Alles ist Anfang
Feierliche Übergabe des Vorlasses von Hans-Joachim Gelberg an die Staatsbibliothek zu Berlin
„Nun legen wir mal die Hand auf das, was wir Kinderliteratur nennen und atmen tief durch. Unsere digitalen Erstleser haben Anspruch auf Qualität. Und es ist glücklicherweise so – mit Bildern und Sprache, mit Worten und Geschichten und Gedichten entsteht Welt, die wir lieben. Wir können sie getrost in die Hände der Autoren, der Künstlerinnen legen. Es ist immer wieder ein Anfang.“ (Hans-Joachim Gelberg, 6. Juni 2019)
Seine Kindheit, so berichtet Hans-Joachim Gelberg anlässlich der feierlichen Übergabe seines Vorlasses, habe nicht auf eine berufliche Karriere im Verlagswesen hingedeutet.
Weder besondere schriftstellerische Fähigkeiten noch ein entsprechender Kunstsinn wurden ihm von der Mutter oder den Lehrern zuerkannt. Erst als dem Jungen in einem oberösterreichischen Lager der Kinderlandverschickung die Verantwortung für die Schulbibliothek übertragen und einer seiner Aufsätze als bester ausgezeichnet und vor allen Mitschülern verlesen wurde, entdeckte sich Hans-Joachim Gelberg als möglicher späterer Literat. Fortan verschlang er Weltliteratur, erlebte, wie das durch gesammelte Bücher offenbare Interesse an russischer Literatur vor einer bedrohlichen, intensiveren Hausdurchsuchung durch die russischen Besatzer schützen konnte, und genoss als 15-Jähriger den beglückenden Moment, den eigenen Namen als Autor unter seinem ersten veröffentlichten Aufsatz zu lesen.
All diese prägenden Erfahrungen flossen in Hans-Joachim Gelbergs späteres Handeln als Lektor und Verleger mit ein. So gab er in seiner erfolgreichen Magazinreihe Der bunte Hund später auch anderen Kindern die Gelegenheit, sich erstmals als Autor oder Autorin zu erproben. Dabei hatte er als Buchhändler und später als Lektor nach eigenem Bekunden mit Kinder- und Jugendliteratur zunächst „nicht viel am Hut.“ Erst das Lektorat für die neue Taschenbuchreihe im Arena-Verlag (Würzburg) führte ihn auf diesen Pfad, von dem er während seines gesamten Berufslebens nicht mehr abkam.
Seine Maxime, hochwertige, anspruchsvolle Literatur für Kinder machen zu wollen, bringt Gelberg an diesem Abend mit einem Zitat von C.S. Lewis zum Ausdruck: „Kein Buch ist es wert, mit zehn gelesen zu werden, wenn es nicht gleichermaßen wert ist, mit fünfzig gelesen zu werden.“ Dementsprechend war er seit den späten sechziger Jahren, vor allem aber in den Siebzigern, stets ein Suchender: Immer bestrebt, neue Autor*innen und Illustrator*innen zu finden, die Literatur für ein junges Publikum entsprechend den modernen Ansprüchen schufen, dem aufmüpfigen Zeitgeist der 70er Jahre folgend, und sich dabei am Anspruch und Maßstab der Literatur für Erwachsene orientierten.
Im Herbst 1971 gründete Hans-Joachim Gelberg das Kinder- und Jugendbuchprogramm des Verlags Beltz & Gelberg, dessen orangefarbene Buchumschläge (damals ein unternehmerisches Wagnis!) seitdem Generationen von Kindern und Jugendlichen begleitet haben. Der Verleger Manfred Beltz-Rübelmann hatte ihn geholt und ließ ihn „machen bis zur Schmerzgrenze“. Gelberg verstand seinen Bereich als Autorenverlag. Im Laufe der Jahre unterhielt er Kontakt zu Schriftsteller*innen wie Janosch, Christine Nöstlinger, Mirjam Pressler, Peter Härtling, Leonie Ossowski, Klaus Kordon sowie Josef Guggenmos und vielen anderen. Ja, auch Guggenmos, denn auch Kinderlyrik förderte er. Vom Sinn der Kinder für Lyrik ist Gelberg nach wie vor überzeugt, nur seien Erwachsene hier als Vermittler wichtig. Die Liste der heute wohlbekannten Namen, die teils überhaupt durch Hans-Joachim Gelberg entdeckt wurden, beeindruckt nachhaltig. Für den Bereich der Kinderbuchillustration stehen dafür u.a. Namen wie Axel Scheffler, Rotraut Susanne Berner, Jutta Bauer sowie ganz besonders Nikolaus Heidelbach, dessen Monster-Darstellungen ihm erstmals in den Schaufenstern eines Antiquariats in Amsterdam auffielen. Und Hans-Joachim Gelberg wäre nicht ein engagierter und überzeugter Kinderbuchverleger der 70er-Jahre gewesen, hätte er nicht auch trefflich mit anderen Beteiligten – Kritikern, Autoren, Verlegern – diskutiert und gestritten.
All diese Zeugnisse eines so beispiellos umfassenden Engagements für das Kinder- und Jugendbuch in der wichtigsten Umbruchzeit des 20. Jahrhunderts hat Hans-Joachim Gelberg nun der Staatsbibliothek als Vorlass übergeben. Dafür ist ihm die Staatsbibliothek zu Berlin in höchstem Maße dankbar, betont die Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf in ihrer Ansprache. Und Carola Pohlmann, die Leiterin der Kinder- und Jugendbuchabteilung, fügt hinzu, dass sich ihre Abteilung auch mit dem einschlägigen Fachpublikum freue, dem dieser Schatz somit zum Heben zugänglich wird!
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