Göttinger Verlag Vandenhoeck & Ruprecht schenkt der Staatsbibliothek zu Berlin sein Verlagsarchiv

Mit großer Freude und Dankbarkeit nimmt heute die Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin, Barbara Schneider-Kempf, von Mitgliedern der Verlegerfamilie Ruprecht in einer Feierstunde das Archiv des Wissenschaftsverlags Vandenhoeck & Ruprecht entgegen. Dieses äußerst großzügige Geschenk erhält die Bibliothek im 350. Jahr ihrer Gründung. Am Abend sprechen die Wissenschaftler Jürgen Kocka und Rudolf Smend, beide dem Verlag als Autoren aufs Engste verbunden, über „Historiker, Verleger und Aufklärung. Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen“ und „Theologische Bücher und die Hintergründe ihres Entstehens“.

Aus 276 Jahren Verlagsgeschichte – gegründet wurde der Verlag Vandenhoeck & Ruprecht im Jahr 1735 – gehen die Dokumente von 1735 bis 2000, der ersten 265 Jahre, in öffentliches Eigentum über und stehen nun der Wissenschaft zur Verfügung. Die in der Staatsbibliothek zu Berlin bereits vorhandenen bedeutenden Verlagsarchive haben damit einen außerordentlichen Zuwachs erhalten, die Arbeit mit ihnen und den anderen Nachlässen der Bibliothek ermöglicht ganz neue Forschungsansätze.
In 4.000 Aktenordnern mit ungefähr 400 laufenden Metern manifestieren sich die ersten 265 Jahre auf Papier festgehaltener und überlieferter Geschichte des bedeutenden Göttinger Wissenschaftsverlags Vandenhoeck & Ruprecht sowie seines Tochterverlags V&R unipress. Das mit dem Jahr 1735 beginnende Archiv des Verlags ist vollständig und enthält sämtliche Urkunden, Schriftstücke, Autorenkorrespondenzen, Rezensionen, Auslieferungskataloge, Kalkulationen der Herstellung und Kopiebücher – geschenkt wird jetzt der Teil bis zum Jahr 2000. Eine Ergänzung dieser äußerst großzügigen Schenkung um die Jahre nach 2000 ist ausdrücklich vorgesehen.
Am 13. Februar 1735 gewährte der Rat der Königlich Groß-Britannischen Curfürstlich-Braunschweig-Lüneburgischen Regierung dem Holländer Abraham Vandenhoeck das Privileg, Bücher für die gerade im Entstehen begriffene Göttinger Universität zu drucken und zu vertreiben. Diese enge Verbindung zwischen Universität und Verlag prägte von Beginn  an das Profil des Verlags, der sich über Jahrhunderte als renommierter Wissenschafts-, später auch als Schulbuchverlag etablierte. Dem Verlagsgründer selbst blieben nur 15 Jahre Zeit, seine Verlagsbuchhandlung aufzubauen. Nach seinem frühen Tod führte die Witwe Anna Vandenhoeck 37 Jahre lang Verlag und Buchhandlung, unterstützt von Carl Friedrich Günther Ruprecht, der einst als Lehrling in das Unternehmen eingetreten war. Nach dem Tod der Verlegerin übernahm Ruprecht das Unternehmen und leitete es 29 Jahre.
Sechs Generationen der Familie Ruprecht sollten ihm folgen und den Ruf von Vandenhoeck & Ruprecht als einem der bedeutendsten deutschen Wissenschaftsverlage konsequent ausbauen. Heute ist Vandenhoeck & Ruprecht einer der ältesten deutschen Verlage in Familienhand, elf Mitglieder der Familie Ruprecht sind die Gesellschafter. Im Jahr 2005 erhielt der Verlag eine externe Geschäftsführung. Von Beginn an fanden sich im Programm des Verlags die Namen herausragender Gelehrter wie Albrecht von Haller, August Ludwig von Schlözer oder Johann Stephan Pütter.
Zu den Meilensteinen aus der Buchproduktion von sieben Verlegergenerationen der Familie Ruprecht zählen auch der seit mehr als 175 Jahren lieferbare, immer wieder neu überarbeitete »Kritisch-exegetische Kommentar über das Neue Testament« sowie die fast 100-jährige Editionsgeschichte der Gesammelten Schriften von Wilhelm Dilthey. Inzwischen sind es auch die Bücher für die berufliche Praxis und die Schule sowie anspruchsvolle Sachbücher für ein breiteres Publikum, die dem Programm des Verlags sein ganz eigenes und unverwechselbares Gesicht geben.

In der Staatsbibliothek: Neue Sammlungszusammenhänge, rasche Erschließung
Durch die Schenkung dieses Verlagsarchivs an die Staatsbibliothek zu Berlin werden die hier öffentlich zugänglichen Dokumente zur wissenschaftlichen und belletristischen Buchproduktion in Deutschland weiter verdichtet und so der Forschung neue Fragestellungen ermöglicht: Nach dem bereits im 19. Jahrhundert übernommenen Nachlass des Verlegers Friedrich Nicolai kamen zum Ende der 90er Jahre die Archive des 1945 in der DDR gegründeten Aufbau-Verlags sowie des über 260 Jahre alten Wissenschaftsverlags de Gruyter als Depositum in die Bibliothek. Im vergangenen Jahr erhielt die Staatsbibliothek das Archiv des 1801 gegründeten Mohr Siebeck Verlags, dies ebenfalls als äußerst großzügiges Geschenk. Die Erschließung des V & R – Archivs wird voraussichtlich fünf Jahre dauern.

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