Hinter den Kulissen – zwischen Büchern und Lesern

„Einem Haus eine Bibliothek hinzuzufügen, heißt dem Haus eine Seele zu geben.“
– Marcus Tullius Cicero

Magazin der Staatsbibliothek

„Freiwilliges Soziales Jahr in einer Bibliothek? Ist ja voll langweilig, oder?“ Wie oft wir diese Frage nicht schon gehört haben. Wir – Julia und Anna,
FSJlerinnen des Jahrgangs 2017/18 – können darüber nur lachen. Das FSJ bietet einem die Möglichkeit in die Berufswelt hinein zu schnuppern.
Dabei ist es unsere Aufgabe, in verschiedenen Bereichen zu unterstützen und gleichzeitig bekommen wir einen Einblick in den Berufsalltag. Im Rahmen dieses kulturellen Jahres haben wir die Möglichkeit ein eigenständiges Projekt durchzuführen. Ohne konkrete Idee fuhren wir auf die erste Seminarfahrt, die von der Landesvereinigung für kulturelle Jugendbildung e. V. organisiert wurde und lernten uns dort kennen. Im Gespräch erfuhren wir, dass wir beide in Bibliotheken arbeiten. Schon bald fanden wir heraus, dass Bibliothek nicht gleich Bibliothek bedeuten muss und unsere Einsatzstellen ziemlich unterschiedlich sind. Schon war die Projektidee geboren!  Als wir uns gegenseitig in den Bibliotheken besucht haben, sind uns sofort einige Dinge aufgefallen.

Annas erste Eindrücke:

„Normalerweise arbeite ich in der großen wissenschaftlichen Staatsbibliothek und als ich dann mal wieder eine öffentliche Bibliothek betreten habe, dachte ich nur: „Das ist alles so niedlich hier.“ Zuerst waren wir in der Else-Ury-Bibliothek, einer kleinen Kinderbibliothek. Und wenn ich sage klein, dann meine ich wirklich klein. Überall gibt es bunt illustrierte Kinderbücher und kleine Kuschelecken, es ist richtig gemütlich. So gut wie alle Bücher sind frei zugänglich. Viele Mitarbeiter gibt es auch nicht, es herrscht ein vertrautes, freundschaftliches
Miteinander. Da die Kinder so viel Leben in die Bibliothek bringen, kommt aber auch nicht diese typische Lernatmosphäre auf, die man mit Bibliotheken verbindet. Die meisten Besucher sind Kinder mit ihren Eltern, in den anderen Zweigstellen der Stadtbibliothek, die wir besucht haben, eher Schulkinder und zum Teil auch Erwachsene. Nicht nur die angebotenen Bücher unterscheiden sich, sondern auch die Medien generell. Während man in der Staatsbibliothek neben Büchern vor allem auch elektronische Medien findet, gibt es in der öffentlichen Bibliothek viele Hörbücher, Filme, Brett und Computerspiele und sogar eReader zum Ausleihen.  Auch die Aufgaben in den Bibliotheken unterscheiden sich. In der öffentlichen Bibliothek gibt es viele Veranstaltungen für Kinder, wofür die Bibliotheken unter anderem sogar mit iPads ausgestattet sind.“ 

Kinderabteilung der Zentralbibliothek

Julias erste Eindrücke:

„Bereits als ich die Gebäude der Staatsbibliothek von außen gesehen habe, wusste ich, dass es so einige Unterschiede zu meiner Einsatzstelle gibt. Meine ersten Gedanken waren: „Ist das riesig hier. Ist das riesig hier. Ist das riesig hier!“ Wobei mich das wohl nicht wundern sollte, immerhin besitzt die Staatsbibliothek eine unglaubliche Menge an Medien, die müssen ja irgendwo gelagert werden. Da sieht man dann auch schon einen wesentlichen Unterschied zu der Bibliothek, in der ich mein Freiwilliges Soziales Jahr leiste: Die Staatsbibliothek verfügt über ein sehr großes Magazin. Es macht schon was her, wenn man plötzlich so viele Bücher vor sich hat – für Buchliebhaber also das reinste Paradies, so viel Wissen auf einem Haufen. Wirklich beeindruckt hat mich auch die Atmosphäre, die in einer wissenschaftlichen Bibliothek herrscht und im krassen Gegensatz zu der in einer öffentlichen Bibliothek steht. Was mir auch sofort ins Auge gesprungen ist, waren die Signaturen und die Aufstellung der Medien, die mich auf den ersten Blick etwas überfordert haben. Auch das Arbeitsklima ist hier ganz anders, vor allem, da es hier viel mehr Mitarbeiter und Bereiche gibt.“

Magazin der Staatsbibliothek

Stabi-Lesesaal Potsdamer Straße

Je intensiver wir uns mit der Bibliothek der jeweils Anderen auseinandergesetzt haben, desto bewusster wurden uns die Unterschiede. Der Größenunterschied der Bibliotheken ist natürlich riesig. Wir haben dann die beiden großen Häuser der Staatsbibliothek Unter den Linden und Potsdamer Straße besucht. Beide Standorte befinden sich in denkmalgeschützten Gebäuden. Die Stadtbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg wirkt in ihren Zweigstellen dagegen eher gemütlich. Das spiegelt sich auch in der dort herrschenden Atmosphäre wieder. In den Lesesälen der Stabi haben wir mitbekommen, welch ein ruhiges und konzentriertes Arbeitsklima dort herrscht. Hier findet man vor allem viele Studenten, die für sich alleine arbeiten. In der öffentlichen Bibliothek hingegen tauchen wir in eine sehr lebendige Atmosphäre ein, da man hier auf Familien mit eher jüngeren Kindern trifft, die hier ihre Freizeit verbringen und dabei erste Kontakte mit Büchern knüpfen können. Die Eltern können währenddessen auf ein ebenfalls großes Angebot an Erwachsenenliteratur zurückgreifen.

