Poesie am Abend

Lyriklesungen in der Staatsbibliothek zu Berlin zum Anlass der Lyrik-Empfehlungen 2020

Hand aufs Herz: Wann haben Sie zuletzt ein Gedicht gelesen? Können Sie noch eines auswendig? Vielleicht ist es Zeit, sich wieder mit Poesie zu beschäftigen.

Diese Frage, die zugleich eine Aufforderung ist, stellte Ihnen die 10-köpfige Fachjury zum Welttag der Poesie am 21. März. Wir finden, die diesjährigen Lyrik-Empfehlungen sind ein hervorragender Anlass, sich wieder mit Poesie zu beschäftigen. Beim Lesen der empfohlenen Bände kann man sich ganz der Schönheit der Sprache widmen. Die Lyrik-Bände bieten dabei einen beeindruckenden Strauß etablierter und neuer Dichter*innen. Auf der Liste stehen erwartungsgemäß vergleichsweise vielbeachtete Neuerscheinungen wie Karin Fellners eins: zum andern, Gerhard Falkners Schorfheide oder die Anthologie der Künstlerin Etel Adnan (aus dem Englischen übersetzt). Auch Arne Rautenbergs neuer Gedichtband permafrost ist von der Jury ausgewählt worden:

man lebt nur einmal
hörte ich die gottesfürchtige sagen
(und musste lachen)

später studierte ich sebastian brants narrenschiff
und dachte: was sind dichter in letzter konsequenz
anderes als der unterhaltung dienende narren?

Die Berliner Trilogie von Aras Ören, die in den 70er-Jahren entstand, liegt nun in Übersetzung vor und bietet – falls Sie im März mit anderen Dingen beschäftigt gewesen sein sollten – unter anderem einen Blick auf das frühlingshafte Berlin:

Sonne und Frühling
sind ein Clown,
der für ein paar Stunden oder Tage
über der Stadt steht
und sie mit seinem riesigen Mund
zum Lachen bringt.

Auch die Übersetzung des preisgekrönten Bands Red Doc> der Kanadierin Anne Carson (zusammen mit der Autobiography in Red) wurde von der Jury ausgewählt. Nach ihrem fulminanten Debüt mit halb taube, halb pfau (2016) durfte Maren Kames‘ zweiter Gedichtband Luna Luna nicht auf der Liste der diesjährigen Lyrik-Empfehlungen fehlen. „Rasant, rasend und atemlos“ wird das Buch im Klappentext beschrieben, die FAZ sah ein „riskantes lyrisches Experiment“ und attestiert Kames „eine neue Sprache des Gefühls“:

in meinen gloriöseren tagen bin ich ziemlich
lunar gewesen°
und wahnsinnig rastlos,
in den gliedern krachend und griffig,
im wipfel wild,
es rauschte,
ich genoss
und litt
zeitgleich,
immerzu

Faszinierende Erst- oder Zweitlingswerke bieten die Empfehlungen mit der Hohlhandmusikalität von Georg Leß und Collective Amnesia (englisch mit deutscher Übersetzung) des südafrikanischen Shootingstars Koleka Putuma:

you will say that this is not a poem
and I will say that you are right:
it is not.

it is a lifeline.
Koleka Putuma: Kollektive Amnesie

Insgesamt zwanzig Gedichtbände sind zu entdecken und warten darauf, von Ihnen durchblättert und gelesen zu werden. Dabei sollte man es mit Don Paterson beziehungsweise Ulrike Draesner halten:

Poeme muss man langsam lesen
Achtsam, auf der Hut,
Und was niemals drin gewesen
überrascht dich, eine Flut
Don Paterson: Elf Maximen aus dem Brevier des schlechten Humors,
Nachdichtung von Ulrike Draesner
Erschienen in: Ein neuer Divan. Ein lyrischer Dialog zwischen Ost und West

Poesie am Abend: Lyriklesungen mit Maren Kames und Arne Rautenberg

 

Wir freuen uns, dass wir Ihnen im Zusammenhang mit den Lyrik-Empfehlungen ein ganz besonderes Angebot machen können, wenn Sie sich nach einem arbeitsreichen Tag der Lyrik und damit den schönen Dingen des Lebens widmen möchten. Die empfohlenen und mehrfach preisgekrönten Lyriker*innen Maren Kames und Arne Rautenberg werden zu einer Lesung in die Staatsbibliothek kommen. Am 18. November (Maren Kames) und am 3. Dezember (Arne Rautenberg) können Sie um 20 Uhr für ungefähr eine Stunde den beiden Autor*innen beim Vortrag ihrer Werke zuhören. Wir laden Sie ganz herzlich zu den beiden Abendveranstaltungen ein und freuen uns auf zwei Abende voller Poesie.

Die Veranstaltung wird in Kooperation mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung durchgeführt.

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