Fachpraktikum im Archiv der DDR Opposition
Bestandteil meiner 3-jährigen Ausbildung zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) ist ein Fachpraktikum; d.h. ein Praktikum in einer anderen Fachrichtung des Ausbildungsberufes FaMI. (Insgesamt gibt es fünf Fachrichtungen: Archiv, Bibliothek, Bildagentur, Information und Dokumentation, und Medizinische Dokumentation.) Ich entschied mich für die Fachrichtung Archiv und absolvierte das Praktikum im Archiv der DDR-Opposition der Robert-Havemann-Gesellschaft e.V. (RHG), das meine Aufmerksamkeit erregte und ich deshalb auswählte, da ich das Thema der DDR-Opposition interessant finde.
Das Archiv der RHG hat seinen Sitz im Berliner Bezirk Lichtenberg auf dem ehemaligen Gelände der Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Es sammelt und bewahrt die Selbstzeugnisse von Opposition und Widerstand gegen die SED-Diktatur, die die Gegenüberlieferung zu den Staats- und Parteiakten des überwundenen Regimes bilden.
Grundlage der Arbeit sind die inzwischen auf 1500 laufende Meter angewachsenen Archivbestände, wovon 800 laufende Meter komplett erschlossen sind. In diesen Überlieferungen finden sich Nachlässe und persönliche Archivbestände von bekannten Persönlichkeiten, wie Robert Havemann, Wolfgang Ullmann, Gerd und Ulrike Poppe, Bärbel Bohley sowie Materialien von Widerstandsgruppen, Friedens- und Umweltgruppen, kirchlichen und nicht-kirchlichen Initiativen sowie Unterlagen der Bürgerbewegungen und neuen Parteien von 1989/90. Gesammelt wurden und werden Schriftdokumente wie Flugblätter, Aufrufe, Briefe, Eingaben, Appelle u. a., Fotos, Transparente, Plakate, Film- und Tondokumente. In ihrer Gesamtheit zeigen die Bestände ein breites Bild von oppositionellem und widerständigem Handeln in der DDR.
Die ersten 3½ Wochen lernte ich das Schriftgut-Archiv kennen, welches die schriftlichen Überlieferungen von Gruppen, Initiativen und Vereinigungen der Oppositions- und Bürgerbewegung der DDR, aber auch persönliche Archivbestände und Nachlässe von besonderer Bedeutung und Aussagekraft aufbewahrt und der Öffentlichkeit zugänglich macht. Ich beschäftigte mich erstmalig mit archivischen Tätigkeiten, wie z.B. dem Ordnen und Sortieren einzelner Konvolute ehemaliger Oppositioneller und der Themensammlung zum „17. Juni 1953“; dem Erstellen einer Inhaltlichen Erstaufnahme (des persönlichen Bestandes „Christian Tietze“), die für die entsprechende vertragliche Vereinbarung der Provenienzstelle mit dem Archiv notwendig ist und dem Vertrag als Anlage beigefügt wird; oder der Erschließung der umfangreichen Nachlässe des ehemaligen GULAG-Häftlings Roland Bude und des Schriftstellers Jürgen Fuchs.
Weiterhin unterstützte ich die Archiv-Mitarbeiter*innen bei vorbereitenden Maßnahmen im Zuge einer Bestandsrückführung und der Durchführung dieser. Nach der Digitalisierung, Einzelblatt-Entsäuerung und Verfilmung zahlreicher Bestände (durch einen externen Dienstleister) wurden die Archivalien in die Magazinräume nach entsprechender Standortkennung wieder eingelagert.
Neben dem Schriftgut-Archiv gehört zur RHG auch ein Bild-Archiv. Die Bestände umfassen ca. 620.000 Fotos, von denen etwa 100.000 digitalisiert sind. Hier gab man mir die Aufgabe, den „Bestand GrauZone“ (etwa 2.000 Fotos zur unabhängigen Frauenbewegung der DDR) in der Datenbank „AUGIAS-Archiv“ zu verzeichnen. So sah ich viele Aufnahmen von z.B. Frauencamps, Gruppentreffen, Friedenswerkstätten, Tagungen, Demonstrationen, Lesbenforen, und auch vom Gründungskongress des Unabhängigen Frauen-Verbandes (UFV) der DDR im Jahre 1991.
Vieles an dem Praktikum gefiel mir sehr gut. Abgesehen vom Kennenlernen und Ausführen archivischer Tätigkeiten, erhielt ich einen einprägsamen und unverfälschten Einblick in oppositionelle Bewegungen und deren Aktivitäten, nahm an einer kostenlosten Führung durch das Stasimuseum teil, und wurde außerdem sehr lieb von den Kolleg*innen aufgenommen.
Ihr Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie uns einen Kommentar!