Einblicke in das Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft
Im Rahmen meiner Ausbildung zur Fachangestellten für Medien und Informationsdienste habe ich ein sechswöchiges Praktikum im Fachbereich Archiv absolviert und hier meine Zeit im Archiv der Robert- Havemann-Gesellschaft verbracht. Die Einrichtung befindet sich in Berlin-Lichtenberg auf dem ehemaligen Gelände der Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.
Die Robert-Havemann-Gesellschaft wurde im November 1990 von der Bürgerbewegung „Neues Forum“ als politischer Bildungsverein gegründet. Sie sammelt und vermittelt die geschichtlichen Zeugnisse der Opposition und Widerstandsbewegung in der DDR. Im Jahr 1992 wurde schließlich ein Archiv gegründet, welches das umfangreiche Material dokumentiert, erschließt und für die Öffentlichkeit aufbereitet.
Der Bestand des Archivs umfasst eine bedeutende Sammlung zur Opposition gegen die SED- Diktatur zwischen 1945 und 1990. Neben Schrift- und Fotobeständen werden hier auch weitere Quellengüter wie Transparente, Plakate, Ton- und Filmdokumente erfasst. Ferner werden durch die RHG wissenschaftliche Publikationen herausgegeben, sowie Ausstellungen und Seminare zum Widerstand in der DDR organisiert.
Den Kernbestand des Archivs bilden mittlerweile 1500 laufende Meter Archivgut, von denen inzwischen 800 Meter vollständig erschlossen sind. In diesen Beständen finden sich Nachlässe und persönliche Archivmaterialien bekannter Persönlichkeiten der Widerstands- und Bürgerbewegung. Weiterhin werden die ausgedehnten Unterlagen und Materialien verschiedener Bürgerbewegungen, Widerstandsgruppen, Friedens- und Umweltinitiativen und der neu gegründeten Parteien aus den Jahren 1989/90 gesammelt.
In der ersten Woche meines Praktikums habe ich mich mit der Ersterschließung von Korrespondenzen innerhalb des persönliche Archivbestand des Bürgerrechtlers Jens Reich beschäftigt. Dieser war im September 1989 einer der Autoren und Erstunterzeichner des Aufrufs „Aufbruch 89 – NEUES FORUM“, der zur Gründung des Neuen Forums führte. Bei letzterem handelt es sich um eine Bürgerbewegung, welche als Teil der der friedlichen Revolution in der DDR entstanden war und die Wende wesentlich mitprägt hatte. Ein Teil des Neuen Forums ging später im Bündnis 90 und schließlich in der Partei Bündnis 90/Die Grünen auf. Im persönlichen Archivbestand von Jens Reich habe ich zunächst die Korrespondenzen (etwa hand- und maschinengeschriebenen Briefe, Postkarten und Einladungen) herausgesucht und anschließend in chronologischer Reihenfolge nach Jahr und Monat, sowie Absender und Adressat festgehalten. Diese Dokumentation bildet bei einer in Zukunft erfolgenden vollständigen Erschließung die Grundlage für das Findbuch. Anschließend wurden die Schriftgüter sorgfältig in säurefreies Papier eingeschlagen und in Archivkartons verpackt. Diese Korrespondenzen bildeten einen interessanten Einblick in die Geschichte der Bürgerbewegung der DDR in den Jahren 1988 bis 1990. Neben Solidaritätsbekunden und Beitrittsanträgen zahlreicher DDR-Bürger*innen, finden sich auch eine Vielzahl von teils sehr unterschiedlichen Entwürfen und Strategien zur Gestaltung eines demokratischen Staates, die von verschiedenen Initiativen und Einzelpersonen an das Neue Forum gesendet wurden. Unter den Absendern fanden sich zudem bekannte Persönlichkeiten der deutschen Geschichte, etwa Wolf Biermann und Günter Grass.
Die restlichen Wochen meines Praktikums habe ich im Bildarchiv der RHG verbracht:
Hier befindet sich ein Bestand von etwa 800.000, teilweise digitalisierte, Fotos zur Geschichte der DDR-Opposition. Neben den Werken bekannten Fotografen der DDR umfasst der Bildbestand des Archivs zudem das Fotoarchiv der unabhängigen Wochenzeitung „die andere“, sowie der „Umwelt-Bibliothek“ und der „Umweltblätter“ die bis Ende 1989 zu den bedeutendsten Zeitschriften der DDR-Opposition zählten. 2003 wurde zudem mit dem Archiv „GrauZone“ auch die Fotobestände über die ostdeutsche Frauenbewegung eingearbeitet.
Meine Aufgabe im Bildarchiv bestand darin, die digitalisierten oder nur auf DIAs festgehaltenen Aufnahmen des Architekturfotografen Robert Conrad zu sortieren und die Metadaten der Bilder (Bildgröße, Aufnahmedatum, Motiv) tabellarisch zu erfassen.
Robert Conrad hatte in den Jahren 1989 bis 1990 den Verlauf der erst kürzlich gefallenen Berliner Mauer festgehalten. Auf etwa 1000 Fotos finden sich detaillierte Aufnahmen der teils noch erhaltenen, teils bereits abgetragenen Mauer und Grenzanlagen umringt von geteilten Straßenzügen, die sich vom heutigen Anblick deutlich unterscheiden.
Mein Praktikum hat mir einen interessanten Einblick in die Arbeit eines Archivs gegeben. Insbesondere die Bearbeitung des persönlichen Archivbestands und die Möglichkeit an der Erschließung historischer Quellen beteiligt sein zu können hat mit gefallen.
Die Fotos von Robert Conrad können in der Ausstellung Angst + Wut bis zum 02.02.2025 in der Galerie Parterre in Prenzlauer Berg kostenfrei besichtigt werden.