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Die jüngere Hochmeisterchronik und ihr Weg von Utrecht nach Preußen um 1500

Dr. Rombert Stapel, International Institute of Social History, Amsterdam

Im Jahr 1466 beendet der Zweite Frieden von Thorn den Dreizehnjährigen Krieg. Große Teile Preußens werden nach Polen verlegt und für den Deutschen Orden stellen sich neue Fragen seiner Zukunft und Existenz. Nur einige Jahre später, mehr als tausend Kilometer entfernt von Preußen, wird in Utrecht mit einem speziellen Text über die Ordensgeschichte angefangen. Die Chronik, die seit dem 19. Jahrhundert als Jüngere Hochmeisterchronik bekannt ist, betont das Recht des Deutschen Ordens, Land, das er einst von den Heiden erobert hatte, für immer zu behalten. Es ist aber auch der erste ernsthafte Versuch in einer langen Tradition der Geschichtsschreibung des Ordens, sich der eigenen Geschichte als Ganzes zu nähern und nicht nur auf die Geschichte des preußischen oder livländischen Zweiges zu beschränken. Unter anderem aus diesem Grund wird die Jüngere Hochmeisterchronik als der „Schlußstein im Gebäude der offiziösen Historiographie des Ordens” (so die Worte von Udo Arnold) bezeichnet.

Der geplante Vortrag behandelt ausführlich den Ursprung der Chronik, die Verwendung ihrer Quellen und den – bislang als anonym betrachteten – Autor. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die vielfältigen historiographischen Traditionen des Textes in Europa, die in diesem Text konvergieren, gelegt: zum Beispiel die preußische und die livländische Geschichtsschreibung, die Kreuzzugsliteratur und der Ursprungsmythos der Johanniter, aber auch die lokale Geschichtsschreibung aus den Niederlanden und religiöse Texte aus dem Gebiet um Marburg. Die Chronik (einschließlich Versionen des Textes bei den Gebrüdern Waiblingen bzw. Christoph Jan von Weißenfels) hat jedenfalls einen Nerv in der frühen modernen Leserschaft berührt, wie aus der schnellen und weiten Verbreitung des Textes hervorgeht. Um Königsberg entsteht im frühen 16. Jahrhundert sogar ein Zentrum der Rezeption.

Lange Zeit wurde diese schnelle Verbreitung von Historikern als eine gegebene Tatsache angesehen. Vielleicht war es allerdings auch ein zufälliges Ereignis; die ursprünglich niederländische Chronik, die mit einer Geschichte des Ballei Utrecht endet, scheint jedenfalls auf den ersten Blick vor allem einem lokalen Publikum in den Niederlanden zu dienen. Neuere Untersuchungen der Chronik zeigen jedoch, dass der Text möglicherweise von Anfang an für eine größere Verbreitung innerhalb der Orden bestimmt war, nicht zuletzt für Preußen.

Ein Vortrag der Tagung „Gebrauch und Funktion handschriftlicher Überlieferung aus dem Preußenland“
In Kooperation mit der Vortragsreihe “Digital Humanities in der Mediävistik”