Vor Weihnachten noch eben schnell die Welt retten? Gedanken zum Umgang mit Webressourcen anlässlich der UN-Klimakonferenz
2015 war das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, und in Paris tagte vor Kurzem die UN-Klimakonferenz. Natürlich berichteten die Medien ausführlich, aber wie findet man in der „Informationsflut“ online weitergehende, verlässliche, aktuelle Informationen? Dieser Post empfiehlt die Nutzung redaktionell betreuter Internet-Angebote anstelle wiederholter Suchmaschinen-Nutzung und weist darauf hin, dass mittlerweile auch viele Wissenschaftler*innen bloggen.
Anthropogener Klimawandel und Weltklimakonferenz
Der anthropogene (vom Menschen verursachte) Klimawandel hat nachweislich bereits begonnen. Das abgelaufene Jahr hat höchstwahrscheinlich den bisherigen Temperaturrekord aus 2014 eingestellt und war wohl das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Dies ist kein Ausreißer, sondern Teil des Trends: 2011-2015 war die wärmste Fünfjahresperiode. Vor diesem Hintergrund fand in den vergangenen zwei Wochen in Le Bourget bei Paris die 21. UN-Klimakonferenz statt. Dort ist nun gelungen, was 2009 in Kopenhagen scheiterte, nämlich die Verabschiedung einer umfassenden Nachfolgeregelung für das Kyoto-Protokoll.
Das neue Abkommen soll die Bedingungen dafür schaffen, die anthropogene Erderwärmung so zu begrenzen, dass die Folgen weitgehend beherrschbar bleiben. Erklärtes Ziel ist es, die zwei Grad-Marke unbedingt einzuhalten und wenn möglich unter der 1,5°-Marke zu bleiben. Das heißt, die Treibhausgasemissionen sollen so stark und so rechtzeitig gesenkt werden, dass die Erderwärmung auf im Mittel eineinhalb beziehungsweise zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter beschränkt bleibt. Ob das noch möglich ist und ob die Instrumente, über die in Paris verhandelt wurde, geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen, bleibt jedoch umstritten.
Webressourcen zu aktuellen, gesellschaftlich relevanten Wissenschaftsthemen
Wie zu allen gesellschaftlich relevanten wissenschaftlichen Themen finden Sie auch zum anthropogenen Klimawandel viele Informationen auf allen Kanälen – am einfachsten natürlich im Internet, sowohl auf klassischen Websites als auch im so genannten „Web 2.0“. Zudem war der UN-Klimagipfel ein Großereignis, das von einer nahezu unüberschaubaren Zahl von Artikeln, Beiträgen, Blog-Posts und Tweets begleitet wurde. Eine solche Situation konfrontiert Sie als kritische Leserin, als kritischer Leser mit zwei Fragen: Wie finden Sie in der Menge der verfügbaren Informationen in kurzer Zeit diejenigen, die für Sie relevant sind? Und: Wie können Sie die Verlässlichkeit einer Quelle beurteilen? Diese zweite Frage stellt sich beim Thema Erderwärmung in besonderer Weise. Sie müssen nicht nur (wie immer im Internet) mit Gerüchten, unzureichend recherchierten Fakten sowie schlechter Trennung zwischen gesichertem Wissen, begründeten Vermutungen und Meinungsäußerung rechnen, sondern leider auch mit zum Teil bewusst lancierten Fehlinformationen, selbst auf den Seiten scheinbar seriöser Wissenschaftler.
In diesem Blog-Post möchten wir keinen allgemeinen Überblick über Strategien zum Management der „Informationsflut“ oder zu Kriterien zur Beurteilung von Webressourcen geben. Stattdessen möchten wir in diesem Fall einmal eine Strategie empfehlen, die in solchen Überblicken oft gar nicht erwähnt wird: search less, read more! Managen und beurteilen Sie nicht alles selbst, sondern lassen Sie managen und beurteilen und nutzen Sie die gewonnene Zeit zum Lesen.
Online-Magazine und Aggregatoren
Für den täglichen Informationsbedarf übernehmen Redaktionen in Zeitungen, Zeitschriften und Sendern diese Aufgabe seit langem. Und zu neuen Themen werden eben neue Zeitschriften und Magazine gegründet, auch wenn diese oft nur noch online erscheinen. Meinungsstarke, aber seriöse Angebote zum Klimawandel in deutscher Sprache sind beispielsweise klimaretter.info, wo Sie vor allem Allgemeines zum Thema sowie Informationen zur Energiewende finden, und klimadiplomatie.de, das auf die internationale Klimapolitik fokussiert.
