Luther und die Abrafaxe – die Reformation im „dienstältesten“ deutschen Comic
Aktuelle Comics zum Reformationsjubiläum in der Ausstellung „Bibel – Thesen – Propaganda“.
Ein Beitrag von Carola Pohlmann.
Von den Digedags zu den Abrafaxen – das „Mosaik“
Das „Mosaik“ ist die älteste noch erscheinende Comiczeitschrift deutscher Produktion. Sie entstand 1955 in Ostberlin nach einer Idee von Hannes Hegen (d.i. Johannes Eduard Hegenbarth, 1925-2014). Bis 1959 wurde das „Mosaik“ im Verlag Neues Leben herausgegeben, vom Jahrgang 1960 an erschien es im Verlag Junge Welt. Die Helden der Zeitschrift waren die drei koboldartigen Figuren Dig, Dag und Digedag, die sich frei in Raum und Zeit bewegen konnten und Abenteuer in unterschiedlichen Epochen der Menschheitsgeschichte erlebten. Besonders berühmt wurden zwei Serien des „Mosaiks“ – die Ritter-Runkel-Serie und die Amerika-Serie. Die Geschichten um den ehrgeizigen und tollpatschigen Ritter umfassen 62 Hefte und erschienen von Mai 1964 bis Juni 1969, die Amerika-Serie wurde als sechste Hauptserie der Zeitschrift von Juli 1969 bis Juni 1974 veröffentlicht. Nach einem Streit mit dem Verlag Junge Welt kündigte Hannes Hegen Ende 1974 seinen Vertrag und schied aus dem Mosaik-Kollektiv aus. Der Textautor Lothar Dräger (1927-2016) schuf mit den Abrafaxen ein an den Digedags orientiertes neues Konzept, nach dem seit 1976 Comics veröffentlicht werden. Ein wichtiger Garant für die künstlerische Qualität war die Zeichnerin Lona Rietschel (geb. 1933), die seit 1960 fest beim „Mosaik“ angestellt war und bis 1999 regelmäßig für die Zeitschrift arbeitete. Die Abrafaxe haben selbst die durch die Wende verursachten Verwerfungen im DDR-Verlagswesen unbeschadet überstanden: Nachdem 1991 der Verlag Junge Welt durch die Treuhandanstalt liquidiert wurde, übernahm zunächst die Procom Gesellschaft für Kommunikation und Marketing die Herausgabe der Zeitschrift, seit 1992 wird sie im Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag in Berlin verlegt.
Dank Brabax werden Luthers geplante 478 Thesen auf 95 gekürzt
Die aktuelle Reihe, beginnend mit Heft 483 (März 2016), ist dem Thema Reformation gewidmet. Abrax, Brabax und Califax reisen im Jahr 1517 durch Kursachsen und treffen dort bedeutende historische Persönlichkeiten wie Martin Luther, Thomas Müntzer, Lucas Cranach und Philipp Melanchthon. Gemäß der Ausrichtung des „Mosaiks“ „Geschichte von unten“ zu erzählen, setzen sie sich für soziale Gerechtigkeit ein und werden zu wichtigen Inspiratoren reformatorischer Ideen. So hat Brabax als Adlatus von Martin Luther entscheidenden Anteil an der Abfassung der Thesen, indem er Luther davon überzeugt, statt der angeblich ursprünglich geplanten 478 Thesen lediglich 95 zu veröffentlichen. Abrax und Califax leben während ihres Aufenthalts in Wittenberg bei Lucas Cranach d. Ä. und machen sich im Haushalt der Familie nützlich, wo immer wieder die Spuren der Verwüstungen zu beseitigen sind, die der kleine, stets zu Streichen aufgelegte Lucas d. J. anrichtet. Bei Familie Cranach treffen sie auch auf den jungen Künstler Michael Drachstädt, der die Nonne Katharina von Krahwinckel liebt und sie aus dem Kloster befreien will. In Rom macht sich Papst Leo X., der gerade mit dem Bau des Petersdoms beschäftigt ist, Sorgen um die Einbußen bei den Einnahmen aus dem Ablasshandel wegen der Umtriebe im fernen Wittenberg. Trotz der comictypischen humoristischen Form der Darstellung folgt die Handlung zentralen Ereignissen der Reformationsgeschichte und macht Kinder mit dem Gedankengut der Lutherzeit bekannt.
Das aktuelle Heft 494 (Februar 2017) schildert Luthers Aufbruch zum Reichstag nach Augsburg im Jahr 1518, wo bereits der Erzbischof von Mainz, Kardinal Cajetan und die Fugger ihre Intrigen gegen ihn spinnen. Die Fülle historischer Fakten zur Reformationszeit aus der Comic-Handlung wird in der Mitte jedes Hefts durch kurze Sachtexte ergänzt, eine eigene Serie bildet dabei die Doppelseite „Malen wie ein Meister. Michaels kleine Malakademie“, in der Kinder unter anderem sachgerecht über Bildthemen der Kunst des 16. Jahrhunderts, zeitgenössische Maler, die Farbenlehre oder den Bildaufbau informiert werden.
In der Ausstellung Bibel – Thesen – Propaganda können Sie vom 3.2. bis 2.4.2017 neben den Abrafaxen weitere historische und aktuelle Kinderbücher in der Staatsbibliothek selbst in Augenschein nehmen und beispielsweise herausfinden, warum Luther zum Erfinder des Weihnachtsbaumes wurde, oder aber Sie zählen bei den 1517 gedruckten Ausgaben der Thesen zur Klärung der Kraft der Ablässe noch einmal selbst nach.
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