Ausstellung „Exotische Typen. Buchdruck im Orient — Orient im Buchdruck“

Die über Jahrhunderte gewachsene, spannungsreiche und befruchtende Wechselbeziehung von Orient und Okzident stellt die Staatsbibliothek zu Berlin zum ersten Mal aus der Perspektive des Buchdrucks und seiner Verbreitung seit dem 15. Jahrhundert dar. Seltene hebräische Frühdrucke vom Ende des 15. Jahrhundert, reich verzierte armenische Lektionsbücher, osmanische Drucke des frühen 18. Jahrhunderts, faszinierend bebilderte persische Lithographiedrucke, farbenprächtige islamische Bucheinbände erzählen die Geschichte des Buchdrucks im Orient. Die gleichzeitig wachsende Bedeutung des Orients im europäischen Buchdruck sowie die frühe Beschäftigung mit dem Orient und seinen Sprachen werden anhand seltener Bücher des 15. bis 17. Jahrhunderts erläutert.
Zu den Spitzenstücken der Ausstellung gehört die 1494 gedruckte hebräische Bibel, welche Martin Luther als Vorlage für seine deutsche Übersetzung des Alten Testaments diente und in welcher er handschriftliche Anmerkungen anbrachte; — Ein prächtiges armenisches Lektionsbuch von 1686 gilt als eines der schönsten armenischen Bücher überhaupt; — Ein riesiger Prachtkoran aus Delhi von 1889 enthält zwei Interlinearübersetzungen in Persisch und Urdu; – Der osmanische Weltatlas aus dem Jahr 1803 repräsentiert das erste größere kartographische Werk, das im Orient gedruckt wurde; — Goethe und Schiller verarbeiteten die Übersetzung des indischen Dramas „Sakuntala“ ins Deutsche, in der Ausstellung befindet sich der deutsche Erstdruck aus dem Jahr 1791; — In der frühen arabischen Bibel aus Rom aus dem Jahr 1591 sind die arabischen Texte direkt den lateinischen gegenüber gestellt. — Das erste Berliner Buch mit fünf orientalischen Sprachen, „Magna Alchymia“, entstand in der Werkstatt Leonhard Thurneysser, zu sehen ist es neben drei der frühesten Koranübersetzungen aus dem 16. bis 17. Jahrhundert. — Einen optischen Glanzpunkt der Ausstellung setzen historische islamische und armenische Bucheinbände.
Insgesamt sind 128 Objekte aus sieben Kulturen zu sehen. Die orientalischen Drucke der Staatsbibliothek zu Berlin werden mit dieser umfassenden Schau zum ersten Mal aus dem Schatten der weltweit berühmten Sammlung 85.000 orientalischer Handschriften geholt.

Zur Ausstellungskonzeption
Sowohl die Ausstellung als auch der Katalog führen chronologisch durch die Geschichte des orientalischen Buchdrucks. Den roten Faden bildet das sukzessive Auftreten der Druckkunst in den einzelnen Kulturen: In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, rund 30 Jahre nach Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks, befassten sich als erste die Juden mit der neuen Technik, gefolgt von den Armeniern, welche 1512 in Venedig zum ersten Mal mit beweglichen Lettern druckten. Die Osmanen waren das erste muslimische Volk, das druckte, im Jahr 1729. Die Pioniere des arabischen Buchdrucks wiederum waren Christen — 1610 wurde der erste Druck eines geistlichen Buches im Libanon hergestellt, auf Arabisch in syrischer Schrift. Seit 1819 arbeitete die Druckerei von Bulaq, einem Stadtteil von Kairo, und druckte Werke in Osmanisch, Arabisch und Persisch. Die Perser wiederum bevorzugten das zum Ende des 18. Jh. in Europa entwickelte lithographische Druckverfahren; hierbei entstanden der Handschrift ähnliche Erscheinungsbilder, was den ästhetischen Vorlieben der Perser entsprach und die einzigartige Pracht persischer Bücher ermöglichte.
Seit vielen Jahrhunderten verschmelzen Okzident und Orient an den Nahtstellen rund ums östliche Mittelmeer – die Vielfalt der daraus auch erwachsenen Druckkulturen in Städten wie Konstantinopel/Istanbul und Kairo wird in der Ausstellung gesondert behandelt. Zu sehen sind osmanische, hebräische und armenische Drucke aus Konstantinopel sowie arabische, persische und osmanische Drucke aus Kairo.
Ein Kapitel ist dem Buchdruck in indischen Sprachen gewidmet. Gewürdigt wird die Beschäftigung deutscher Dichter und Denker – der Brüder August Wilhelm und Friedrich von Schlegel, Goethes, Schillers und Herders – mit der Sanskrit-Literatur, ausgestellt sind frühe Beispiele indischer Drucke.
Ein Kapitel befasst sich mit der westlichen Rezeption orientalischer Sprachen. Seit dem 16. Jahrhundert wurde in Rom auf päpstliche Initiative und mit Missionierungsabsicht in orientalischen Sprachen gedruckt.
Das letzte Kapitel widmet sich der frühen Orientalistik und zeigt eine repräsentative Auswahl von orientalistischen Arbeiten des 16.-18. Jahrhunderts, verdeutlicht die intensive Auseinandersetzung des Westens mit dem Orient und seinen Sprachen.

