Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, wirtschaftliche Unsicherheit und soziale Marginalisierung wurden bereits in vergangenen Jahrhunderten kontrovers diskutiert – und sind Thema des diesjährigen Hackathons der Staatsbibliothek zu Berlin in Kooperation mit der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft.
Wir suchen Interessierte aus der IT, den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie dem Design- und Kreativbereich, die unsere frei nutzbaren Datensets phantasievoll zum Leben erwecken: In welchem Verhältnis stehen heutige Debatten und historische Texte? Wie werden soziale Stereotype konstruiert und wie kämpf(t)en sozial Benachteiligte für ihre Rechte?
Beim Hackathon finden sich spontan Teams zusammen und entwickeln spielerische und innovative Projekte zu diesen Themen. Erlaubt ist dabei alles: Apps, Visualisierungen oder spannende Experimente, solange die Ergebnisse wiederum frei verfügbar sind. Und: Besonders herausragende Projekte werden prämiert!
Anlass
Vor dem Hintergrund der massiven Zunahme unsicherer Beschäftigungsverhältnisse in den letzten Jahrzehnten sowie der aktuellen, durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Krise findet das Thema Prekarität derzeit große gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Bei den Diskussionen um die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie und der Landwirtschaft, aber auch im digitalen Arbeitsfeld der sog. Clickworker bis hin zu befristeten Jobs im akademischen Umfeld wird immer wieder deutlich, dass die Betroffenen zwar entscheidend zum Funktionieren unserer Gesellschaft beitragen, dafür aber oft nur wenig Anerkennung und kaum wirtschaftliche oder soziale Sicherheit erhalten.
Diese Probleme haben zwar eine zeittypische, durch die globalisierte Welt geprägte Gestalt, erinnern aber oft an ähnliche Diskurse, die bereits im 19. und 20. Jahrhundert im Kontext von Industrialisierung, Arbeiterbewegung und der sog. Sozialen Frage geführt wurden. Aus diesem zeitlichen Rahmen stammen die Datensets, die beim Hackathon „Coding Precarity“ zum Leben erweckt und in Bezug zu aktuellen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Fragen gestellt werden sollen.
Was verstehen wir unter Prekarität?
Prekarität beschreibt eine Situation, die durch kontinuierliche soziale und wirtschaftliche Unsicherheit geprägt ist, zum Beispiel aufgrund befristeter Jobs, geringen Einkommens und die dadurch stets präsente Gefahr der Armut und Ausgrenzung. Neben den materiellen Aspekten hat Prekarität also auch kulturelle, soziale und psychische Auswirkungen.
Sowohl heute als auch in historischer Sicht weist Prekarität ein breites Spektrum von Erscheinungsformen auf; es handelt sich dabei um einen variablen Begriff, der gemäß der jeweiligen Gegebenheiten definiert werden kann, sodass historische Verbindungslinien sichtbar werden: So werden historische Errungenschaften wie z.B. die Altersvorsorge und andere soziale Sicherungssysteme in der heutigen Zeit zunehmend brüchig, soziale Ungleichheit und Benachteiligung verstetigen sich und dadurch bedingte Ängste können zu einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft führen. Mit Blick auf die historischen Dokumente der SBB lohnt es sich also zu fragen, in welchem Verhältnis modernes Prekariat und Proletariat des deutschen Kaiserreichs stehen.
Warum ein Hackathon?
Diese Fragen können und sollen durch wissenschaftliche und gesellschaftliche Debatten erforscht und diskutiert werden. Wir möchten aber durch die Veranstaltungsform des Hackathons darüber hinaus mit einem neuen, unvoreingenommenen Blick an die Kulturdaten herangehen und im kreativen Umgang mit ihnen neue Perspektiven eröffnen. Gerade durch den spielerischen Umgang kann die Aufmerksamkeit auf Dinge gelenkt werden, die sonst leicht übersehen würden; und indem kreative Anwendungen entstehen, öffnet sich der Diskussionsraum über die kulturbewahrenden und wissenschaftlichen Einrichtungen hinaus und lädt alle zum mitdenken und mitmachen ein.
