Ein Koloss voller Bilder und Geschichten: Die Bible historiale von 1368

Ein Beitrag von Gabriele Bartz

Bible historiale (Ms. Phill. 1906), Buchrücken und Schnitt vorn

Bible historiale (Ms. Phill. 1906), Buchrücken und Schnitt vorn

Teil 1: Der Text

Eines der schwergewichtigeren Manuskripte, die in der Handschriftenabteilung der Stabi aufbewahrt werden, trägt die Signatur Ms. Phill. 1906, weil es 1887 mit der Sammlung Phillipps in die – noch – königliche Bibliothek gekommen ist. Seine Vorgeschichte ist nur in Bruchstücken rekonstruierbar, so unter anderem, dass es im späten 15. Jahrhundert und bis 1592 von Besitzern aus der Familie Pompadour wie eine Familienbibel benutzt und die Geburten ihrer Kinder auf freien Seiten eingetragen wurden. Vom ursprünglichen Besitzer ist nichts bekannt, der Schreiber aber, der den Text aufs Pergament gesetzt hat, nannte sich drei Mal und – was selten in Handschriften zu finden ist – erwähnte auch das Datum der Fertigstellung: Colin Nouvel hat die Arbeit 1368 abgeschlossen.

Bei dem umfangreichen Manuskript handelt es sich um eine Kurz-Version der Bibel auf Französisch, denn es hat schon vor Luther volkssprachliche Übersetzungen der Bibel gegeben. Die vorliegende hat Guyart des Moulins schon 1291 bis 1295 in einem ersten Schritt verfasst, 1297 lieferte er eine überarbeitete Fassung (in dieser Bibel ist die Datierung auf fol. 8v etwa in der Mitte der ersten Spalte zu lesen). Er nutzte dafür die Historia scholastica des Petrus Comestor oder Pierre le Mangeur, wie er auf Französisch heißt, natürlich die lateinische Vulgata sowie die Antiquitates judaica des Flavius Josephus. Wohl von Anfang an dazu bestimmt, mit Miniaturen versehen zu werden, handelt es sich bei dem so entstandenen Text also um eine Mischung aus Heilsgeschichte, Roman und Geschichtschronik. Der Name, Bible historiale, entstammt dem Text selbst. In unserem Manuskript liest man es z. B. auf fol. 8v vor dem Inhaltsverzeichnis:

Bible historiale (Ms. Phill. 1906), Bl. 8v (Detail)

„Ce livre est appellez la bible historiaux ou histoire li escolastre.“

Insgesamt 144 Exemplare der Bible historiale sind heute noch erhalten, doch gleicht kaum eines dem anderen. Der Erfolg der Gattung hat dazu geführt, dass ständig an dem Text weitergearbeitet wurde, dass mmer mehr Texte hinzu kamen oder auch weggelassen wurden. Bei unserem Exemplar handelt es sich um eine sogenannte Bible historiale completée moyenne, bei der die alttestamentarischen Bücher Chronik, Esdras und Nehemia nicht aufgenommen worden sind. Einen ersten Eindruck des Inhalts vermitteln die dem Text vorangestellten umfangreichen Kapitelverzeichnisse der Handschrift.

Die Handschrift ist von September bis Dezember 2024 im Stabi Kulturwerk zu sehen oder auch online in unseren Digitalisierten Sammlungen zu blättern.

Bible historiale (Ms. Phill. 1906), Bl. 1r-2v (Kapitelverzeichnis)

Literatur:

Eléonore Fournié, « Les manuscrits de la Bible historiale. Présentation et catalogue raisonné d’une œuvre médiévale », L’Atelier du Centre de recherches historiques  03.2 | 2009, mis en ligne le 01 janvier 2010. URL : http://journals.openedition.org/acrh/1408

Dominique Stutzmann und Piotr Tylus, Les manuscrits medievaux francais et occitans de la Preussische Staatsbibliothek et de la Staatsbibliothek zu Berlin – Preussischer Kulturbesitz. – Wiesbaden: Harrassowitz, 2007 (Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz. Kataloge der Handschriftenabteilung: Reihe 1. Handschriften; Bd. 5), S. 244-248.

Weitere Beiträge zum Schreiber sowie zur Bebilderung der Handschrift folgen demnächst.

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