Strich und Faden. Zur Übergängigkeit von textilen Operationen und Linien in Handschriften der Frühen Neuzeit
Virtuelles Werkstattgespräch mit Univ.-Prof. Dr. Helga Lutz (Universität Bielefeld)
Kontakt: Dr. Christian Mathieu
Strich und Faden haben, so könnte man meinen, nicht viel miteinander zu tun. Gehört ersteres doch klarerweise zur Ordnung der Zeichen, letzteres hingegen zur Ordnung der Dinge. Die Geschichte der Buchmalerei im 15. Jahrhundert lehrt demgegenüber, wie eng Faden und Linie, das Nähen und das Zeichnen, das Knoten und das Schreiben miteinander verwoben sein konnten. Genau dort, wo im Medium Buch textile Mimikry betrieben wird, wo sich die Transformation der Linie in einen Faden vollzieht, deutet sich eine Überschreitung der ästhetischen Grenze an. Mimesis wird als intermediale, an Material und Techniken gebundene Praxis sichtbar, die aus dem Vollzug einer Operationskette emergiert, deren Elemente miteinander rückgekoppelt sind und die auf diese Weise Nachahmung, Technik, Material und Interpretation über ihre jeweiligen Grenzen hinaustreibt. An Trompe L´OEil-Phänomenen in der burgundischen Buchkunst des 15. Jahrhunderts kann der Prozess beobachtet werden, in dem die Buchseite beginnt – unter dem Druck der Tafelmalerei einerseits und dem des Buchdrucks andererseits – ihre Materialität als flaches, blätterbares Medium zu reflektieren und diese Materialität als Medialität zu thematisieren.
Eine Veranstaltung der Reihe Die Materialität von Schriftlichkeit – Bibliothek und Forschung im Dialog
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