Erste E-Mail in Deutschland und andere Kostbarkeiten retten
Archive und Bibliotheken haben Glück: Sie verwahren unverwechselbare Einzelstücke schriftlicher Überlieferungen. Kostbare Handschriften und Druckwerke, Briefe und Manuskripte, Flugblätter und unikale Plakate – sie alle zählen zu den unersetzbaren Zeugnissen der Vergangenheit.
Den Originalerhalt besonders herausragender Einzelstücke hat die KEK 2015 in den Blick genommen: Insgesamt 39 Modellprojekte werden unter dem Motto „Vergessene Kostbarkeiten“ gefördert. Deutlich führen die KEK-Modellprojekte Reichtum und Vielfalt des schriftlichen Kulturerbes in Archiven und Bibliotheken vor Augen. Gleichzeitig werden die schriftlichen Originale in ihrer Zartheit und Fragilität sichtbar – ein Ruf einzelner Objekte nach Beachtung und Schutz.
Erste E-Mail Deutschlands konserviert: Säurefraß am Originalausdruck gestoppt
„Michael, This is your official welcome to CSNET. We are glad to have you aboard.” – Mit diesen Worten begrüßt Laura Breeden, Mitarbeiterin des CSNET Koordinations- und Informationszentrums am MIT in Boston, am 3. August 1984 ihren Kollegen in Deutschland. Als erste E-Mail, die an einen eigenständigen deutschlandweit verfügbaren E-Mailserver überhaupt gesendet wurde, landete die Nachricht im Postfach von Michael Rotert, Mitarbeiter der Informatik-Rechnerabteilung an der Universität Karlsruhe.
CSNET war als Computer-Netzwerk in den USA entwickelt worden, um vor allem die Kommunikation zwischen den Wissenschaftlern zu erleichtern. Heute wissen wir: Dies war der Beginn einer neuen Ära. Das Stadtarchiv Karlsruhe hat im Jahr 2009 den Originalausdruck dieser ersten E-Mail anlässlich des 25. Jahrestags des E-Mail-Eingangs als Geschenk erhalten. Zwischenzeitlich ist das säurehaltige Papier des Ausdrucks, wie bei vielen vergleichbaren Dokumenten, brüchig geworden; ohne konservatorische Maßnahme würde es irgendwann gänzlich zerfallen.
Die KEK unterstützt über ein Modellprojekt die Sicherung dieses einzigartigen Dokuments und ermöglicht damit weiterhin die Erinnerung an die schon weitgehend vergessenen Anfänge der E-Mail-Kommunikation.
Wissen gesichert: Karte des Reiches von Heinrich restauriert
Das Stadtarchiv Aachen verwahrt die sog. Copso-Karte, ein herausragend detailreiches Kartenwerk zum Gebiet des Aachener Reichs im Jahr 1777. Die Copso-Karte zählt zu den bedeutsamsten Quellen zum Entwicklungsstand der Stadt Aachen als einem der zentralen Knotenpunkte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, denn ein Stadtbrand hatte im Jahr 1656 sämtliche älteren Karten und Akten Aachens vernichtet. Gegenwärtig ist das Einzelstück stark beschädigt, Tuschen und Tinten drohen zu verblassen. Dieser Substanzverlust kann nur durch eine hochspezialisierte Restaurierung gestoppt werden, eine Aufgabe, die nun im Rahmen des KEK-Projekts wahrgenommen wird.
Neben dem physischen Erhalt des Originals wird durch die Förderung auch die Nutzung der Karte wieder ermöglicht: Denn erst nach Bearbeitung der Schäden können die Copso-Karte fachgerecht digitalisiert und damit die Informationen online zugänglich gemacht werden.
