Voneinander lernen, kreativ denken – Bibliotheksaustausch in der Stabi

Ein Bericht von Carolin Hahn, Dr. Andreas Janke und Dr. Anna Jehle (Referendar:innen der Stabi).

Wie kann das Dienstleistungsangebot von Bibliotheken modernisiert werden? Wie lassen sich Räume den aktuellen Nutzendenbedürfnissen anpassen? Und mit welchen neuen partizipativen Methoden können Bestände beforscht und geöffnet werden? Diese und andere Fragen wurden während des Zusammentreffens von Mitarbeiter:innen dreier Bibliotheken in der Stabi diskutiert.

Vom 17. bis 20. Januar 2023 wurde der im Vorjahr begonnene Austausch zwischen den Benutzungsabteilungen der Bayerischen Staatsbibliothek München (BSB), der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) und der Staatsbibliothek zu Berlin (SBB) fortgesetzt. Ziele des Austauschs sind, gemeinsam über den Tellerrand zu schauen, Kooperationen zwischen den Häusern anzustoßen, Expertise zu teilen und über Entwicklungen in der Interaktion zwischen Bibliothek und Nutzenden zu diskutieren.

Bibliotheken finden sich zusammen | SBB-PK

Bibliotheken finden sich zusammen | SBB-PK

Nutzungsperspektiven

Aktuell werden in Bibliotheken Räume in Bewegung gesetzt; differenzierte Bereiche entstehen und werden so den unterschiedlichen Nutzendenbedürfnissen gerecht: Gruppenarbeit soll ebenso ermöglicht werden wie stilles Forschen. Die Stabi will nicht nur Wissen ‚aussenden‘, sondern mit partizipativen Formaten wie Citizen-Science-Projekten auch ‚hineinholen‘. So werden neue Veranstaltungs-, Ausstellungs- und Lehrformen getestet sowie der kreative Umgang mit Beständen gefördert, beispielsweise mit:
• dem Crowdsourcing-Projekt Transkribathon,
• dem Austauschformat Critical Library Perspectives und
• Lehrkooperationen, bspw. zu Lebensdokumenten der Modejournalistin Julie Elias

Im Goldfischglas

Im Rahmen einer ‘Fishbowl’-Diskussion wurden die Möglichkeiten des ‚In-Bewegung-Setzens‘ diskutiert: Einerseits stecken Denkmalschutz, Statik und Brandschutz Grenzen ab, andererseits lässt sich auch mit den besten Konzepten die tatsächliche Nutzung der Räume nicht immer genau vorhersehen. Die Diskutierenden bevorzugten daher wachsende Konzepte: modulare Lösungen und kleine Angebote, die sich flexibel anpassen lassen.


Diskussion in der Fishbowl | SBB-PK

Diskussion in der Fishbowl | SBB-PK

Diskussionsmethode Fishbowl

Eine kleine Gruppe von Teilnehmer:innen diskutiert in einem Sitzkreis (im Goldfischglas) ein konkretes Thema. Die übrigen Teilnehmer:innen beobachten die Diskussion von außen. Zusätzlich stehen zwei (zunächst leere) Gast-Stühleim Sitzkreis bereit. Möchten Teilnehmer:innen aus der Beobachtungs- in die Diskussionsrolle wechseln, können sie auf diesen Stühlen für die Dauer ihrer Diskussionsbeteiligung Platz nehmen.


Kontaktpunkte

Doch nicht nur Räume, sondern auch Nutzungsbedingungen unterliegen Veränderungen. Die Online-Anmeldung auch von außerhalb des Bibliotheksstandorts, eine höhere Funktionalität der Websites, die automatische Erstellung von Fernleihkonten – dies alles sind gewünschte und in Diskussion befindliche Services. Auch die Zukunft von Gebühren steht in der Bibliothekswelt zur Diskussion. Sind beispielsweise Bußgelder gerechtfertigt und zeitgemäß?

Zentral für die Bibliothek der Zukunft ist die Frage, was Nutzer:innen von ihr erwarten. In der Stabi wird die Publikumsperspektive in die bibliothekarische Praxis integriert, beispielsweise mit bewährten Methoden wie ‚Walk in Your User’s Shoes‘, Exit-Interviews, Usability-Tests, Tagebuchstudien etc. Eine zweijährlich stattfindende Nutzer:innenbefragung erfasst Wünsche und Anregungen. Auch die DNB erhebt alle vier Jahre systematisch Nutzer:innenbedürfnisse – die BSB wertet Wünsche und Anregungen bei Bedarf in Form von Usability-Tests aus. Auf großes Interesse der Gäste stieß zudem der Stabi Nutzendenrat, der aktuell zweimal jährlich tagt.

„Unsere Nutzer:innen engagieren sich, weil die Stabi ihnen am Herzen liegt!“ (Barbara Heindl, Öffentlichkeitsarbeit)

Sonderbestände – Material Turn – Daten

An den beiden letzten Tagen ging es zunächst um seltene oder unikale Bestände und ihre Überführung ins Digitale: Wie lassen sich Nachlässe, Handschriften, Karten und Schellackplatten für die Forschung schneller auffindbar und besser nutzbar machen? Besprochen wurden z.B.

  • die besondere Herausforderung im Umgang mit teils digitalen Nachlässen,
  • aktuelle und geplante Neuerungen im Handschriftenportal,
  • der Gesamtkatalog der Wiegendrucke als Expert:innenforum für Inkunabeln,
  • die Entwicklung einer intuitiv zu bedienenden ‘Kartendatenbank’ und
  • die digitale Bereitstellung von historischen Musikaufnahmen.

Abschließend wurde die Verortung von wissenschaftsnahen Bibliotheksservices diskutiert: Gerade angesichts der sich etablierenden Digital Humanities sowie des Material Turns in den Geisteswissenschaften wird die Bibliothek zu einer wichtigen Impulsgeberin und Dialogpartnerin für die Forschung. So hat sich etwa auch das SBB-LAB zum Ziel gesetzt, Datenbestände bekanntzumachen und niedrigschwellig zur Verfügung zu stellen: für Big-Data-Analysen, Kreativprojekte oder einfach nur zum ‚Stöbern‘. Auch die DNB bietet ein innovatives Datenlabor an.

Rahmenprogramm

Die Diskussionsrunden fanden abwechselnd in den Häusern Unter den Linden und Potsdamer Straße statt. Dies bot neben den Hausführungen die Gelegenheit beide Standorte genauer unter die Lupe zu nehmen und Einblicke in Sammlungen und Gebäude zu bekommen. Ein Highlight war der Besuch im Kulturwerk.

Besichtigung des Stabi Kulturwerks | SBB-PK

Besichtigung des Stabi Kulturwerks | SBB-PK

Fazit und Ausblick

„Wir wären gerne länger geblieben“, war ein Fazit der Abschlussrunde. Die sehr unterschiedlichen Themen, zu denen der Austausch stattgefunden hat, wurden insgesamt als sehr anregend empfunden. Zudem wurde immer wieder deutlich, dass die Nutzungsperspektive große Relevanz für die Arbeit in allen Bereichen der Bibliothek besitzt. Als besonders positiv wurden die Themenvielfalt und das abteilungsübergreifende Engagement hervorgehoben. Hierdurch konnten neue Kontakte zwischen den Häusern geknüpft werden – und genau darum sollte es ja auch gehen. Grund genug, den Austausch bald fortzuführen: Wir freuen uns schon auf die dritte Runde in der DNB (Leipzig und Frankfurt am Main)!

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