Was Bibliotheken mit Netzneutralität zu tun haben
Der Internationale Bibliotheksverband IFLA hat auf dem World Library and Information Congress im August sein Statement zur Netzneutralität und Zero-Rating verabschiedet. Warum ?
Aufgabe von Bibliotheken ist es, Wissen zugänglich zu machen, und zwar möglichst effizient, gleichberechtigt und ohne Barrieren.
Wenn es im Internet für unterschiedliche Dienste und Inhalte unterschiedliche Geschwindigkeiten gibt, widerspricht das dieser „Mission“ der Bibliotheken. Wenn bestimmte Anbieter von Services, Filmen, Musik oder Nachrichten durch ein Verkehrsmanagement der Telekommunikationsdienstleister (ISP`s) priorisiert werden, heißt das gleichzeitig, dass andere schlechter dran sind, denn: Die Netzkapazität hat Grenzen.
Auch wenn bestimmte Ressourcen gratis angeboten werden, kann das dem Grundsatz der Netzneutralität widersprechen. Denn Gleichbehandlung aller Dienste im Netz heißt auch: Es darf keine Umsonst-Angebote geben. Unter solche fallen Internet-Dienste, die nicht auf das vom jeweiligen Kunden gebuchte Volumen angerechnet werden.
Nach Auffassung der IFLA sind deshalb „Zero-Rating“ Angebote von ISP`s sogar dann abzulehnen, wenn diese Gratis-Dienste gemeinwohlorientiert sind. Auf den ersten Blick scheint das widersinnig: Denn Kunden, die nicht zahlungskräftig sind, könnten dann ja – wenn auch nicht auf alle Netzdienste– so doch immerhin auf solche mit nicht berechnetem (Null)-Volumen zugreifen.
Die Kehrseite wäre jedoch: Dienste, die nicht unter die bevorzugten Kategorien (wie etwa Filme, Musik oder Videokonferenzen) fallen oder nicht an den Provider zahlen, kommen dann langsamer oder gar nicht mehr bei den Menschen an. Zu lange Wartezeiten im Netz führen ja bekanntlich oft zum Wegklicken.
Zur Situation in der Europäischen Union:
Die EU hat 2015 eine Verordnung über Netzneutralität erlassen, nach der ISP´s bestimmte Inhalte, Anwendungen oder Dienste — oder bestimmte Kategorien von diesen — nicht blockieren, verlangsamen, verändern, einschränken, stören, verschlechtern oder diskriminieren dürfen. Je nach Interpretation enthält die Verordnung jedoch Schlupflöcher für die Ungleichbehandlung von durchgeleiteten Inhalten: Bestimmte Verkehrskategorien dürfen z.B. (nur) auf der Grundlage objektiv verschiedener Anforderungen an die technische Qualität der Dienste, nicht aber auf Grundlage kommerzieller Erwägungen bevorzugt behandelt werden.
Wegen der schwammigen Verordnungs-Formulierung hat am 30.8.2016 die EU-Telekommunikations-Regulierungsbehörde BEREC über Leitlinien für die korrekte Auslegung beschlossen. Sie stellt klar, was als Diskriminierung gilt und was (noch) erlaubt, ist um z.B. die Qualität von bestimmten Spezialdiensten aufrecht zu erhalten. Jedenfalls ist nun (mehr oder weniger ?) eindeutig, dass bestimmte Verkehrskategorien oder Inhalte nicht aufgrund der Zahlung seitens der Anbieter priorisiert werden dürfen (Leitlinien, Rn.68): Dienste wie Soundcloud oder Netflix könnten also durch Verträge mit ISP´s nicht erreichen, dass ihre Streaming-Dienste schneller oder verlässlicher durchgeleitet werden als andere Inhalte. Zero-Rating ist erlaubt, soweit dadurch andere Inhalte nicht geblockt oder verlangsamt werden (Rn.55).
Ob und inwieweit diese Vorgaben auch umgesetzt werden, hängt allerdings von den Regulierungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten ab. Bibliotheken und ihre Verbände sollten sich auch hier für eine Gleichberechtigung der Netz-Inhalte einsetzen.
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