert daher die Oberste Heeresleitung (OHL), dass den Vorbedingungen, die der US-Präsident Woodrow Wilson für die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen gestellt hat, nachgekommen wird: Die Bildung einer neuen Regierung sowie die Parlamentarisierung des Reiches. Der von Kaiser Wilhelm neu ernannte Reichskanzler Prinz Max von Baden bittet die USA Anfang Oktober 1918 um entsprechende Verhandlungen. Schnell wird klar, dass eine militärische Kapitulation unumgänglich sowie ein Machtverzicht des preußischen Königs und deutschen Kaisers wohl unvermeidlich ist.

Als in dieser Situation die Marineleitung Pläne für eine letzte „ehrenvolle“ Seeschlacht schmiedet und die Heeresführung „Widerstand bis zum äußersten gegen ein militärische Kapitulation“ ankündigt, spitzt sich die revolutionäre Stimmung zu. Die Soldaten wollen den sofortigen Frieden genauso wie die allgemeine Bevölkerung, die täglich unter der schlechten Versorgungslage leidet.

Die formale Parlamentarisierung des Reiches am 26. Oktober 1918 durch Verfassungsänderung bleibt fast unbemerkt und beruhigt die Gemüter kaum. Es kommt zu Meutereien unter den Matrosen in Wilhelmshaven und Anfang November 1918 zum Matrosenaufstand in Kiel. Die Macht wird dort von einem Arbeiter- und Soldatenrat übernommen, der revolutionäre Funke springt bald auf das ganze Reich über, in verschiedenen Territorien wird die Republik ausgerufen.

Zur Umsetzung des Friedens erscheint die Abdankung des Kaisers nun unausweichlich. Doch Wilhelm II. weilt inzwischen bei der OHL im belgischen Spa und denkt nicht an Rücktritt. Seinen Thronverzicht wird er tatsächlich erst am 28. November 1918 unterzeichnen. Währenddessen überschlagen sich in Berlin die Ereignisse.

Am 9. November 1918 erklärt Max von Baden daher auch auf Druck von Streiks der Soldaten und Arbeiter bewusst ohne rechtliche Grundlage oder Vorlage einer entsprechenden Zusage die Abdankung des Kaisers und überträgt das Reichskanzleramt an Friedrich Ebert (SPD). Philipp Scheidemann (SPD) ruft am selben Tag von einem Balkon des Reichstages die Republik aus und kommt damit absichtlich Karl Liebknecht vom linken Spartakus-Flügel der USPD zuvor, der vor einem Portal des Hohenzollernschlosses die sozialistische Republik proklamiert.

Friedrich Ebert, erster Reichspräsident der Weimarer Republik

Einen Tag später bildet sich als Ergebnis der Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte im Zirkus Busch die neue Regierung: Der Rat der Volksbeauftragten, mit Friedrich Ebert, Otto Landsberg und Philipp Scheidemann von Seiten der SPD sowie Hugo Haase, Emil Barth und Wilhelm Dittmann von Seiten der USPD. Auf Initiative der Arbeiter wird darüber hinaus ein Vollzugsrat etabliert, der die Regierung bis zum ersten Reichsrätekongress kontrollieren soll. Ebert baut aber auch auf die Unterstützung des Militärs zur Abwehr von ihm befürchteter linkssozialistischer Umsturzversuche, sodass er als Zugeständnis für die Loyalität der OHL unter Wilhelm Groener die Befehlsgewalt über das Militär beim traditionellen Offizierskorps belässt. Eine Erneuerung der militärischen Eliten findet somit nicht statt, vielmehr erhalten diese einen Hebel zur Rückgewinnung der politischen Macht.

Am 12. November 1918 verkündet die SPD/USPD-Regierung ihr Programm, das als Erfüllung der Revolution angesehen wird: Abschaffung des preußischen Dreiklassenwahlrechts, Einführung des Frauenwahlrechts, Achtstundenarbeitstag, Garantie der Freiheitsrechte. Ebenfalls in Eberts Sinn ist das Stinnes-Legien Abkommen vom 15. November 1918: Um ihren Stand gegen die Arbeiterräte abzusichern, suchen die Gewerkschaften mit den Unternehmerverbände einen neuen Modus der Zusammenarbeit, der teilweise als Vorläufer der Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft gewertet werden kann.

Die folgenden Wochen sind seitens der OHL davon geprägt nicht nur als militärischer sondern auch als politischer Akteur Einfluss zurückzugewinnen. Parallel findet die Gründung neuer bürgerlicher Parteien statt: die Deutsche Demokratische Partei (DDP), die Deutsche Volkspartei (DVP) und die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) entstehen. Der Reichsrätekongress der Arbeiter- und Soldatenräte, der vom 16. bis 21. Dezember 1918 tagt, beschließt  gegen den Willen von Spartakus Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung für den 19. Januar 1919, betont aber auch in Abgrenzung zur SPD unter Ebert die Notwendigkeit der Demokratisierung des Militärs und der Sozialisierung bestimmter Industriezweige.

Am 23. Dezember kommt es zwischen dem Rat der Volksbeauftragten und der Volksmarinedivision – revolutionäre Truppen, die eigentlich zum Schutz der neuen Regierung aufgestellt wurden und die im Schloss und Marstall untergebracht sind – zu einem Konflikt über Lohnzahlungen und Reduzierung der Mannschaftsstärke. Die Volksmarinedivision nimmt den Stadtkommandanten Otto Wels (SPD) als Geisel woraufhin Ebert General Groener um Truppenhilfe durch die OHL bittet. Der Garde-Kavallerie-Schützen-Division unter Waldemar Pabst gelingt es aber nicht –- auch aufgrund massenhaft sich mit der Volksmarinedivision solidarisierender Berliner Arbeiter – einen militärischen Erfolg zu erzielen und muss sich zurückziehen. Aus Protest gegen die offene Zusammenarbeit von SPD und OHL verlassen die USPD-Mitglieder des Rats der Volksbeauftragten jedoch das Gremium, das nun allein von der SPD gestellt wird. Gustav Noske wird neuer Volksbeauftragter für Heer und Marine.

Der Spartakusbund vom linken Flügel der USPD vereinigt sich in Reaktion auf diese Ereignisse mit anderen linkssozialistischen Gruppierungen am 30. Dezember 1918 zu Kommunistischen Partei Deutschlands. Die neue Partei beschließt gegen die Ansicht Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts nicht an den Wahlen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung teilzunehmen.
Am 3. Januar 1919 treten die USPD-Mitglieder auch aus der preußischen Regierung zurück. Als der Berliner Polizeipräsident Eichhorn (ebenfalls USPD) seine Entlassung nicht akzeptieren will, verschärft sich die Lage weiter. USPD, KPD und „revolutionäre Obleute“ (gewerkschaftsunabhängige Vertrauensleute in den Betrieben) rufen zu Massenprotesten gegen die Regierung auf und am 5. Januar 1919 sind Hundertausende, weitgehend selbstorganisierte Arbeiter auf den Straßen. Es kommt zu Besetzungen von Verlags- und Zeitungshäusern im Berliner Zeitungsviertel.