Lesen Sie Marx in Politik, Philosophie und Wirtschaft?!
Ihre Wege zu Marx an der Staatsbibliothek zu Berlin
Ihre Wege zu Marx an der Staatsbibliothek zu Berlin
Am 5. Mai 2018 jährte sich der Geburtstag von Karl Marx zum zweihundertsten Mal. Dieser bedeutende Denker des 19. Jahrhunderts ist – wie schon lange nicht mehr – in allen Medien präsent. Die Stadt Trier widmet ihrem wohl bekanntesten Sohn eine große kulturhistorische Landesausstellung, die Leben und Werk von Marx beleuchten soll, und begeht dieses Jubiläum mit insgesamt rund 600 Veranstaltungen mehr als nur feierlich. Die teilweise kontroverse Auseinandersetzung mit Karl Marx‘ Werk und seiner Rezeption ist Gegenstand unzähliger Symposien, Diskussionsabende und Podien und durchaus sogar Anlass für hitzige Debatten in Landesparlamenten. In Presse und Fernsehen ist eine breite mediale Aufarbeitung zu verzeichnen und die Produktivität seiner wissenschaftlichen Exegeten und Biographen lässt eine Flut von Veröffentlichungen über Karl Marx erwarten. Da fällt es schon mal schwer, bei dieser Publikationsfülle den Überblick zu bewahren.
Die derzeitige Marx-Diskussion zwingt jedoch auch immer wieder zur Beschäftigung mit den historischen Quellen, die in Bibliotheken gesammelt werden. Zwar kann die Staatsbibliothek zu Berlin wohl nicht auf die umfangreichste Sammlung von Marx-Literatur verweisen. Dennoch ist sie unabhängig davon, dass Marx in seinen Berliner Jahren selbst Leser der Königlichen Bibliothek war, als nicht unbedeutend zu bewerten, da ihm einerseits die Bestände der Bibliothek für Studium und Doktorarbeit zur Verfügung standen, andererseits sowohl die Königlich Bibliothek zu Berlin / Preußische Staatsbibliothek für Preußen als auch die Deutsche Staatsbibliothek für die DDR Pflichtexemplarbibliotheken gewesen sind. Damit wurde zumindest jede Publikation, die in Preußen und der DDR von oder zu Marx veröffentlicht wurde, bezogen. Umfangreiche Zukäufe beider Bibliotheken wie auch die Erwerbungen der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, die 1992 mit der Deutschen Staatsbibliothek zur Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz zusammengeführt wurde, ließen die Marx-Sammlung – bis zum heutigen Tage – weiter wachsen.
Jedoch macht die wechselvolle Geschichte dieser Bibliothek die Suche nach Marx-Literatur nicht immer einfach. Anhand der Fächer Philosophie, Wirtschaft und Politik soll im Folgenden daher exemplarisch dargestellt werden, wie Sie an unsere Werke von und über Karl Marx gelangen können. Begeben Sie sich gleichzeitig mit uns auf eine Zeitreise durch die Sachkataloge der Staatsbibliothek zu Berlin und ihrer Vorgängereinrichtungen.
Beginnen wir mit dem Sachkatalog, der während der Berliner Jahre von Marx begonnen wurde. Die Rede ist vom Alten Realkatalog (ARK).
Der ARK ist ein Sachkatalog in Bandform aus dem 19. Jahrhundert (begonnen 1841), der ursprünglich 2099 Bände umfasste. Er erschließt rund drei Millionen Bücher und Zeitschriftenbände, die zwischen 1501 und 1955 erschienen sind, nach inhaltlich-sachlichen Kriterien. Die Systematik umfasst über 225.000 Systemstellen. Über seine eigentliche Katalogfunktion hinaus dient er als fachbibliographisches Nachweisinstrument von universaler Bedeutung.
Der ARK wurde im Rahmen eines aufwändigen Projekts vollständig aufbereitet, elektronisch erfasst und die Online-Systematik steht frei im Internet zur Verfügung. Derzeit werden über 2,4 Millionen Titel angezeigt. An der Vervollständigung der Anzeige der Titel, die zu einer Systemstelle gehören, wird noch gearbeitet.
