Gewalt, Disziplin und Verzweiflung – König Friedrich Wilhelm I. und sein Mythos
Werkstattgespräch mit Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger, Wissenschaftskolleg zu Berlin – Institute for Advanced Study
Fachliche Betreuung: Dr. Jochen Haug
Friedrich Wilhelm I., der „Soldatenkönig“, traumatisierte seinen Sohn, verprügelte seine Kinder, demütigte seine Beamten, verabscheute die Frauen, verachtete den Adel, verspottete die Gelehrten, war legendär geizig und detailbesessen, rauchte, trank, fluchte und tobte, hielt aber peinlich auf Sauberkeit, Drill und strengste Frömmigkeit. Mit seinem bizarren Verhalten desavouierte er sämtliche Normen und Werte seiner Zeit. Er litt unter derselben Erbkrankheit wie sein späterer Neffe Georg III. von England, der wegen ähnlicher Symptome weggesperrt wurde. In der preußisch-deutschen Nationalerzählung des 19. und 20. Jahrhunderts gilt Friedrich Wilhelm I. dagegen, für manche bis heute, als „Erzieher des deutschen Volkes zum Preußentum“. In dem Vortrag soll es um zwei Fragen gehen: erstens, wie die Zeitgenossen damals mit dem Phänomen umgingen, und zweitens, wie sich der extreme Deutungswandel vollzogen hat.