In Erinnerung an Paul S. Ulrich
Ein Beitrag von Michaela Scheibe, Christiane Caemmerer und Friederike Willasch
Mit Paul S. Ulrich (14. Januar 1944 – 29. Oktober 2023) verliert die Stabi einen ihrer langjährigsten ehrenamtlichen Mitarbeiter. Über 13 Jahre unterstützte er uns bei der inhaltlichen Erschließung der Theaterzettelsammlung – zunächst in der Handschriftenabteilung, dann in der Abteilung Historische Drucke und zuletzt in der fusionierten Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Und dank seines ausgeprägten Verständnisses für Datenmodelle und Erschließungsinstrumente blieb er uns und dieser großartigen Sammlung auch über Migrationen und Regelwerksänderungen hinweg treu.
Auf einer Tagung zu ephemeren Sammlungen in Bibliotheken nahm er 2008 Kontakt zu der damals zuständigen Referatsleiterin Christiane Caemmerer auf und bot sich an, nach seiner Pensionierung an der Amerika Gedenkbibliothek seine Expertise in die Erfassung der Theaterzettel der Stabi einzubringen. Der US-Amerikaner Paul S. Ulrich hatte sich bereits in seiner Abschlussarbeit am College im heimatlichen Pennsylvania mit dem deutschsprachigen Theater beschäftigt und verfolgte dieses Forschungsinteresse seitdem ebenso intensiv wie produktiv.
Der ehrenamtlichen Mitarbeit Paul S. Ulrichs ist es zu verdanken, dass wir bei der Erschließung neue und forschungsorientierte Wege gehen konnten. Nicht nur Titel und Autor des gespielten Stückes, Ort, Theater und Zeitpunkt der Aufführung wurden erfasst, sondern auch jeder Schauspieler, jede Sängerin mit ihren Rollen bis hin zur Souffleuse und zum Affendarsteller. Dies ermöglichte endlich Antworten auf interdisziplinäre Fragestellungen nach dem Repertoire von Theatern und allen daran Beteiligten, nach Werbestrategien und Veränderungen in Abläufen von Theaterabenden etc. Ein solcher Ansatz konnte nur gelingen mit einem Kollegen, der die Theaterlandschaft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts besser kannte als seine Westentasche. Er kannte sie alle, die deutschsprachigen Theater und die Darsteller:innen, die oft nur mit ihren Nachnamen genannt und daher kaum zu identifizieren waren, wenn sie von Engagement zu Engagement durch die deutschsprachige Provinz reisten. Paul S. Ulrich stellte uns seine außerordentliche Kompetenz unaufdringlich und zuverlässig zur Verfügung. Dass dieser Erschließungsansatz inzwischen breit diskutiert und in Form von Ereignisnormdaten standardisiert werden soll, hat er noch miterlebt.
Dank seines offenen und uneitlen Umgangs mit den eigenen Forschungsergebnissen werden seine Daten aus jahrzehntelanger Theaterforschung (biographische Daten zu über 80.000 Personen) nun auch in die GND einfließen und damit allen zur Verfügung stehen, ein letztes wichtiges Ergebnis der guten Zusammenarbeit mit dem Team der Stabi.
Paul S. Ulrichs Wirken wird immer auch mit der Theaterzettelsammlung der Stabi verbunden sein.
Er wird uns fehlen!
Zu Paul S. Ulrich siehe auch
- Paul S. Ulrich: Auf Entdeckungsreise in den Theaterzetteln der Staatsbibliothek zu Berlin. In: Bibliotheks-Magazin 2 (2013), S. 56-62.
- Gesellschaft für Theatergeschichte
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