Vom Weltenende und Antichrist : Spektakuläre Erwerbung einer illustrierten Handschrift aus dem 15. Jahrhundert
Kürzlich gelang der Staatsbibliothek zu Berlin die Erwerbung einer spätmittelalterlichen Handschrift, welche der Forschung bislang unbekannt war. Das illuminierte Hausbuch, entstanden in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Süddeutschland oder Österreich, umfasst 133 Blätter, ist mit 58 kolorierten, teils drastischen Federzeichnungen ausgestattet und trägt einen Einband aus dunkelbraunem Kalbsleder mit reichem Stempelschmuck. Die Handschrift ist dank gründlicher Restaurierung ihres Vorbesitzers in einem sehr guten Zustand.
Im ersten Teil enthält die Handschrift eine kurzgefasste Weltchronik von der Schöpfung bis zum Jüngsten Gericht, bekannt unter den Titeln Konstanzer Weltchronik, Antichrist und Fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht. Diese Kombination aus Texten und Bildern ist bisher nur in sieben anderen Handschriften weltweit überliefert. – Der zweite, unbebilderte Teil der Neuerwerbung bietet Ratschläge zu Lösungen von Alltagsproblemen und zu Festtagsberechnungen, gibt Erklärungen zum Aderlass und zu Wetterprognosen. Darin befindet sich auch eine sehr selten überlieferte ‚Fürstenregel‘, eine praktische Anleitung zum Verhalten von Personen vornehmer Herkunft. – Texte in dieser Zusammenstellung sind bislang in keinem Werk bekannt, so dass es sich bei der Handschrift mit der Signatur Ms. germ. fol. 1714 um ein einzigartiges Zeugnis mittelalterlicher Alltagskultur im gehobenen bürgerlichen oder adligen Milieu handelt.
Aufgrund ihres hohen Preises können Werke dieser Qualität und Ausstattung nur selten von öffentlichen Sammlungen gekauft, katalogisiert und der internationalen Forschung bereitgestellt werden. Umso erfreulicher, dass es der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin gelang, ihren wertvollen Bestand an mittelalterlichen deutschen illustrierten Handschriften um dieses unikale Werk zu ergänzen.
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