Kennt Ihr die Geschichte von Iwein …?
Lesung von Felicitas Hoppe im Rahmen der Abschlussveranstaltung der Ringvorlesung „Merlin in Bermuda-Shorts“ der Humboldt-Universität zu Berlin
„Kennt Ihr die Geschichte von Iwein, der eines Tages aus lauter Langeweile auszog, um Abenteuer zu suchen und sein Herz dabei gegen ein anderes tauschte und deshalb seinen Verstand verlor? Danach irrte er durch den Immerwald und musste gegen tausend Ungeheuer kämpfen, bis alles doch noch ein gutes Ende nahm.“ so las die u.a. mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnete Autorin Felicitas Hoppe aus ihrem Kinderbuch, Iwein Löwenritter. In dem erst vor gut eineinhalb Jahren nach intensiver Restaurierung für die Benutzung wieder freigegebenen Wilhelm-von-Humboldt-Saal der Staatsbibliothek zu Berlin (Haus „Unter den Linden“) herrschte gebannte Stille. Gedämpftes Licht, höfisch anmutendes Ambiente – man hätte Felicitas Hoppe auch gerne das gesamte Buch vorlesen hören. Da es sich bei der Veranstaltung am 11. Februar aber um den Abschluss der Ringvorlesung „Merlin in Bermuda-Shorts“ der Humboldt-Universität zu Berlin handelte, konnten nur drei kurze Ausschnitte zum Besten gegeben werden. Das angeregte Podiumsgespräch, welches die Lesung flankierte, zog die Zuhörer jedoch gleichfalls in seinen Bann.
Die Initiatorinnen der Reihe, die Dozentinnen des Instituts für deutsche Sprache der Humboldt-Universität Prof. Dr. Julia Benner (Kinder- und Jugendliteratur) und Dr. Lea Braun (Literatur des hohen Mittelalters), hatten ihre Kollegin Prof. Dr. Jutta Eming als ausgewiesene Spezialistin für Hartmanns von Aue Iwein an der Freien Universität Berlin (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie) hinzugebeten. Und so entspann sich aus den Fragen Julia Benners und Lea Brauns ein ebenso informatives wie kurzweiliges Gespräch über das Motiv des Ritters in der Literatur, über den Unterschied zwischen Âventiuren und dem heutigen Verständnis vom Abenteuerroman, über pragmatische mittelalterliche Frauenfiguren, Tempuswechsel in der Erzählung und die Frage, ob und wie mittelalterliche Texte für das moderne Publikum adaptiert werden sollen.
Felicitas Hoppe war eher zufällig auf den Stoff des „Iwein“ gestoßen, als sie nach einer passenden Reiselektüre suchte. Der Text Hartmanns von Aue faszinierte sie so, dass sie später, als Tilman Spreckelsen bei ihr anfragte, ob sie die von ihm im Fischer-Verlag geplante Reihe der „Bücher mit dem blauen Band“ mit einem spannenden, abenteuerlichen Stoff eröffnen wolle, sofort an Iwein, den Ritter der Artusrunde, dachte. Ritter, so die Autorin, seien großartig und lächerlich zugleich. Einerseits werde der Mann in dieser Rolle als ultimative Kampfmaschine dargestellt, andererseits sei er in seiner Rüstung derartig hilflos, dass er von einem Knappen geführt werden müsse, da er durch sein Visier selbst nicht genügend sehen konnte.
Auch die zu ihrem Buch eingereichten Illustrationen hätten die Lächerlichkeit des Sujets „Ritter“ unterstrichen. Comic-Ritter und andere Varianten seien schlicht inakzeptabel gewesen, so dass die Veröffentlichung hinausgeschoben werden musste. Schließlich habe Michael Sowa, der für die Umschlagillustration gewonnen werden sollte, nach der Lektüre der Erzählung begeistert angeboten, den kompletten Band zu illustrieren. Das sei jedoch finanziell nicht darstellbar gewesen. Insofern habe man sich auf die vier Bildtafeln geeinigt, die nun im Buch enthalten sind. Die dargestellten Szenen habe der Künstler selbst ausgewählt, berichtete Feliciticas Hoppe und bedauerte lediglich, dass keine einzige weibliche Figur zu sehen sei.
Die Faszination, die von der Ritterwelt ausgeht, resümierte sie, beruhe vor allem darauf, dass man sich bei Hofe den Luxus leistete, sich eine schöne, perfekte Welt zu schaffen, die in krassem Gegensatz zur realen Welt draußen stand. Und Jutta Eming sekundierte, dass dies im Prinzip auch für Hartmann von Aue gegolten habe. Der Forschung sei noch immer unbekannt, wer ihn in den Zustand versetzte, diesen Text auf kostbarem Pergament niederzuschreiben. Was auf den ersten Blick an ein Wunder grenze, habe auf höfischem Mäzenatentum beruht.
Auf die Tempuswechsel innerhalb des Textes angesprochen, erklärte Felicitas Hoppe, dass sie deshalb immer Ärger mit ihrem Lektor gehabt habe. – Dabei gebe es diese im mittelalterlichen Original ebenso, merkte Jutta Eming an. – Die Autorin berichtete daraufhin schmunzelnd, dass sie dem Präsens die Funktion eines „Ewigkeits-Tempus“ bzw. „Rampen-Tempus“ zugewiesen und eine Theorie entwickelt habe. „Denn wenn man eine Theorie hat, kann man seine Vorstellungen eher umsetzen, als wenn man sagt: ‚Mir war gerade so danach.‘“
Hätte sie übrigens zuvor mit einigen Mediävisten gesprochen, bekannte sie, hätte sie sich an den Stoff gar nicht herangetraut. Die Rezension des inzwischen verstorbenen Peter Wapnewski, einem der herausragendsten Vertreter seiner Zunft, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ vom 09.08.2008, S. Z5) habe ihr deutlich vor Augen geführt, wie unvoreingenommen sie an den Text Hartmanns von Aue herangegangen und ihn ungeachtet aller sprachlichen Konventionen und historischen Implikationen für ein junges zeitgenössisches Publikum adaptiert habe. Eine Aufgabe, über die Peter Wapnewski, seinen Kollegen Max Wehrli zitierend, schrieb, dass es „kaum ein schwierigeres Übersetzungsproblem als die neuhochdeutsche Wiedergabe eines mittelhochdeutschen Versromans“ gebe.
Felicitas Hoppe lässt sich jedoch nicht abschrecken und arbeitet derweil an einer modernen Version der Nibelungensage. „Glaubt es mir, oder glaubt es mir nicht, wahr ist es trotzdem […]!“ [Iwein Löwenritter, S. 14]
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