Corona-bedingte Einschränkungen
Momentan planen wir den Hackathon als Präsenzveranstaltung in den Räumen der Staatsbibliothek zu Berlin, natürlich unter Einhaltung der aktuellen Hygiene-Standards. Sollte sich die Situation so verändern, dass die Veranstaltung nicht vor Ort stattfinden kann, informieren wir hier so schnell wie möglich und weichen ggf. auf eine virtuelle Alternative aus.
News
Programm
Veranstaltungsort: Staatsbibliothek zu Berlin, Simón Bolívar-Saal, Potsdamer Straße 33, 10785 Berlin
Mittwoch, 16. September
Einführung & Kennenlernen
Ab 15:00 | Ankommen, Kaffee |
15:30 | Begrüßung |
15:40 | Thematischer Input von Guido Kirsten zu „Prekarität im Film: Eine Einführung“ |
16:15 | Präsentation der Datensets und technische Infos |
17:15 | Kennenlernen der Teilnehmenden |
18:00 | Ideenfindung und Teambildung bei Snacks & Getränken, Beginn der Projektarbeit |
Spätestens 21:00 | Ende |
Donnerstag, 17. September
Hacken
Ab 9:00 | Projektarbeit |
Spätestens 21:00 | Ende |
Freitag, 18. September
Endspurt & Preisverleihung
Ab 9:00 | Projektarbeit |
12:30 | Mittagspause |
13:30 | Ergebnispräsentationen der Teams |
15:00 | Kaffeepause & Jurysitzung |
16:00 | Preisverleihung |
17:00 | Ausklang |
Datensets
Mitwirkende
Guido Kirsten
Guido Kirsten ist Filmwissenschaftler an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF und Leiter der von der DFG geförderten Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Filmische Diskurse des Mangels“. Das Projekt untersucht Darstellungen von Armut und Prekarität im europäischen Spiel- und Dokumentarfilm. Im Zentrum seiner Arbeit stehen neben der Filmtheorie und der Geschichte des Films u.a. Fragen nach medialen Konfigurationen von Nähe und Distanz.
Sonja Fischbauer
Die diplomierte Archäologin Sonja Fischbauer arbeitete sechs Jahre lang auf Ausgrabungen und als Museumspädagogin, bevor sie ihre Schaufel gegen einen Laptop tauschte. In Wien und Berlin hat Sonja schon mehrere Community-Projekte im Bereich Technologie und Freies Wissen geleitet, Hackathons organisiert und Diversity-Maßnahmen entwickelt. Seit 2018 leitet sie bei der Open Knowledge Foundation Deutschland in Berlin das Technik-Förderprogramm Jugend hackt.
Katrin Glinka
Katrin Glinka ist Kulturwissenschaftlerin und beschäftigt sich unter anderem mit der Aufbereitung von Kulturerbe mithilfe digitaler Technologien. Digitale Ansätze für Narration und Kuratierung, z.B. in Museen, und die Orientierung an Bedürfnissen von diversen Publikumsgruppen weisen ihr dabei den Weg. Bis März 2020 war sie Projektleiterin des Verbundprojekts museum4punkt0, zuvor forschte sie zur "Visualisierung kultureller Sammlungen" im UCLAB an der FH Potsdam.
Jochen Haug
Jochen Haug hat Anglistik und Geographie in Marburg, Limerick und Freiburg i. Br. studiert, ist seit 2006 Fachreferent an der Staatsbibliothek, leitet dort seit 2014 die Wissenschaftlichen Dienste und ist aktuell außerdem stellvertretender Leiter der Benutzungsabteilung. Die Kuratierung und Vermittlung von kulturwissenschaftlichen Forschungsdaten zählen aus seiner Sicht zu den spannendsten Zukunftsaufgaben der Staatsbibliothek, und die Bereitstellung kollaborativer Nutzungsräume zu ihren wichtigsten neuen Angeboten.
