Baseler Zetteltrog und Berliner Großwissenschaft: zur Diversität des Wissenschaftsbegriffs von Franz Overbeck und Adolf Harnack
Zwei Städte – Basel und Berlin; zwei Gelehrte – Franz Overbeck (1837–1905) und Adolf (von) Harnack (1851–1930): Die Orte und die Personen zeigen einen Konflikt zweier Theologen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der erste, Kollege und Freund Nietzsches in Basel, spricht der modernen Theologie die Christlichkeit ab, ist überzeugt, dass Wissenschaft und Christentum einander ausschließen: Christentum oder Kultur. Mit der Historisierung des Christentums habe dessen Ende begonnen. Der andere, Harnack, sieht den „Zaun, welcher früher das Feld der Kirchengeschichte von dem Felde der allgemeinen Geschichte getrennt hat, … niedergerissen“ und das Christentum als eine historisierte Religion die Welt begleiten. „Accomodation“ (Anpassung) ist eines der Stichworte im Zentrum dieses Streites. Overbeck rekonstruiert ein übergeschichtliches Urchristentum, vertieft und verwickelt sich in die intrikaten Probleme seiner Texte – Lukas, Clemens von Alexandria, Euseb. Harnack wird – in der Nachfolge Theodor Mommsens – zum Organisator des Großbetriebs Wissenschaft der Berliner Akademie.
Im Nachlass Franz Overbecks verwahrt die Universitätsbibliothek Basel dessen umfänglichen Zettelkasten. Anlässlich der nun zum Abschluss gekommenen Ausgabe Franz Overbeck: Werke und Nachlaß soll gezeigt werden, wie das Forschungsinstrument „Zetteltrog“ die Forschungsgeschichte des 19. Jahrhunderts, ihre Konflikte und einige ihrer Protagonisten reflektiert. Der Nachlass Adolf Harnacks, verwahrt in der Staatsbibliothek zu Berlin, bietet mit dem kleinen Corpus der Overbeckschen Briefe an Harnack die Möglichkeit, den einsamen Schreiber der späten Monologe mit sich selbst zu konfrontieren. Im Rahmen des Werkstattgesprächs können einige dieser Stücke im Original präsentiert werden.
Zur Referentin: Hildegard Cancik-Lindemaier ist Klassische Philologin, die sich in ihrer kulturwissenschaftlich ausgerichteten Forschung vor allem Fragen der römischen Religionsgeschichte sowie der Wirkungs- und Wissenschaftsgeschichte der Antike gewidmet hat. Im Jahr 2006 sind Kleine Schriften unter dem Titel „Von Atheismus bis Zensur: römische Lektüren in kulturwissenschaftlicher Absicht“ erschienen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Hubert Cancik hat sie zum Antikenbild Friedrich Nietzsches gearbeitet, der in Basel mit dem Kirchenhistoriker Franz Overbeck befreundet war. Beide gehören der Editionskommission der historisch-kritischen Werkausgabe Franz Overbecks an (erschienen im Metzler-Verlag Stuttgart) und haben darin 2010 den Band mit den patristischen Schriften und Rezensionen bis 1898 vorgelegt. 2008 erhielten sie gemeinsam die Ehrendoktorwürden der Theologischen Fakultät und der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel.
Die Teilnahme ist kostenlos, um Anmeldung wird gebeten.
Treffpunkt in der Eingangshalle bei der Bonhoeffer-Büste
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