Literatur im Foyer: Joseph Eichendorff

Nirgends weltweit — abgesehen von den noch reicheren Sammlungen des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt am Main — werden mehr Eichendorff-Handschriften verwahrt als in der Staatsbibliothek zu Berlin. Am 150. Todestag Joseph von Eichendorffs, am 26. November 2007, erinnert eine kleine Ausstellung im Foyer des Hauses Potsdamer Straße am Kulturforum an den romantischen Dichter. Unter dem Titel „Mich aber zog ein wunderbares Streben“ – so auch der Titel der Begleitbroschüre – spannen 50 Autographe und Drucke einen weiten Bogen durch sein lyrisches Schaffen in den Jahren von 1807 bis 1854. Eichendorff lebte von 1788 bis 1857.
18 Blätter mit handschriftlichen Entwürfen oder Reinschriften seiner Gedichte, drei eigenhändige Briefe beziehungsweise Briefentwürfe, Erstdrucke seiner Lyrik in literarischen Zeitschriften sowie illustrierte Ausgaben von „Aus dem Leben eines Taugenichts“ repräsentieren das Schaffen und das Leben Joseph von Eichendorffs. Unter den ausgestellten Autographen ist auch die einzige überlieferte Handschrift des berühmten Gedichts „Mondnacht“, in der Präsentation ergänzt durch die Musikhandschrift der Vertonung durch Robert Schumann, die sich ebenfalls im Besitz der Staatsbibliothek zu Berlin befindet.
Es ist dem Bibliothekar Professor Dr. Heinrich Meisner (1849-1929), der in der Königliche Bibliothek viele Jahre in leitenden Positionen tätig war, zu verdanken, dass ein großer Nachlassteil Eichendorffs bereits 23 Jahre nach dessen Tod in diese Bibliothek fand. Vermutlich verkaufte die Tochter Eichendorffs, Therese, die ihr nach der Aufteilung der väterlichen Handschriften unter den drei Kindern zugefallenen 250 Blätter später weiter. Über mehrere Stationen gelangten die Autographe im Jahr 1880 in die heutige Staatsbibliothek zu Berlin.
Einen besonderen Wert maß man den Autographen damals nicht bei, zu wenig entsprachen sie der Vorstellung vom ‚schönen’ und makellosen Autograph, waren unter dem Aspekt der Ästhetik eher unattraktiv, und entsprechend gering war der Kaufpreis von 36 Mark. – Heute liegt die Bedeutung der Eichendorff-Autographe gerade darin, den ‚work in progress’-Charakter des Dichtens zu dokumentieren: Zahllose Streichungen und Überschreibungen sowie der Willen, den Papierbogen bis zum Äußersten auszunutzen, dokumentieren den Schaffensprozess, geben Einblick in die Genese eines literarischen Werks.
Verschiedene in der Ausstellung präsentierte Gedichte blieben zu Lebzeiten Eichendorffs ungedruckt; andere weisen deutliche Spuren von Überarbeitungen auf. Einige führte Eichendorff auch nach Jahrzehnten noch selber durch, andere stammen von Eichendorffs Jugendfreund Otto Heinrich Graf von Loeben wie im Falle der Niederschrift des Gedichts „Zorn“, oder auch von Eichendorffs Sohn Hermann, der nach dem Tode des Vaters und der Aufteilung des Nachlasses unfertige Gedichtentwürfe zu druckreifen Fassungen ‚vervollständigte’.

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