Kirchenslawische Typographie – Vielfalt und Kontinuität
Zum russisch-orthodoxen Weihnachtsfest, das am 7. Januar gefeiert wird, präsentiert die Osteuropa-Abteilung eine kleine Auswahl sakraler Schriften, die einen Eindruck über die Entwicklung der kirchenslawischen Typographie vom 16. bis zum 20. Jahrhundert vermittelt.
Vitrinenpräsentation
Wann?
vom 05. bis 20. Januar 2012
Mo – Fr 9 – 21 Uhr
Sa 9 – 19 Uhr
Wo?
Staatsbibliothek zu Berlin
Foyer des Osteuropa-Lesesaals
im Haus Potsdamer Straße 33
10785 Berlin
Kirchenslawische Typographie – Vielfalt und Kontinuität
Das Kirchenslawische ist die Sprache des sakralen Schrifttums der Slawen, vor allem des orthodoxen Teils dieser Sprachgruppe, die sich durch eine besondere Schrift auszeichnet. Die slawische Philologie unterscheidet zwischen dem Altkirchenslawischen, das über einen Textkorpus des 10. und 11. Jahrhunderts definiert wird, dem Mittelkirchenslawischen, das sich bis 1650 in Handschriften und frühen Drucken manifestiert und dem Neu- oder dem Synodalkirchenslawischen, das ab 1650 bis heute überwiegend in gedruckten Schriften vorliegt.
Es ist vor allem das gedruckte Schrifttum, das uns eine Vorstellung davon liefert, wie sich das Kirchenslawische im Laufe der Jahrhunderte entwickelte und veränderte. Auch im Bereich der Typographie weist das Kirchenslawische eine beeindruckende Kontinuität auf, die sich in ihrer Vielfalt bemerkbar macht.
Aus der Frühzeit des ostslawischen Drucks stammen die beiden Bibeln – von Francysk Skaryna (1519) und Ivan Fedorov (1581). Sie begründeten die typographische Tradition, die sich im ostslawischen Raum für die folgenden Jahrhunderte fest etablieren sollte.
Die Lesemenäen sind in der Orthodoxie in erster Linie für die Erbauung der Gläubigen und für die tägliche Hauslektüre bestimmt. Die bekanntesten unter ihnen sind die Großen Lesemenäen des Metropoliten Makarij (1542-1563) und die „Viten der Heiligen“ von Dmitrij Rostovskij (1651-1709).
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnt die Russische Archeographische Kommission das große Werk von Metropolit Makarij herauszugeben. Die Sammlung in Umfang von 25000 Blatt enthält neben den Viten der Heiligen viele weitere religiöse und erbauliche Schriften, die nach dem orthodoxen Jahreskalender angeordnet wurden. Die Kommission hat zwischen 1868 und 1916 fünfundzwanzig Bände (Monate von September bis Januar) ediert, die in der Sankt-Petersburger Synodaldruckerei hergestellt wurden. Die verbleibende Lücke soll durch die Freiburger Slawistengruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Weiher geschlossen werden. Bisher sind in Freiburg zwischen 1997 und 2007 acht Bände (Monate März und Mai) erschienen.
Die Monats- oder Gottesdienstmenäen waren unter den ersten Werken, die bereits durch die Slawenapostel ins Kirchenslawische übersetzt wurden. Sie sind für den liturgischen Gebrauch bestimmt und enthalten die Gottesdienste der Heiligen für jeden Tag des Kirchenjahres. Die Gottesdienstmenäen aus Moskau und Kiev folgten über Jahrhunderte hinweg der altbewährten kirchenslawisch-typographischen Tradition.
Eine Ausnahme bildet die Ausgabe von 1978 bis 1989, die durch das Moskauer Patriarchat abgesegnet und herausgegeben wurde. Neben der Angleichung der kirchenslawischen Typographie an die des modernen Russischen hat die Ausgabe viele bis dahin wenig bekannte Gottesdienste der russischen Heiligen aufgenommen.
Das Liturgikon und das Typikon sind für den orthodoxen Priester bestimmt und liefern die genauen Anweisungen, wann und auf welche Weise der orthodoxe Gottesdienst gefeiert werden soll. Das Stundenbuch dagegen wurde oft mit einer orthodoxen Fibel verglichen – vor allem die Kinder haben damit das Kirchenslawische lesen und verstehen gelernt. Die hier vorliegenden Ausgaben des 20. Jahrhunderts folgen der typographischen Tradition der vorigen Jahrhunderte.
Einen Überblick über die grammatischen und orthographischen Regeln dieser Tradition findet man in der Grammatik des Mönchs Alipij Gamanovič, die sich mittlerweile als Standardwerk des Synodalkirchenslawischen ostslawischer Peripherie etabliert hat. Das orthodoxe Kirchenjahr folgt dem Byzantinischen Kalender (Alte Zeitrechnung), der eine Verschiebung von ca. 13 Tagen zum gregorianischen Kalender aufweist. Daher ist es zu erklären, dass das russisch-orthodoxe Weihnachtsfest am 7. Januar gefeiert wird. Die hier vorgestellten Texte nehmen alle Bezug auf diesen Feiertag, der auch bei den Russisch-Orthodoxen zu den großen religiösen Feiertagen gezählt wird.
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Ansprechpartner
Vladimir Neumann
Tel.: +49 30 266-435 640
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