Einmaliges Zeugnis der Exilgeschichte bewahrt: Der Koffer des Schriftstellers Walter Meckauer (1889-1966)
Walter Meckauer war ein Sammler: Behutsam trug er Geschichten, Beobachtungen, Berichte, Eindrücke und Erlebnisse zusammen. Er verarbeitete sie in seinen Kurzgeschichten, die er in einem geräumigen Koffer verwahrte. Damit schuf der Schriftsteller ein besonderes Archiv, eine Inspirations- und Verdienstquelle zugleich. Als Meckauer nach der nationalsozialistischen Machtübernahme emigrieren musste, war ihm der Koffer eine Zuflucht: Er begleitete ihn auf seinen Exil-Stationen durch die Schweiz, Italien, Frankreich, wiederum Schweiz und schließlich nach Amerika. In den 50er Jahren kehrte Meckauer mit seinem Koffer wieder nach Deutschland zurück, seine letzten Lebensjahre verbrachte er in München.
Seit 2014 wird das geschichtsträchtige Gepäcksstück im Deutschen Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek verwahrt. Die Reise hat den Koffer wie auch die Manuskript-Sammlung stark beansprucht, das Papier ist zudem säurehaltig, vergilbt und brüchig.
Im Rahmen des KEK-Modellprojekts wird das Ensemble umfassend konservatorisch behandelt – und damit dieses herausragende Dokument der Geschichte eines exilierten Künstlers gesichert.
Auch folgende Originale werden 2015 über Konservierung und Restaurierung gesichert (Auswahl):
- Bautzen, Stadtarchiv: 28-bändige handschriftliche Chronik des Christian Gottlieb Platz, eine Bautzener Stadtchronik für die Jahre 958-1713 (Entstehung 1692-1727)
- Görlitz, Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften: Zwei Handschriften mit Abschriften der Briefe des Jacob-Böhme-Herausgebers Johann Wilhelm Überfeld aus den Jahren 1741 und 1744
- Gotha, Stiftung Schloss Friedenstein: Die historischen Inventare der Friedensteinischen Sammlungen § Halle, Freundeskreis der Marienbibliothek zu Halle e.V.: Astronomisch-astrologische Kleinschriften aus dem späten 16. und frühen 17. Jahrhundert
- Magdeburg, Stadtarchiv: Dokumente aus der Zeit des Neuen Bauens der 1920er Jahre § München, Bayerische Staatsbibliothek: Eine illuminierten persische Schahname-Handschrift des 16. Jahrhunderts aus der Orientalia-Sammlung
- Neubrandenburg, Literaturzentrum Neubrandenburg e.V.: Manuskripte und Rezensionen aus dem Nachlass von Hans Fallada
- Nürnberg, Stadtarchiv: Zwei Urkunden-Rotuli aus den Jahren 1389 und 1409
- Potsdam, Universitätsbibliothek Potsdam: Jemenitische Handschriften – Hebräische, judenarabische und judenpersische Manuskripte in hebräischer Schrift
Die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK)
wurde im August 2011 auf Initiative des damaligen Kulturstaatsministers Bernd Neumann gemeinsam von Bund und Ländern an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eingerichtet und bei der Staatsbibliothek zu Berlin angesiedelt. Die KEK wird aus dem Haushalt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) mit jährlich 500.000 Euro gefördert. Die Länder beteiligen sich über die Kulturstiftung der Länder (KSL) mit weiteren 100.000 Euro pro Jahr.
Unter der Leitung von Dr. Ursula Hartwieg widmet sie sich seitdem Fragen zur Sicherung des schriftlich überlieferten Kulturerbes in Archiven, Bibliotheken, Museen und anderen Institutionen. Insgesamt wurden über die KEK bisher rund 190 Modellprojekte unterstützt und hierfür vom Bund und der Kulturstiftung der Länder mehr als 2,4 Millionen Euro bereitgestellt.
Pressekontakt
Sonja Annette Lehmann
Tel.: 030 266 43 1453
sonja.lehmann@sbb.spk-berlin.de Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK)
an der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
Unter den Linden 8
10117 Berlin
www.kek-spk.de
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