Zwei sensationelle Erwerbungen

Nur selten gelingen innerhalb kurzer Zeit zwei so bedeutende Erwerbungen wie diese: Die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz kaufte die mit 60 lavierten Federzeichnungen prachtvoll ausgestattete, um 1555 fertiggestellte Kriegsordnung des Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Ansbach (auch A. d. Ältere) sowie eine mittelalterliche Handschrift mit Minnereden, Fabeln und Mären, deren einzelne Teile im Lauf des 15./frühen 16. Jh. entstanden. Während erstere ein der Forschung bislang unbekanntes Dokument preußischer Geschichte ist, galt letztere viele Jahrzehnte als verschollen. Bis vor kurzem waren beide Handschriften in Privatbesitz. Ende letzten Jahres konnten sie über den Antiquariatshandel bzw. während einer Auktion in London erworben werden. Sie fügen sich ein in den wertvollen Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin, der sowohl bei mittelalterlichen Handschriften wie auch bei Zeugnissen aller Art zur preußischen Geschichte seit Jahrhunderten Schwerpunkte setzt.
Die Kriegsordnung mit der Signatur Ms. boruss. fol. 1254 wurde mit Mitteln der Kulturstiftung der Länder, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie der Ernst von Siemens Kunststiftung erworben, letztere ist damit Miteigentümer geworden. Die Handschrift ist eine der wenigen überlieferten, die in Preußen im 16. Jahrhundert hochwertig illuminiert wurden.
Entstanden ist die großformatige Handschrift unter der Aufsicht von Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1490-1568). Vermutlich war sie aufgrund ihres höchst sensiblen Inhalts zu Organisation und Ausstattung des Militärs nur wenigen Personen je bekannt – beides wird mit farbenprächtigen Bildern und Texten auf 381 Blättern ausführlich dargelegt. Die Untersuchung der jetzt öffentlich zugänglichen Handschrift kann zahlreiche Zweige der Wissenschaften bereichern, von der Militärgeschichte über diverse Richtungen der Kunst- und Kulturgeschichte bis hin zur weiteren Erforschung Preußens und seiner militärischen, ökonomischen und politischen Aspekte.
Neue wissenschaftliche Fragestellungen werden sich aus dem Vergleich mit den zwei bereits in Berlin bzw. in London vorhandenen Handschriften ergeben, die aus derselben Quelle stammen und gleichen Inhalts sind: So gehört der Staatsbibliothek zu Berlin vermutlich schon seit ihrer Gründung vor 350 Jahren eine andere, ebenfalls „Kriegsordnung“ genannte Handschrift von Albrecht von Brandenburg-Ansbach; auch diese wurde um 1555 verfasst, ist unter der Signatur Ms. boruss. fol. 441 verzeichnet und steht in enger Verbindung zu der jetzt erworbenen Handschrift. Diese seit langem in den Berliner Beständen bekannte Kriegsordnung befasst sich vor allem mit Schlacht- und Angriffsordnungen; im Frühjahr diesen Jahres wurde sie über mehrere Wochen in einer Ausstellung im Deutschen Historischen Museum gezeigt.
Die British Library besitzt zu der soeben von der Staatsbibliothek erworbenen Handschrift den komplementären zweiten Teil, verzeichnet als Harley MS 1413: Dass es sich bei dem Berliner Exemplar um Teil 1 und bei dem Londoner Exemplar um Teil 2 derselben Kriegsordnung handelt, stellte sich erst vor kurzem heraus.


Ebenso sensationell ist die Erwerbung einer Sammelhandschrift aus dem Besitz der Grafen von Brandis, welche 80 Jahre lang als verschollen galt und im Jahr 2006 durch Zufall wiederentdeckt wurde. Dank der Unterstützung durch die Bernd H. Breslauer Foundation und erneut die Kulturstiftung der Länder konnte auch dieses wertvolle Zeugnis des Mittelalters erworben werden.
Die deutsche Sammelhandschrift ist ein Dokument alltäglicher mittelalterlicher Unterhaltungsliteratur. Zu jener Zeit wurden an adligen Höfen in geselligen Runden kurze Texte aller Art vorgetragen und kommentiert, zahlreiche Gebrauchsspuren zeugen von ihrer intensiven Nutzung. 85 Blätter mit solchen Texten, die zwischen 1445 und dem Ende des 15. Jh. entstanden und von verschiedenen Schreibern verfasst wurden, sind in dieser Handschrift zusammengebunden. Wein- und Bierreden, bislang unbekannte Klopf-an-Sprüche, bekannte und unbekannte Minnereden, Jagdtraktate, Obszönreden, Mären, Fabeln und Lieder stehen nun der Forschung zur Verfügung.

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