Archiv des Aufbau Verlags: 1,2 Mio Blatt digitalisiert, verfilmt, gesichert und benutzbar

Mit 1,2 Millionen Blatt dokumentiert das Archiv des Aufbau-Verlags einen bedeutenden Teil deutscher Literaturgeschichte der Jahre 1945 bis 1990. Gegründet 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone, nahm der Aufbau Verlag in der DDR schon bald die Rolle des bedeutendsten Verlags für Belletristik ein. Das Wirken und die Entwicklung des Verlags waren stets eng verwoben mit gesellschaftlichen und politischen Geschehnissen in und außerhalb der DDR. Das Verlagsarchiv umfasst Geschäftsdokumente, Korrespondenzen mit in- und ausländischen Autoren, Manuskripte, Gutachten, Schreiben der SED an die Verlagsleitung und anderes Quellenmaterial. Ende der 90er Jahre erhielt die Staatsbibliothek zu Berlin das Archiv als Depositum. Jetzt haben Forscher einen umfassenden und komfortablen Zugang zu den digitalisierten Dokumenten, während die Originale des Archivs sicher aufbewahrt werden.

Die Dokumente des Aufbau Verlags der Jahre 1945 bis 1990 sind sowohl von historischer und wissenschaftlicher als auch von hoher nationaler Bedeutung. Daher engagierten sich das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die Aufbau Verlagsgruppe GmbH, die Firmen MFM Hofmaier GmbH & Co. KG und Mikro-Univers GmbH sowie die Staatsbibliothek zu Berlin für die umfassende Sicherung und Benutzbarkeit der Dokumente: Zunächst wurden alle Blätter des Archivs mit modernster Technik digitalisiert. Ausgehend von den Digitalisaten entstanden Sicherungsfilme, die im Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland im Schwarzwald eingelagert sind. Für die Forschung steht das wertvolle Quellenmaterial in elektronischer Form im Lesesaal der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin bereit. Zugleich können die originalen, oft fragilen Blätter des Archivs im Magazin verbleiben, wo mit 50% Luftfeuchtigkeit und konstanten 18 Grad Celsius konservatorisch beste Bedingungen herrschen.
Finanziert wurde das Gesamtprojekt vom Bund mit 240 Tausend €.


Aufbau Verlag 1945 bis 1990
Sofort nach dem Krieg wandte sich der neu gegründete Verlag der Herausgabe zahlreicher deutscher und ausländischer Klassiker vor 1900 zu; zugleich verlegte er Werke von Autoren, die vor den Nazis ins Exil geflüchtet und nach Ostdeutschland zurückkehrt waren. Später wurden zeitgenössische und experimentelle Literatur der DDR sowie zahlreiche Werke der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts aus 55 Ländern in Lizenz publiziert. Bis 1990 erschienen rund 4.500 Erstauflagen mit 125 Millionen Exemplaren. – Zu den bekanntesten frühen Autoren des Verlags gehörten Johannes R. Becher, Bertolt Brecht, Hans Fallada, Lion Feuchtwanger, Victor Klemperer, Georg Lukacs, Heinrich und Thomas Mann, Anna Seghers, Arnold Zweig; verlegt wurden auch zahlreiche westdeutsche Autoren, darunter Alfred Andersch, Günter Wallraff, Martin Walser, Peter Härtling, auch die Österreicherin Ingeborg Bachmann. Werke bekannter DDR-Autoren, darunter Kurt Bartsch und Reiner Kunze, stießen seit den 70er Jahren immer öfter auf Kritik, die Autoren mussten sich mit Zensur auseinandersetzen; bekannte Autoren wie Sarah Kirsch und Günter Kunert verließen ihr Land nach den Erschütterungen in der Kulturszene der DDR, die die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 auslöste. Ende der 80er Jahre wurde trotz vieler politischer Querelen und nach dem energischen Einschreiten Helene Weigels zusammen mit dem Suhrkamp Verlag die „Große kommentierte Berliner und Frankfurter Brecht-Ausgabe“ textgleich in Ost und West herausgegeben.
Unter den vielen Dokumenten des Archivs befinden sich beispielsweise