Eine Suche mit dem Namen Marx, Karl ergibt 9 Treffer aus 7 Fachbereichen. Bei den Treffern aus dem Bereichen Medizin und Kunst handelt es sich nicht um „unseren“ Karl Marx, sondern den Göttinger Medizinprofessor und Kunstsammler Karl Friedrich Heinrich Marx.
Schaut man sich aber die anderen Treffer genauer an, dann hält die echte Marxliteratur folgende Auswahl bereit:
Mit der deutschen Teilung nach 1945 gehen auch die Sachkataloge in der Deutschen Staatsbibliothek (DDR) und der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (BRD/Westberlin) eigene Wege.
Der Neue Systematischer Katalog (NSyKa) verzeichnet Bücher, Schriftenreihen, Zeitschriften der Erwerbungen der Deutschen Staatsbibliothek für die Erscheinungsjahre 1956 bis einschließlich 1990. Dabei handelt es sich um einen Zettelkatalog, der derzeit im Haus Potsdamer Straße aufgestellt ist. Die Systematik des NSyKa ist nicht online verfügbar, so dass dieser Sachkatalog konventionell genutzt werden muss.
Die Recherche im NSyKa zu Material von und über Marx ist auf verschiedene Art und Weise möglich. Z.B. hält er eine eigene Fachgruppe (alphabetisch sortiert) „Marxismus“ bereit (Notaion: „ML“) die in 11 Buchstabengruppen unterteilt ist. Hier finden sich Bereiche wie:
Darüber hinaus bietet sich ein Einstieg über das Schlagwortregister an:
Der Neue Sachkatalog (NSK) hingegen erschließt sachlich die Erwerbungen der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz von 1945 bis 1999. Dieser nach der Methode Eppelsheimer erstellte Sachkatalog verbindet Elemente des Systematischen Kataloges sowie des Schlagwortkataloges und unterteilt sich in einen Fachgruppen-, Geographischen (GeoKa) und Biographischen (BioKa) Katalog. Auch dabei handelt es sich um einen in der Potsdamer Straße aufgestellten Zettelkatalog, der allerdings ab 1985 im StaBiKat recherchierbar ist.
Eine eigene Fachgruppe „Marxismus“ hält der NSK nicht bereit. Jedoch findet sich z.B. in der Fachgruppe Philosophie (Phi), der Buchstaben A (Allgemeines) und der Zifferngruppe 600 der Bereich Dialektischer Materialismus, Marxismus oder in der Fachgruppe Wirtschaftswissenschaften (Wir), der Buchstabengruppe A (Allgemeines, Volkswirtschaft) und der Zifferngruppe 2000 der Bereich Marxistische Wirtschaftstheorie.
Etwas unkomplizierter ist der Einstieg zu Marx mit dem NSK über den BioKa oder das Schlagwortregister:
Selbstverständlich können Sie von und über Marx auch über den Onlinekatalog der Staatsbibliothek zu Berlin (StaBiKat) und unserem Discoverysytem (stabikat+) finden. In beiden Systemen sind unterschiedliche sachliche Suchen zu und über Karl Marx möglich. Für den Stabikat erhalten Sie entsprechende Ergebnislisten oder Suchbeispiele für Politik, Philosophie und Wirtschaft im Abschnitt Aus den Fachreferaten.
Nachfolgend erhalten Sie kurze Tipps und Hinweise zur Marx-Quellen aus den Fachreferaten Politik, Philosophie und Wirtschaft der Staatsbibliothek zu Berlin.
„Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.“ (Marx/Engels, Manifest der kommunistischen Partei, 1848)
Marx ist immer noch oder vielmehr wieder aktuell: Grund dafür ist nicht sein 200-Jähriger Geburtstag, sondern eher die wirtschaftliche Entwicklung des 21. Jahrhunderts, die zu einer Suche nach neuen politischen Antworten führt. Ansätze dafür werden oft in den Werken von Karl Marx gesucht.
