Exquisit eingerichtete Ausstellung mit 60 Autographen großer Persönlichkeiten:

Ausstellung „Sternstunden eines Mäzens. Briefe von Galilei bis Einstein aus der Sammlung Ludwig Darmstaedter“

Die von herausragenden Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kunst, Literatur und Geschichte in fünf Jahrhunderten verfassten Briefe, Berichte und Zeichnungen sind wegen ihrer Inhalte, ihrer optischen Qualität und ihrer historischen Bedeutung höchst interessant. Anlass für diese Ausstellung ist die Schenkung der Sammlung durch den Unternehmer, Autor, Sammler und Mäzen Ludwig Darmstaedter (1846-1927), der sie im Dezember 1907 der Bibliothek übereignete und bis zu seinem Tod mit großem persönlichem und finanziellem Einsatz ergänzte.
Die Autographen in der Ausstellung
Jeweils in einer separaten Vitrine sind die Autographen in chronologischer Reihenfolge angeordnet: Michelangelo Buonarroti stellte 1513 eine Quittung über den Erhalt von 100 Dukaten aus, Galileo Galilei notierte 1634 eine Rechentabelle, James Cook verfasste 1776 einen Be-richt über die Besichtigung von Schiffen für seine letzte Expedition, James Watt wandte sich 1785 an den englischen König mit der Bitte um das Patent für seine verbesserte Dampfmaschine, Napoléon Bonaparte schilderte am 12.10.1806 in einem Brief an Talleyrand die Situation kurz vor der Schlacht bei Jena und Auerstedt, Luigi Galvani schilderte 1790 seine Froschschenkelversuche, Hans Christian Andersen improvisierte 1831 ein Gedicht, Emil Du Bois-Reymond fertigte um 1841 detailreiche Zeichnungen zur Versuchsanordnung der Messung von Strom in Fröschen, Robert Wilhelm Bunsen beschrieb 1870 seine Versuche zur Spektral-analyse, Alfred Nobel unterstrich in einem Brief von 1880 seine Urheberschaft bei der Erfin-dung des Dynamits, Rudolf Diesel schilderte 1893 die Nützlichkeit des von ihm entwickelten Motors, Kaiser Wilhelm II. sandte 1914 der Bibliothek anlässlich ihres Umzugs in den Bau Unter den Linden die Parole „Gott mit uns!“, Albert Einstein legte 1916 seine Meinung über den Krieg dar, 1918 schilderte Robert Bosch seine unternehmerischen Grundsätze.
Des Weiteren sind Schriftstücke und Zeichnungen von Niccolò Machiavelli, Nikolaus Kopernikus, Albrecht von Wallenstein, Johannes Kepler, Otto von Guericke, René Descartes, Antoni van Leeuwenhoek, Isaac Newton, Johann Reinhold Forster, Moses Mendelssohn, Alessandro Graf von Volta, Immanuel Kant, Alexander von Humboldt, Wilhelm Gottlieb Tilesius von Tilenau, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Adelbert von Chamisso, Karl Friedrich Schinkel, Simón Bolívar, Carl Spitzweg, Jacob Grimm, Louis Jacques Mandé Daguerre, Charles Darwin, Felix Mendelssohn Bartholdy, David Livingstone, Friedrich Engels, Florence Nightingale, Fer-dinand Lassalle, Wilhelm Bauer, Fjodor Dostojewski, Heinrich Schliemann, Louis Pasteur, Otto Lilienthal, Fridtjof Nansen, Max Planck, Wilhelm Conrad Röntgen, Theodor Mommsen, Magnus Hirschfeld, Paul Ehrlich, Marie Curie, Robert Koch, Thomas Mann, Max Liebermann, Carl Benz, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Alice Salomon zu sehen.
Die Sammlung Ludwig Darmstaedter
Um das Jahr 1890 begann Ludwig Darmstaedter mit dem Sammeln von Autographen von Größen der Literatur, der Kunst und der Wissenschaften. Ab 1897 konzentrierte er sich zunehmend auf das Sammeln von Dokumenten zur Geschichte der Wissenschaften. Selbst Naturwissenschaftler und Unternehmer, wusste Darmstaedter um die Bedeutung von Erfindungen und Entdeckungen sowie die enormen Entwicklungen in der Industrie des ausgehenden 19./ beginnenden 20. Jahrhunderts. Zunächst verfasste er „4000 Jahre Pionierarbeit in den exakten Wissen-schaften“, 1904 bei J. A. Stargardt erschienen. Er überarbeitete und erweiterte das Werk bis 1908 zum „Handbuch zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik“. Auf über 1.200 eng bedruckten Seiten stellte er in chronologischer Reihenfolge, unter Nennung der je-weils beteiligten Personen, die größten Entdeckungen, Erfindungen, Ideen und damals wie heute eher nebensächlichen Patente und Erkenntnisse vor. Die Chronologie ergänzte er um ein Personenverzeichnis und um ein Sachverzeichnis mit Stichwörtern und Jahreszahlen.
