Kostbare Stundenbücher – Spiegel spätmittelalterlicher Weltsicht

Ausstellung „Illuminierte Stunden. Horae B.M.V.“
Stationen in Deutschland, Frankreich, Schweiz, England

Seit heute zeigt die Staatsbibliothek zu Berlin im Haus Unter den Linden eine Ausstellung besonders kostbarer spätmittelalterlicher Buchdrucke.

Dem Sammler Heribert Tenschert, Gründer und Besitzer des Antiquariats Bibermühle in Ramsen/Schweiz, gelang es im letzten Jahrzehnt, mit viel Geschick 160 Exemplare des seltenen Genres gedruckter Stundenbücher aus dem 15. und 16. Jahrhundert zu erwerben. Damit besitzt Heribert Tenschert die größte in Privathand existierende Sammlung französischer Stundenbuchdrucke. Besonderen Wert legt er auf die wissenschaftliche Beschreibung seiner Bücher.

In der Ausstellung, die vom 27. Juni bis zum 3. August 2002 unter dem Titel „Illuminierte Stunden. Horae B.M.V. Buchdruck, Grafik, Buchmalerei und Einbandkunst in Frankreich 1490 – 1550“ zu sehen ist, befinden sich 125 Drucke und einige Handschriften der wertvollen Stundenbücher.

Unter den Spitzenstücken ist das Dedikationsexemplar der Grandes Heures Royales für Anne de Beaujeu von 1490, eine ebenso ungewöhnliche wie komplexe Komposition aus Druck, illuminierten Holzschnitten, Miniaturen sowie handschriftlichen Texten.

Geoffroy Tory druckte in den Jahren 1525 bis 1531 neuartige Stundenbücher, deren Dekors er mit à la moderne und à la antique umschrieb, ein Exemplar aus dem Jahr 1531 ist ausgestellt.

Von der Hand führender Pariser Buchmaler wurde um 1508 ein außergewöhnliches Prachtexemplar auf allen 180 Seiten durchgehend illuminiert.

Mehrere Stundenbücher, die in der Ausstellung nicht aufgeschlagen sind, geben einen ­Eindruck von Glanzstücken der Einbandkunst.

Außerdem wird eine Auswahl besonders kleiner Stundenbücher aus den 1520er Jahren präsentiert.

Ein Stundenbuch war das beliebteste Gebetbuch für Laien. Vom Zentrum des spätmittelalterlichen Stundenbuchdrucks Paris aus wurden die Bücher nach ganz Europa geliefert. Stundenbücher sind häufig mit prächtigen Illustrationen versehen, welche dem Betenden die Heilsgeschehnisse vor Augen führen und den Text in übersichtliche Passagen gliedern. Durch den Buchdruck wurde es möglich, Holz- und Metallschnitte zu reproduzieren und so eine Bilderfülle zu erreichen, die es zuvor nur in Prachthandschriften gab. Begüterte Kunden ließen oft ihr Gebetbuch von Buchmalern im Stile einer Handschrift individuell ausgestalten. Die eindrucksvolle Folge der Vorbesitzer – Hochadel und Angehörige des Königshauses im 15. Jahrhundert bis hin zu den größten Bibliophilen der jüngeren Gegenwart – zeugt vom hohen Ansehen und vom Wert dieser Bücher, der sich auch in ihrem einzigartigen Erhaltungszustand und den exquisiten Einbänden ausdrückt.

Berlin ist nach Leipzig die zweite Station der Wanderausstellung des Antiquariats Bibermühle. Danach wird diese auch in Paris, München, Zürich, Genf und Cambrigde gezeigt. Die Präsentation wird demnächst von einem reich bebilderten wissenschaftlichen Katalog begleitet, der die gesamte Sammlung Bibermühle – 109 Pergamentdrucke, 28 Inkunabeln, und 52 zeitgenössisch illuminierte Exemplare – in drei Bänden dokumentiert.

Daten zur Ausstellung

Donnerstag, 27. Juni bis Samstag, 3. August 2002
„Illuminierte Stunden. Horae B.M.V.
Buchdruck, Grafik, Buchmalerei und Einbandkunst in Frankreich 1490‑1550″

Vestibül im Haus Unter den Linden 8, 10117 Berlin
Mo‑Fr 9‑21 Uhr, Sa 9‑17 Uhr, sonn‑ und feiertags geschlossen

 

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