Das zeigt ein Blick auf die Neuerscheinungen der letzten Zeit und der Neuzugänge in der Staatsbibliothek, in denen Themen wie zunehmende Kapitalakkumulation und eine neue Entfremdung von der Arbeit aufgegriffen werden.
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Marx sieht heute anders aus als noch vor 30 Jahren in den von DDR – Partei- bzw. Staatsorganen herausgegeben Marxforschungs – Publikationen.
Die Staatsbibliothek zu Berlin beherbergt aufgrund ihrer Geschichte als Pflichtexemplarbibliothek der DDR alle Originalausgaben dieser Werke.
Zu den wichtigsten gehören die Bände des Marx-Engels-Jahrbuchs, herausgegeben von 1978-1989 u.a. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands.
Die im Marx-Engels-Jahrbuch enthaltenen wissenschaftlichen Aufsätze setzen sich mit den Werken der beiden Denker auseinander. Sie sind hier frei abrufbar.
Neuere Bände der gleichnamigen Folgepublikation (2003- ) werden von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung herausgegeben. Sie soll der wissenschaftlichen Marx-Debatte ein akademisches Forum schaffen und zur intellektuellen Erschließung des Werkes der beiden Autoren beitragen. Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften hat sie frei zugänglich gemacht.
Dazwischen lagen die ebenfalls von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung herausgegeben und im Lesesaal der Staatsbibliothek nutzbaren „MEGA-Studien“, die sich akademisch mit den Quellen auseinandersetzten.
Im Bestand er SBB finden Sie aber auch weniger verbreitete Publikationen des ZK der SED, wie die Vorlesungen und Schriften der Parteihochschule „Karl Marx“ beim ZK d. SED, darunter etwa: „Aktuelle Fragen der marxistisch-leninistischen Reproduktionstheorie“ von 1985 oder Konferenzschriften, z.B. der Tagungsband „Karl Marx und unsere Zeit – der Kampf um Frieden und sozialen Fortschritt“ von 1983.
Hier finden sie alle politischen bzw. politikwissenschaftlichen Schriften von und über Marx (im Stabikat).
Der Philosoph Étienne Balibar schrieb 1996: „Es gibt keine marxistische Philosophie und wird es auch nie geben; andererseits ist Marx für die Philosophie wichtiger als je zuvor.“ (Étienne Balibar, 1993. La philosophie de Marx, La Découverte, Repères, English edition, The Philosophy of Marx. Verso, 1995).
Die Existenz einer marxistischen Philosophie ist umstritten. Karl Marx ist weniger als Philosoph, denn als Revolutionär bekannt. Aber: Es ist „der Philosoph, in dessen Hirn die Revolution beginnt“ (Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. 1844. In: MEW, Bd. 1, S. 385).
Ausgebildet als Philosoph wandte sich Marx von der Mitte der zwanziger Jahre in Richtung Wirtschaft und Politik ab. Doch es ist die Philosophie, die Marx lehrt, Kategorien zu hinterfragen und ihm damit den Weg weist zu einer besonderen Form der Ökonomiekritik.
Es wird oft übersehen, dass seine (früheren) philosophischen Arbeiten ohne das Verständnis der (späteren) ökonomischen Schriften nicht möglich ist – und umgekehrt. Auch seine späteren Schriften haben neben seiner offen philosophischen Früharbeit viele Berührungspunkte mit zeitgenössischen philosophischen Debatten, insbesondere in der Geschichtsphilosophie und den Sozialwissenschaften, sowie in der moralischen und politischen Philosophie.
Lesenswert ist in diesem Zusammenhang der Beitrag über Karl Marx in der Stanford Encyclopedia of Philosophy.
Für eine Suche nach Literatur von und über Karl Marx im Bereich Philosophie können Sie folgenden Suchstring im StaBiKat benutzen: XBKL 08.? AND XPRS marx, karl?