Preise und Gewinnerprojekte
Best Concept
Funniest
Most Useful
Most Political
Most Open
FAQs
Was ist ein Hackathon?
Bei unserem Hackathon erwecken Teams Kulturdaten zu ungeahntem Leben. In zweieinhalb Tagen werden kleine Apps entwickelt, Websites entworfen, Dienste oder Spiele erstellt. Als Basis stellen wir dafür kuratierte offene Daten der Staatsbibliothek zur Verfügung und machen nur eine einzige Vorgabe für die Ergebnisse: Sie müssen unter einer freien Lizenz stehen. Spannend wird der Hackathon vor allem dadurch, dass sich die Teams erst vor Ort spontan zusammenfinden. Was passiert also mit Digitalisaten und bibliothekarischen Metadaten, wenn Personen mit unterschiedlichem fachlichen und persönlichen Hintergrund sie zum Leben erwecken? Welche innovativen Ideen werden umgesetzt, was kann aus Kulturdaten werden und wer kann mit den Ergebnissen erreicht werden?
Wie funktioniert das Bilden der Teams?
Die Teams bilden sich am Nachmittag des ersten Hackathon-Tages, nachdem wir unsere Datensets präsentiert haben. Mit den ersten Ideen im Kopf und in lockerer Runde finden sich dann Gleichgesinnte zusammen, die sich für ähnliche Themen und Datensets interessieren. Die Teilnehmenden kommen also als Einzelpersonen in die Staatsbibliothek und entscheiden vor Ort selbst, mit wem und in welchen Konstellationen welches Projekt entwickelt werden soll.
Wie melde ich mich an?
Zum Mitmachen bitte das obenstehende Anmeldeformular ausfüllen oder eine Email mit Angabe des fachlichen Hintergrundes (z.B. IT, Design, Sozial-/Geisteswissenschaften…) an fachinfo@sbb.spk-berlin.de schicken. Anmeldeschluss ist der 23. August – schnell sein lohnt sich! Die Teilnehmendenzahl ist begrenzt.
Wer kann bei Coding Precarity mitmachen?
Alle, die sich für die Themen prekäre Beschäftigungsverhältnisse, wirtschaftliche Unsicherheit und soziale Marginalisierung interessieren und Spaß an der gemeinsamen und innovativen Arbeit mit Kulturdaten haben! Alle, die gerne interdisziplinär arbeiten und andere Sichtweisen kennenlernen möchten. Alle, die technikaffin sind. Alle klugen oder kreativen Köpfe. Alle, die sich für Kultur interessieren und Bibliotheken schätzen. Alle, die vom 16.-18. September in Berlin sind und sich rechtzeitig anmelden!
Muss ich programmieren können?
Natürlich freuen wir uns über die Teilnahme von IT-Cracks, aber beim Hackathon sollen in den Teams unterschiedliche Kompetenzen vertreten sein. Auch Menschen ohne Programmierkenntnisse sind also herzlich willkommen! Wer besonders kulturinteressiert ist oder sich in der Prekaritätsforschung auskennt, trägt dann vor allem inhaltlich viel bei. Wer kreativ ist und Spaß an Design hat, übernimmt den grafischen Teil etc.
Corona-bedingte Einschränkungen
Momentan planen wir den Hackathon als Präsenzveranstaltung in den Räumen der Staatsbibliothek zu Berlin, natürlich unter Einhaltung der aktuellen Hygiene-Standards. Sollte sich die Situation so verändern, dass die Veranstaltung nicht vor Ort stattfinden kann, informieren wir hier so schnell wie möglich und weichen ggf. auf eine virtuelle Alternative aus.
Kontakt
Bei Fragen und Anregungen ist das Organisationsteam des Hackathons unter fachinfo@sbb.spk-berlin.de erreichbar.
Ihr Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie uns einen Kommentar!