Stabi-Lesesaal Unter den Linden

Uns fiel auf, dass sich die Literaturangebote in einer wissenschaftlichen und einer öffentlichen Bibliothek generell sehr stark voneinander unterscheiden. Die Staatsbibliothek verfügt über ungefähr elf Millionen Medien von denen jedes nur ein einziges Mal und in seiner Originalsprache vorhanden ist. Außerdem ist die Stabi eine Archivbibliothek, weshalb jedes Medium behalten wird. Da sie teilweise schon zu alt oder wertvoll sind, muss darauf geachtet werden, dass nicht alle Bücher mit nach Hause genommen werden dürfen. Um dem gerecht zu werden, gibt es riesige Magazine und sogar eine hauseigene Buchbinderei. Bei so einer Menge an Büchern besteht die Gefahr schnell den Überblick zu verlieren, weshalb es eine strenge Systematik gibt, nach der die Medien geordnet werden. In der Stadtbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg müssen durchaus auch mal Medien aufgrund von schlechten Ausleihzahlen und Platzmangel aussortiert werden. Auch wenn es weniger Medien gibt, sprechen diese eine breitere Masse an, denn sie sind nicht so fachspezifisch. Das breite Angebot an Filmen, Hörbüchern, Brett- und Computerspiele ist frei zugänglich und ausleihbar und es besteht sogar die Möglichkeit eReader und Tiptoi-Stifte auszuleihen. Des Weiteren trafen wir auf einen großen Unterschied in der technischen Ausstattung.

In der Stadtbücherei und in der Staatsbibliothek findet man elektronische Medien, in der öffentlichen Bibliothek gibt es sogar iPads und Beamer, die Kinderveranstaltungen zur Verfügung stehen. Um sich etwas in den Stadtbibliotheken auszuleihen, kann man die dort vorhandenen Ausleih- und Rückgabeautomaten selbstständig nutzen. In der Stabi sieht das anders aus. Da diese Automaten über die RFID-Tags laufen, gibt es dieses System in der Stabi noch nicht, denn noch nicht alle elf Millionen Bücher konnten bis jetzt mit so einem Tag versehen werden. Daher muss man hier die Medien in der Leihstelle ausleihen und abgeben. Wie wir selbst bemerkt haben, unterscheidet sich dadurch der Nutzerkontakt, denn in der wissenschaftlichen Bibliothek gibt es für Ausleihe, Rückgabe, Anmeldung und Auskunft separate Theken. In der Stadtbibliothek hingegen gibt es eine Servicetheke.

Else-Ury-Bibliothek

Da die Stadtbibliothek zum Verbund der öffentlichen Bibliotheken Berlins (VÖBB) gehört, stellen die meisten Leser dazu Fragen. Um neue Bücher anzuschaffen und zurück an ihre Plätze zu stellen, durchlaufen sie in der Staatsbibliothek viele verschiedene „Stationen“, für die viele Mitarbeiter benötigt werden. In der Stadtbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg gestaltet sich das aufgrund ihrer Größe wesentlich einfacher, sodass die einzelnen „Stationen“ hier zusammengefasst werden können. Abschließend können wir sagen, dass die genannten Unterschiede auch Unterschiede für uns im FSJK bedeuten. Julias hauptsächlicher Aufgabenbereich liegt in der Veranstaltungsarbeit, größtenteils mit Kindern, und bei Anna handelt es sich vor allem um die direkte Arbeit mit wissenschaftlichen Medien. Wir können beide von unserem Freiwilliges Soziales Jahr sagen, dass es Abwechslung bietet, was man bei Anna daran sieht, dass sie in viele verschiedene
Bereiche hineinschauen kann und bei Julia, dass sie so unterschiedliche Zweigstellen besucht. Trotz allem sind uns ebenfalls viele Parallelen zwischen den Bibliothekssystemen einer öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliothek aufgefallen. Im Großen und Ganzen liegt der Unterschied grundlegend im Umfang der Aufgaben und in Bezug auf die genutzten Medien. Unser Projekt hat uns gezeigt, wie breit gefächert man den Begriff Bibliothek sehen kann und was hinter den Kulissen zwischen Büchern und Besuchern so passiert.

Unsere Eindrücke und Erkenntnisse haben wir nicht nur in Form dieses Beitrags festgehalten, sondern auch in Bildern. Diese werden zur Zeit im Cafe der Pablo- Neruda-Bibliothek in Friedrichshain-Kreuzberg ausgestellt.

Text und Bilder: Julia Großer und Anna-Sophie Otto

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