  • die Urkundenrolle des Notars Wilhelm Hünnecke zur Gründung der „Aufbau-Verlag GmbH“ vom 17.08.1945,
  • die Druckgenehmigung mit Zensurvermerk der sowjetischen Militäradministration vom 18.08.1945 für das „Manifest des Kulturbundes“, eine der ersten Publikationen des Aufbau-Verlags,
  • das Titelblatt mit den Genehmigungsvermerken aller vier Besatzungsmächte Berlins zur 2. Auflage „Adel im Untergang“ von Ludwig Renn, erschienen im Jahr 1947,
  • der Brief von Bertolt Brecht an Willi Bredel vom 04.02.1951, in welchem Brecht verlangt, dass sein Gedichtband in der Reihe „Bibliothek fortschrittlicher Deutscher Schriftsteller“ im Aufbau-Verlag vom Mitherausgeber Wieland Herzfelde betreut wird,
  • der Brief von Thomas Mann an Walter Janka vom 04.04.1955 im Zusammenhang mit der Herausgabe der Thomas-Mann-Gesamtausgabe durch den Aufbau Verlag,
  • der Brief der Abteilung Kultur im Zentralkomitee der SED vom 27.11.1959 an Verlagsleiter Klaus Gysi mit der Bitte um Aufklärung über die Beschäftigung des „polnischen revisionistischen Literaturkritikers Ranicki“ durch den Aufbau Verlag,
  • der Brief von Günter Kunert an Klaus Gysi vom 30.09.1965, in dem Kunert eine Nachauflage seiner Erzählung „Der ungebetene Gast“ anregt,
  • der Brief von Anna Seghers an den Leiter des Aufbau Verlags vom 10.10.1976 im Zusammenhang mit der für 1977 geplanten Herausgabe ihrer Erzählung „Wiederbegegnung“.

Depositum in der Handschriftenabteilung
Seit Ende der 90er Jahre befindet sich das Archiv als Depositum in der Handschriftenabteilung der Bibliothek, wo es ab dem Jahr 2000 schon von zahlreichen Wissenschaftlern und Studenten benutzt werden konnte. Mit der Digitalisierung jedoch musste so lange gewartet werden, bis die technischen Anforderungen, die sich aus dem hohen Anspruch an das Vorhaben ergaben, zu erfüllen waren. Erforderlich waren Geräte, welche mit vertretbarem Aufwand in hoher Qualität farbige Digitalisate erzeugen, von denen Mikrofilme hergestellt werden können. Zugleich musste garantiert sein, dass die teils äußerst fragilen Dokumente während der maschinellen Bearbeitung mit dem Durchlauf-Scanner nicht beschädigt werden. Von 2004 bis 2006 wurde das Digitalisierungs- und Verfilmungsprojekt durchgeführt. Die Staatsbibliothek wird neben den Originaldokumenten des Aufbau-Verlags jetzt auch das digitale Archiv sowie eine Kopie aller Mikrofilme in ihren Bestand aufnehmen und bereitstellen.
Den Originalen, welche sich in 7004 Mappen befinden, wurden im Zuge der Digitalisierung Signaturen zugeordnet. Die digitalen Schriftstücke sind einzeln am Bildschirm anzuschauen. In einer Datenbank kann nach Personen recherchiert werden, die Ergebnisse führen zu den Mappen, welche dann am Bildschirm durchgeblättert werden. Im Lesesaal der Handschriftenabteilung steht ein eigens für die Benutzung des Aufbau-Archivs eingerichtetes Terminal. 400 Gigabyte umfasst die Datenmenge von AUFBAU-ARCHIV DIGITAL. Um Persönlichkeitsrechte und Urheberrechte einzuhalten, wird das digitalisierte Archiv nicht über das Internet bereitgestellt.
Schutz von Kulturgut
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) nimmt in Deutschland die Aufgaben der Haager Konvention (Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten) wahr. Hierzu gehört neben der Kennzeichnung von unbeweglichen Kulturgütern auch die Sicherungsverfilmung von Archiv- und Bibliotheksgut. Staatliche Bestände, aber auch einzelne private Bestände sofern sie von nationaler Bedeutung sind, werden mit Fördermitteln des Bundes sicherungsverfilmt und im Zentralen Bergungsort, dem Barbara-Stollen in der Nähe von Freiburg, eingelagert.
Die Sicherung des inhaltlich wertvollen Archivs des Aufbau-Verlags hatte für das BBK in technischer Hinsicht eine Pilot-Funktion zum Gewinnen neuer Erkenntnisse über den Umgang mit fragilen Dokumenten, die in besonderen Verfahren gefertigt wurden. So digitalisierten die Firmen MFM Hofmaier GmbH & Co. KG und Mikro-Univers GmbH zum ersten Mal mit einem Durchlauf-Scanner Originale, die im Ormeg-Verfahren hergestellt wurden. Entstanden sind farbige Digitalisate, welche trotz des komplizierten Zustands der Originale eine gute Lesbarkeit erreichen.
Bereits in den Jahre 1999 bis 2002 engagierte sich der Bund, vertreten durch die Vorgängerbehörde des BBK, für die Sicherung bedeutenden Kulturguts in der Staatsbibliothek zu Berlin: Im Zuge der Restaurierung der tintenfraßgeschädigten Bach-Autographe wurde deren Sicherungsverfilmung finanziert.

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