Für den Ausbau der Autographensammlung war dieses Werk von großer Bedeutung, hatte Ludwig Darmstaedter doch so den vorzüglichsten Überblick über thematische und personelle Lücken in seiner Sammlung, von denen er viele mit großem Einsatz und Geschick schließen konnte. Er sprach alle an: Forscher, Erfinder, Nachfahren von Gelehrten, Firmeninhaber und andere. Er bat um die Überlassung von Briefen, Manuskripten, handgeschriebenen Lebensläufen, Skizzen, Notizen, Porträts und sicherte stets zu, dass den Stücken mit ihrer Aufnahme in diese Sammlung in öffentlicher Hand beste Bedingungen für eine dauerhafte Aufbewahrung zuteil würden.
Die Erwerbungsakten der Sammlung belegen eindrucksvoll das sachkundige Werben Darmstaedters um Unterstützung sowie die überwiegend positiven Reaktionen der Adressaten. Seine Autorität als Industrieller und als herausragende Persönlichkeit der Berliner Gesellschaft ebnete Wege. Doch auch ein anderer Umstand begünstigte das rasche Wachsen der Sammlung: Der nationale und internationale Handel hatte zu jener Zeit wenig Interesse an Dokumenten mit naturwissenschaftlichem Inhalt. So gelang es Darmstaedter leicht und für wenig Geld in kurzer Zeit viele wertvolle Briefe und andere Stücke zu kaufen. Zugleich wuchs sein Unterstützerkreis, beispielsweise übergaben ihm die Gesellschaft für Erdkunde und die Chemische Gesellschaft zu Berlin diverse Materialien. Auch konnte er in zahlreichen Archiven von Behörden und Ministerien Akten einsehen und dort nicht mehr benötigte Unterlagen bekommen, die er allerdings nur erbat, wenn sie inhaltlich die Sammlung bereicherten.
Als die Sammlung 9.000 Namen und 23.000 Schriftstücke aus dem 15. bis 20. Jahrhundert ver-zeichnete, entschloss sich Ludwig Darmstaedter zum 31. Dezember 1907 zur Schenkung der Sammlung an die Königliche Bibliothek in Berlin. In der Stiftungsurkunde sicherte er zugleich finanzielle Mittel zum weiteren Aufbau der Sammlung zu; die Stiftung wurde durch aller-höchsten Erlass am 25. Januar 1908 genehmigt. Weitere zwanzig Jahre mehrte der Mäzen Darmstaedter mit eigenen finanziellen Mitteln und höchstem persönlichen Einsatz diese Sammlung, welche auf knapp 200.000 Stücke und 45.000 Namen anwuchs. Nach dem Tod Darmstaedters im Jahr 1927 setzte die Bibliothek die Arbeit an dieser Sammlung ganz im Sin-ne ihres Stifters fort und ergänzte sie bis zum Jahr 1941 um weitere rund 50.000 Autographen.
Wie nahezu alle Bestände der Bibliothek wurde auch die Sammlung Darmstaedter im Krieg aus Berlin weggebracht, um sie vor Schäden zu schützen. Die beiden anderen großen Autographensammlungen der Bibliothek, die „Sammlung Autographa“ mit 220.000 Dokumenten und die „Sammlung Varnhagen von Ense“ mit 100.000 Dokumenten, wurden nach Osten verlagert und sind heute in der Universitätsbibliothek Krakau. Die Sammlung Darmstaedter nahm 1941 ihren Weg ins Kloster Banz in Franken und überstand dort in über 700 Archivkästen unbescha-det den Krieg. Die Sammlung selbst kehrte später nach West-Berlin zurück, ihre dazugehöri-gen Katalogkarten hingegen befanden sich in Ost-Berlin. So erfuhr auch diese Sammlung das Schicksal der deutschen Teilung und kann erst seit der Zusammenführung der beiden Standorte der Bibliothek, Unter den Linden und Potsdamer Straße, im Jahr 1992 wieder ordentlich benutzt werden.
Die elektronische Erschließung der Sammlung hat begonnen, schrittweise werden die Autogra-phe in die Datenbank Kalliope (http://kalliope.staatsbibliothek-berlin.de) eingespielt, wo sie recherchiert und so unabhängig von Zeit und Ort benutzt werden können.