Weiterhin können die folgenden frei zugängliche Quellen und Materialien zu Marx als Philosoph empfohlen werden:
„Aller Mehrwert, in welcher besondern Gestalt von Profit, Zins, Rente usw. er sich später kristallisiere, ist seiner Substanz nach Materiatur unbezahlter Arbeitszeit.“ (Das Kapital. Band I. MEW 23, S. 556)
So unterschiedlich die Lesarten des Hauptwerkes von Marx auch sind, wird man nicht bestreiten können, dass Das Kapital die Weltgeschichte und die Entwicklung der Wirtschaftstheorie nachhaltig beeinflusst hat. Mit dem Mauerfall und dem Zusammenbruch des Ostblocks drohten seine Analysen und Thesen zwar obsolet zu werden. Spätestens jedoch mit der Banken- und Finanzkrise waren die Theorien und Kritiken von Marx wieder gefragt. Auch wenn er die aktuellen Entwicklungen nicht voraussehen konnte, werden beispielweise seine Krisentheorien zusehends wieder in Wirtschaftsdebatten einbezogen. Darüber hinaus rufen Themen wie die Gestaltung von Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit oder Automatisierung immer auch den Analytiker Marx auf den Plan, der mithilfe von Quellen und Statistiken nachzeichnete, wie die Arbeitswirklichkeit im 19. Jahrhundert beschaffen war. Dabei bediente er sich intensiv der Tagespresse oder der Lektüre zeitgenössischer Wirtschaftstheoretiker.
Die Auseinandersetzung mit der marxistischen Wirtschaftstheorie ist längst nicht beendet, da sie noch viele ungeklärte Fragen und umstrittene Punkte aufweist, was u.a. anhand der nach wie vor zahlreich erscheinenden Publikation dazu erkennbar ist. Um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Marx gewährleisten zu können, bedarf es des Studiums sowohl der historischen Quellen als auch der modernen Sekundarliteratur, wie sie in breiter Fülle von der Staatsbibliothek zu Berlin (SBB) zur Verfügung gestellt werden. Dabei sei nicht nur an den Hauptbestand der SBB gedacht, sondern auch ihre Zeitungsabteilung oder die Abteilung Historische Drucke bieten umfangreiches Material für die Beschäftigung mit Marx‘ politischer Ökonomie und ihrer Rezeption.
Auch für den Bereich Wirtschaft ist eine sachliche Suche im StaBiKat zu Marx mit der Suchanfrage XTHM Marx? AND XBKL (83.? OR 85.?) möglich. Sollten Sie eher ausschließlich Interesse an Literatur zu Marx und sozialistisch/kommunistischer Wirtschaftslehre haben, bietet sich der String XTHM Marx? AND XBKL 83.22 an.
Im Rahmen der digitalen Marx-Engels-Gesamtausgabe, herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, können Sie sich auf ökonomische Texte von Karl Marx konzentrieren.
Die Kinder- und Jugendbuchabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin hat eine virtuelle Ausstellung zum Thema „Karl Marx – Leben, Werk und zeitgenössische Kinderbücher“ veröffentlicht.
Darüber hinaus wird es zum Karl-Marx-Jubiläum verschiedene Veranstaltungen geben, die Sie zeitnah zum Termin unserem Veranstaltungskalender entnehmen können.
Ein kleines Gedicht über Karl Marx:
FREISPRUCH FÜR KARL MARX
Karl Marx war im Grunde kein Marxist;
Er erkannte die Übel seiner Zeit,
Sah der Arbeiter unsägliches Leid;
Da müsste aufbegehren jeder Christ.
Das System zeigte sein hässlich‘ Gesicht;
Lohnarbeit war nur Ausbeutung und Qual,
Selbst Kinder gingen durch das Jammertal.
Sah man dieses schreiende Unrecht nicht?
Marx betrieb Kapitalismuskritik,
Akribisch Gesellschaftsanalyse;
Wollte die Arbeiter führen zum Licht.
Für der Anhänger krude Politik,
Roten Terror und dunkle Verliese
Trägt der Philosoph Verantwortung nicht.
Rainer Kirmse , Altenburg
Mit freundlichen Grüßen