Solche Online-Versionen klassischer Angebote des Qualitätsjournalismus werden im Internet durch Aggregatoren-Dienste ergänzt. Aggregatoren stellen in Art einer Presseschau Beiträge aus vielen Quellen zusammen. Neben Nachrichten-Aggregatoren wie Google News oder Yahoo Nachrichten, deren Auswahl in der Regel von Algorithmen gesteuert wird, haben sich auch qualitativ hochwertige, redaktionell betreute Aggregatoren-Dienste für Hintergrund- und Fachinformationen etabliert. Zu den Themen Klimawandel und Klimaschutz können Sie zum Beispiel bei piqd.de den Kanal „Klima und Wandel“ abonnieren und sich von mehreren Fachjournalist*innen, einem Wissenschaftler und einer Politikerin auf dem Laufenden halten lassen. Das Team wählt lesenswerte Blog-Posts, Zeitungsartikel und Aufsätze aus wissenschaftlichen Zeitschriften nicht nur aus, sondern ordnet diese auch kurz ein und sagt Ihnen, warum es Ihre Zeit wert ist, genau diesen Beitrag in voller Länge zu lesen.
Diese Beispiele sind natürlich trotz aller Sorgfalt ein wenig willkürlich. Es gibt auch andere überzeugende Online-Magazine und Aggregatoren. Uns geht es weniger darum, diese konkreten Angebote zu empfehlen, als vielmehr eine Lanze für dafür zu brechen, eventuell seltener in Suchmaschinen direkt nach aktuellen Informationen zu suchen und statt dessen nach redaktionell gut betreuten Angeboten Ausschau zu halten.
Wissenschaftsblogs
Aber wenn Sie sich im Web 2.0 trotzdem direkt von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern informieren lassen wollen, ohne eine zwischengeschaltete Redaktion, ist auch das natürlich möglich. Gerade zum Thema Klimawandel gibt es eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Blogs. Die Klima-Community hat früh begonnen zu bloggen, um Journalist*innen, der breiten Öffentlichkeit, aber auch wissenschaftlichen Kolleg*innen einen einfachen und schnellen Zugang zu fundierten Einschätzungen der öffentlichen Debatte, neuen Daten und aktuellen Fachpublikationen zu ermöglichen. Zu Beginn ging es dabei oft darum, im Internet verbreiteten grob verzerrenden Darstellungen entgegenzutreten. In gewisser Weise ist diese Auseinandersetzung mit den Leugnern des anthropogenen Klimawandels mit verantwortlich für das hohe wissenschaftliche Niveau, die erfreuliche journalistische Qualität und die Meinungsstärke einiger Klima-Blogs, denn bloggende Klimaforscher*innen stehen unter Beobachtung. Sie können sich weder Fehler noch Unklarheit darüber, ob Fakten dargelegt oder Meinungen vertreten werden, leisten: no error goes unpunished.
Das wahrscheinlich bekannteste internationale Blog zur physikalischen Klimaforschung ist realclimate.org – climate science from climate scientists, das von einem Team von zur Zeit acht renommierten Klimaforschern [sic] betreut wird. Neben dem eigentlichen Blog mit Kommentaren und Hintergrundberichten zu aktuellen Entwicklungen bietet realclimate auch eine Mischung aus kommentierter Linkliste und FAQ, ein Verzeichnis widerlegter Behauptungen, sowie eine Google Custom Search ausschließlich auf Webseiten, die qualitativ hochwertige Informationen zum Thema Klimawandel bereitstellen. Unter den deutschsprachigen Blogs zur physikalischen Klimaforschung ist vor allem die Klimalounge des Potsdamer Physikers Stefan Rahmstorf bekannt.
Mittlerweile bloggen jedoch viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, weit über die Klimaforschungs-Community hinaus. Bekannte deutschsprachige Einstiegspunkte für die Suche nach Wissenschaftsblogs aus allen Disziplinen sind beispielsweise ScienceBlogs und Scilogs.
Eines ist jedoch klar: Solche Angebote – ob Online-Journalismus oder Wissenschaftsblog – ersetzen natürlich keine wissenschaftlichen Fachpublikationen. Mehr dazu, welche wissenschaftliche Literatur zum Klimawandel Sie in unserem Bestand finden, erfahren Sie in den nächsten Tagen in einem weiteren Blog-Post.
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