Im Internet steht Ihnen eine Auswahl von Bildern zur Verfügung, alle gezeigten Werke sind im Besitz der Staatsbibliothek zu Berlin — Preußischer Kulturbesitz:

Martin Luthers Handexemplar einer hebräischen Bibel, hergestellt 1494 von Gerschom Sincino in Brescia; 40 Jahre nach Vollendung des vorliegenden Druckes, 1534, schloss Martin Luther seine Übersetzung des Alten Testaments ins Deutsche ab; das abgebildete Exemplar diente ihm als Vorlage; Luther benutzte als Erster einen hebräischen Text für die Übersetzung ins Deutsche, um dem Urtext so nahe wie möglich zu kommen; zahlreiche Unterstreichungen, lateinische Randbemerkungen und Korrekturen des hebräischen Textes zeugen von der textkritischen Auseinandersetzung Luther mit dem Bibeltext; die Abbildung zeigt den Anfang des Buches Schemot, auf der Doppelseite befinden sich handschriftliche Anmerkungen Luthers

armenisches Synaxarion (liturgisches Sammelbuch mit Lebensbeschreibungen der Tagesheiligen), fertiggestellt 1730 von Grigor Marzwanec’i in Konstantinopel; das gezeigte Werk, ein Zweitdruck, gilt als das drucktechnisch aufwändigste und gelungenste Werk des Künstlers; Der Druck verfügt über 16 Holzschnitte, Bildinschriften, zahlreiche Vignetten, Kopfleisten und Schmuckbuchstaben

arabischer Prachtkoran mit zwei Interlinearübersetzungen in Persisch und Urdu, hergestellt 1889 in Delhi, Format 55 x 37 cm, gebunden in rotes Leder; die Abbildung zeigt den Beginn der zweiten Sure Die Kuh; die herausragende Stellung des Koran innerhalb des islamischen Schrifttums führte dazu, dass Korane bis heute in der Regel in Druckverfahren hergestellt werden, die ein handschriftliches Erscheinungsbild unterstützen, hier durch Lithographie,

Peregriniatio in terram sanctam; das erste gedruckte illustrierte Reisebuch über die Reise des Mainzer Domherrn Bernhard von Breydenbach in das Heilige Land, hergestellt 1486 in Mainz; noch im 15. Jahrhundert wurde dieses Buch in acht verschiedene Sprachen übersetzt; die Abbildung zeigt das arabische Alphabeth und eine Darstellung arabischer Bewohner der Stadt,

Osmanischer Weltatlas, hergestellt 1803 in Istanbul; es handelt sich um das erste größere im Orient gedruckte kartographische Werk; der repräsentative Atlas enthält 24 Karten aller Regionen der Erde, hergestellt als kolorierte Kupferstiche im Format 65 x 50 cm; dem Kartenteil ist eine geographische Abhandlung in osmanisch-türkischer Sprache vorangestellt; die Abbildung zeigt eine Überblickskarte Europas im 18. Jahrhundert,

Biblia sacra arabica; Die Werkstatt Typographia Medicea in Rom nahm 1590 mit dem ersten arabischen Druck der vier Evangelien ihren Druckbetrieb auf; zu sehen ist die 1591 erschienene arabische Bibel, der eine lateinische Interlinearübersetzung beigefügt ist; das Werk ist mit 149 Holzschnitten reich verziert; Beim Druck der Evangelien kam die große arabische Type von Robert Granjon zu Einsatz, bekannt als „l’Arabe des quatres Evangiles“; der Typensatz ist heute in der Pariser Imprimérie Nationale, der Französischen Staatsdruckerei, zu sehen.

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