Staatsbibliothek zu Berlin-PK / CC NC-BY-SA

Luxemburger Literaturpreisträger Jean-Paul Jacobs verstorben

Jean-Paul Jacobs (1941-2016) - Staatsbibliothek zu Berlin-PK / CC NC-BY-SA

Jean-Paul Jacobs (1941-2016)

Der am 23. Januar 1941 in Esch/Alzette geborene Luxemburger Dichter und Schriftsteller Jean-Paul Jacobs ist tot. Der Träger des Prix Servais 2005 und langjähriger Mitarbeiter der Staatsbibliothek starb am 19. Juli 2016 im Alter von 75 Jahren in seiner Wahlheimat Berlin.

Nach dem Studium der Musikwissenschaften, der Geschichte und der Philosophie in Bonn zog es ihn auf Einladung des österreichischen Dichters H.C. Artmann 1966 nach Berlin. Die damals noch geteilte Stadt und das spätere wiedervereinigte Berlin mit seinem von kulturellen Kleinodien gespickten Umland wurden für Jean-Paul Jacobs zur immerwährenden Inspirationsquelle.
Seinen Lebensunterhalt verdiente sich Jean-Paul Jacobs zunächst auf dem Bau, bei der Bahnhofsmission, im Musikarchiv des Radiosenders Rias, bevor er in der Zeit von 1975 bis 2006 als Mitarbeiter der Staatsbibliothek tätig war.
Als vielseitig Kulturinteressierter war Jacobs immer wieder begeistert, am Kulturforum, dem wie er selbst sagte „Wie von Götterhand geschaffenen Ensemble der Musik, der Literatur und der Schönen Künste“ zu arbeiten.

Jean-Paul Jacobs war einer der herausragenden deutschsprachigen Luxemburger Dichter. Sein 1965 in Luxemburg veröffentlichter erster Gedichtband „Apoll kaputt“ sorgte für Aufruhr im bürgerlich geprägten Luxemburg der 60iger Jahre – Schüler lasen Jacobs’ Gedichte heimlich unter der Schulbank.
Mit seiner grotesken, ironischen, skurril-extravaganten, surrealen, mit Zitaten, Anspielungen und Metaphern geschmückten Lyrik wollte er die Leserschaft „ergötzen und erquicken“ wie er selbst sagte. „Prächtige Melancholie und melancholische Pracht“ kennzeichnen seine Poesie.

Kondolenz-Tweet des luxemburgischen Premierministers - Screenshot

Kondolenz-Tweet des Premierministers von Luxemburg

Das Band zu seiner Heimat Luxemburg zerriss nie – zehn seiner zahlreichen Publikationen sind in Luxemburger Verlagen erschienen. 2005 erhielt er für den im Luxemburger Verlag Editions Phi erschienenen Gedichtband „Jenes Gedicht & mit nichts“ den renommiertesten Luxemburger Literaturpreis „Prix Servais“. In seiner Dankesrede, gehalten am 6. Juli 2005 im Centre National de Littérature in Mersch/Luxemburg beschreibt Jacobs das Wesen der Poesie. „Der Poesie muss ein zauberhafter Zauber innewohnen, der weder vom Dichter selbst, noch vom Leser erklärt werden kann. Die einzige Instanz, die die Poesie zu deuten vermag, ist die Poesie selbst.“
Wer das Glück hatte, bei einer der vielen Lesungen in Kulturinstitutionen, Galerien, bei Förderern und Freunden in Deutschland und Luxemburg dabei zu sein, konnte Jean-Paul Jacobs als den besten Interpreten seiner Texte erleben.

Jean-Paul Jacobs war nicht nur Dichter sondern auch unermüdlicher, enthusiastischer Entdecker unbekannter und vergessener Komponistinnen und Komponisten des 18. und 19. Jahrhunderts: In den Jahren 2009 bis 2015 produzierte er für den Luxemburger Radiosender 100,7 zahlreiche Sendungen. Er selbst, hochmusikalisch, spielte Orgel, Cembalo und Klavier.

Bis zuletzt war Jean-Paul Jacobs trotz schwerer Krankheit schöpferisch tätig – noch drei Tage vor seinem Tod erschien sein letzter Gedichtband „fragmente“, von Freunden für ihn herausgegeben, als Abschiedsgeschenk für seine Leserinnen und Leser.

Den Blick auf das Schöne und Gute zu lenken, zu verzaubern und in Staunen zu versetzen, war ihm mehr als ein Anliegen.

 

an eine unbekannte cousine in venedig
ma chère cousine
einst saß ich in venedig
in harry’s bar
und grübelte darüber
ob ich ihnen vielleicht ein paar verse
über einen seltenen venezianischen vogel
den ich das glück hatte
in santi giovanni e paolo
herumstolzieren zu sehen
zukommen lassen sollte

was bedeutet ihnen nun das gedicht
über den wunderlichen aber
von der natur meisterhaft
kolorierten vogel
das ich ihnen in venedig
durch einen livrierten boten
habe überreichen lassen?

sie lesen es ja nicht einmal
und selbst dann wenn sie
zufällig zeit und lust gehabt hätten
es zu lesen
würden sie mir nicht sagen
ob es ihnen gefallen hat
oder nicht

sie schweigen
tag und nacht

es ist nun aber nicht so
dass ich nicht wüsste
dass ich ein narr bin
ich erkläre es ihnen

sie schweigen nur
weil ich nicht anders kann
als sie mir schweigend vorzustellen
aus angst darüber
aus ihrem mund
eine abfällige äußerung über ein gedicht
mit einem so schönen und seltenen vogel
hören zu müssen

Aus: J-P Jacobs: Garten im Winter. Privatdruck 2016

o tirsis
du der du im schatten
so gerne ruhtest
wo ruhst du jetzt
wohl nah an den weiten landschaften
in die dir die götter
marmorne schafe hingesetzt haben
o tirsis mein gütster!

Aus: J-P Jacobs: fragmente. Privatedition 2016

0 Kommentare

Ihr Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlassen Sie uns einen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.