Passzwang. Eine Archäologie fotografischer Praktiken
Werkstattgespräch mit PD Dr. Britta Lange (Kulturwissenschaft, HU Berlin)
Fachliche Betreuung: Barbara Heindl
Zu Beginn des Ersten Weltkriegs benötigen Bürger*innen des Deutschen Reiches nur für Grenzübertritte einen Ausweis mit Foto. Personen aus den ab 1915 eroberten und besetzten Gebieten sind dagegen verpflichtet, sich einen Pass mit Lichtbild ausstellen zu lassen. Mit diesem „Passzwang“ begründet die deutsche Regierung den Anfang der massenhaften Passfotografie in Deutschland und schafft einen Mechanismus der Kontrolle über die unterworfenen Bevölkerungsgruppen, der mit spezifischen fotografischen Praktiken einhergeht: Aus Gruppenfotografien nummerierter Individuen werden Einzelbilder ausgeschnitten und für die Registrierung genutzt. Was häufig als Verbrecherfotografie wahrgenommen wird, ruft auch Widerstand hervor, dessen Spuren in künstlerischen Werken sichtbar sind.
PD Dr. Britta Lange ist Kulturwissenschaftlerin an der HU Berlin und habilitierte sich mit einer Arbeit über wissenschaftliche (Ton-)Aufzeichnungen in Kriegsgefangenenlagern des Deutschen Reiches. Sie beschäftigt sich unter anderem mit Konzepten des Sammelns und Ausstellens sowie mit kolonialen und postkolonialen Konstellationen. Ihr aktuelles Buch „Gefangene Stimmen. Tonaufnahmen von Kriegsgefangenen aus dem Lautarchiv 1915-1918“ erscheint im kadmos-Verlag.