Kriegsbedingt verschollener Atlas in die Staatsbibliothek zu Berlin zurückgekehrt
Vor wenigen Tagen erhielt die Staatsbibliothek zu Berlin einen Atlas aus dem 17.
Jahrhundert zurück, der kürzlich im Archiv des französischen Außenministeriums aufgefunden worden war. Der Leiter des Archivs, Jean Mendelson, übergab dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, das Werk im Rahmen einer Feierstunde in der Französischen Botschaft anlässlich der Verleihung der Insignien eines Ritters für Kunst und Literatur an Barbara Schneider-Kempf, die Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin.
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, betonte: „Ich freue mich sehr, dass dieser prächtige Band nun wieder in den Besitz der Staatsbibliothek zurückgekehrt ist. Sein Auftauchen zeigt, dass immer noch verschollene Bestände sowohl von Museen als auch Bibliotheken gefunden werden können. Wir werden uns weiterhin bemühen, sowohl eigene verschollene Werke wiederzugewinnen als auch die vorhandenen Bestände auf Fremdbesitz hin zu prüfen und diesen den rechtmäßigen Eigentümern zurückzugeben, wie es das Archiv des Außenministeriums nun getan hat.“
Der Band ist der fünfte des insgesamt 12 Bände umfassenden Atlaswerks „Le Grand Atlas Ou Cismographie Blaviane, en laquelle est Exactement Descrite La Terre, La Mer et le Ciel“ (Amsterdam, 1667), das während des Zweiten Weltkriegs zu seinem Schutz verlagert worden war. Die restlichen Bände (1 – 4 und 6 – 12) befinden sich heute in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau. Der Verbleib des nun aufgetauchten Band 5, der England zum Thema hat, war bisher unbekannt. Wie er in das französische Archiv gelangte, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Er wurde im Rahmen der Zusammenführung von Beständen mehrerer Standorte des Archivs gefunden und anhand der Besitzstempel der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts identifiziert.
Der „Atlas Maior“ des Verlagshauses Jean Blaeu ist ein monumentales Zeugnis des Goldenen Zeitalters der barocken niederländischen Kartographie. Er war ein gigantisches Editionsunternehmen, da er nicht nur in einer französischen, sondern auch einer niederländischen und einer lateinischen Ausgabe erschien und zudem weit mehr ist als ein reines Kartenwerk. Seine zwölf Bände enthalten neben zahlreichen Karten auch umfangreiche Texte zur Geographie und Geschichte der dargestellten Länder und Provinzen. Alle Karten sind als Kupferstich gedruckt und von Hand koloriert. Jede Ausgabe des Atlas Maior ist, nicht nur deshalb, individuell gestaltet.
In der Staatsbibliothek zu Berlin ist ein direkter Vergleich verschiedener Exemplare möglich: Neben dem zurückgekehrten Einzelband ist auch jeweils eine komplette Ausgabe in Französisch, Niederländisch und Lateinisch vorhanden, ebenso wie zwei Faksimiles des Atlas aus anderen Bibliotheken. Der zurückgekehrte Band enthält mehr Karten als Band 5 der bereits vorhandenen vollständigen französischen Ausgabe.
Die Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin gilt als kartographisches Dokumentationszentrum der Bundesrepublik Deutschland. In ihren zwei Speziallesesälen können über eine Million Karten, 32.400 Atlanten, 500 Globen, 154.000 topographische Ansichten und 2.500 kartographische CD-ROMs sowie Fachliteratur aus und über alle Regionen der Erde und des Weltraums benutzt werden. Die Bestände aus der Zeit zwischen 1500 und 1939 mit etwa 450 000 Einheiten (im Haus Unter den Linden) gehören aufgrund des hohen Anteils handgezeichneter Karten des 18. und 19. Jahrhunderts zu den bedeutendsten weltweit.
Anlässlich ihres 150-jährigen Jubiläums zeigt die Kartenabteilung derzeit in der Ausstellung „Belle Vue auf die Welt“ einige kartographische Schätze von besonderer Qualität. Darunter ist mit dem Atlas des Großen Kurfürsten (1663) ein Werk, das aus derselben Zeit und demselben Verlagshaus stammt wie der zurückgekehrte Band. Nach ihrer ersten Station im Amtssitz des Bundespräsidenten ist die Ausstellung nun noch bis 20. Februar im Haus Potsdamer Straße der Staatsbibliothek zugänglich.
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