Der Sammler Ludwig Darmstaedter
1846 wurde Ludwig Darmstaedter als zehntes Kind einer jüdischen Tuchhändler-Familie in Mannheim geboren. Schon mit 14 Jahren wurde er Waise und danach von seinem wesentlich älteren Stiefbruder groß gezogen. Mit 18 Jahren nahm er ein Studium der Geologie und Mine-ralogie in Heidelberg auf; in dieser Zeit legte er seine erste Mineraliensammlung an, die er spä-ter der Universität vermachte. – Schon als Student arbeitete Darmstaedter in den Labors der berühmten Chemiker Robert Bunsen und Emil Erlenmeyer und wechselte bald schon zum Studium der Chemie. Mit 21 Jahren promovierte er und arbeitete danach als Chemiker in Leipzig und Berlin.
Nach beruflichen Wanderjahren in Frankreich, England und Spanien heiratete er 1872 Marie Gumbert, Schwägerin des Frankfurter Bankier Georg Speyer; das Ehepaar Darmstaedter bekam drei Kinder, sechs Enkelkinder und elf Urenkel, von denen heute noch neun leben.
1874 wurde Ludwig Darmstaedter Unternehmer: er trat als Teilhaber in die Berliner Ammoniak- und Glycerin-Fabrik Dr. Benno Jaffé ein, welche fortan als Benno Jaffé & Darmstaedter firmierte. Zehn Jahre später erwarb diese Firma ein Patent zur Gewinnung von Wollfett, das unter dem Namen Lanolin bekannt wurde, neben anderen Produkten trat die Lanolinseife ihren Siegeszug in der Kosmetik an. Im Jahr 1900 wurde die Firma unter dem Namen Vereinigte Cheimische Werke AG in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, in deren Aufsichtsrat er gewählt wurde.
Mit dem Mediziner Paul Ehrlich war Darmstaedter eng bekannt, mit großem Interesse verfolgte er dessen wissenschaftliche Arbeiten, u. a. zur Krebsforschung. Auf Initiative Darmstaedters wurde nach dem Tod des Bankiers Georg Speyer ein Forschungsinstitut eingerichtet, welches die Arbeit Paul Ehrlichs unterstützte. – 2006 feierte die Stiftung Chemotherapeutisches Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus sein 100-jähriges Bestehen.
1906, mit 60 Jahren, schied Ludwig Darmstaedter bei den Vereinigten Chemischen Werken aus und widmete sich fortan hauptsächlich seinen Ehrenämtern, wissenschaftlichen Studien und vielfältigen Hobbys. Neben anderem war er ein begeisterter Alpinist und veröffentlichte zahlreiche Berichte teils über Erstbesteigungen in den Alpen. Während seiner Touren fertigte er diverse Aquarellzeichnungen an, von denen einige bis heute erhalten sind.
Eine große Sammelleidenschaft hatte er für europäisches Porzellan, das er bereits seit 1880 systematisch erwarb und wissenschaftlich aufbereitete. Ab 1897 wandte er sich dem Sammeln von Autographen zu. Parallel befasste er sich – wie bereits oben erwähnt – intensiv mit der Geschichte der Naturwissenschaften.
Die Autographensammlung Ludwig Darmstaedter ist das größte Denkmal, das sich der Unternehmer, Wissenschaftler, Sammler und Mäzen zu Lebzeiten selbst setzte. Im Zusammenhang mit der Staatsbibliothek zu Berlin – damals Königliche Bibliothek, später Preußische Staatsbibliothek – ist er aber auch als der Gründer des Vereins der Freunde der Bibliothek im Jahr 1914 bekannt.
Großes Ansehen erwarb Darmstaedter sich in Berlin auch durch gemeinnütziges Wirken in öffentlichen und sozialen Belangen, hier nur Beispiele: So war er von 1887 bis 1921, also 37 Jahre lang, als Mitglied des Berliner Bezirksausschusses ehrenamtlich juristisch tätig. Er war Mitglied im Gemeinderat der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sowie in den Kuratorien mehrerer sozialer Einrichtungen wie Arbeiterwohlfahrt, Pestalozzi-Fröbel-Haus.
Im Jahr 1925 verlor Ludwig Darmstaedter nahezu sein ganzes Vermögen. Er musste seine Porzellansammlung veräußern sowie seine Aktivitäten für die Bibliothek einschränken.
Im Oktober 1927 starb in Berlin im Alter von 81 der unglaublich vielseitige Mensch, engagierte Förderer des Gemeinwohls, der Kunst und der Wissenschaften, Ludwig Darmstaedter.
Jährlich wird der auch nach ihm benannte, sehr hoch dotierte Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis für wegweisende Forschungen in der Medizinwissenschaft vergeben. Auch auf diese Weise wird das Andenken an diese außergewöhnliche Persönlichkeit gewahrt.
Ihrem überragenden Mäzen Ludwig Darmstaedter widmet die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz diese Ausstellung.

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