Unter den Gerüsten – ein Baustellenspaziergang

Ob Berlin tatsächlich dazu verdammt ist, ‚…immerfort zu werden und niemals zu sein‘ wie Karl Scheffler, der deutsche Kunstkritiker und Publizist es einmal formulierte, lassen wir hier mal dahingestellt. In einer Stadt, in der Events wie der ‚Tag der offenen Baustelle‘ und das ‚Ballett der Baukräne‘ ein in die Zehntausende gehendes Publikum finden, kann man allerdings annehmen, dass es eine gewisse Baustellenaffinität gibt. Vielleicht hat das eine mit dem anderen etwas zu tun. Oder ist es der Raum, den unfertige Räume der eigenen Phantasie lassen, der Baustellen so spannend erscheinen lässt? Egal, Baustellen sind interessant und das umso mehr, je länger man auf die Fertigstellung warten muss. Und vielleicht fragen sich auch die Leserinnen und Leser der Staatsbibliothek, wenn sie den Eingang in der Dorotheenstraße nutzen, wie wohl die Baustelle an der Vorderseite des Hauses voranschreitet. Ihnen soll hier geholfen werden, es folgt ein Baustellenrundgang mit Bildern.

Ansicht der Fassade mit wildem Wein

Wilder Wein im Brunnenhof

Am besten startet man den Rundgang im Brunnenhof, diesem schattigen Refugium inmitten der quirligen Stadt. Wilder Wein rankt an den schattigen Fassaden, das Wasser plätschert im Brunnen… Moment – dieser Baustoffablageplatz soll der Brunnenhof sein?

Sogar im Brunnen selbst lagern Gerüstteile, Baustoffe liegen im Weg und die Schwierigkeiten, die eine Baustelle ohne freies Gelände darum herum macht, erschließen sich von selbst. Es fehlt an Baufreiheit, sagt der Fachmann. Jeder Platz muss genutzt werden und das einzig Schöne ist im Moment die Tatsache, dass Teile des wilden Weins bis heute überlebt haben. Die Phantasie muss angestrengt arbeiten, um sich hier wieder einen idyllischen Ort vorstellen zu können.

Treppenhaus

Treppenhaus

Nun ein Blick in das große Treppenhaus. Auch hier Gerüste überall, große Planen verhängen die Wände, aber die Treppe sieht aus wie zuvor. Erst wenn der Blick nach oben schweift, sieht man das Ausmaß der Arbeiten. Praktisch die gesamte Dachkonstruktion über der Treppe musste bearbeitet werden.

Wir betreten den vorderen Teil des Gebäudes. Der Treppenaufgang zu den Veranstaltungssälen wirkt heller als zuvor? Hier wurde im Zuge der Arbeiten für die Entrauchungsanlage ein Glasdach eingezogen. Brandschutzmaßnahmen können also auch mal positive Auswirkungen haben! Das kunstvoll wiederhergestellte Geländer ist noch vollständig versteckt hinter schützenden Planen.

Blick auf das Glasdach

Treppenhaus zu den Veranstaltungsräumen

Oben angekommen, sieht es fast so aus, als müsste nur noch einmal durchgefegt werden. Der Bereich der Veranstaltungsräume steht kurz vor der Fertigstellung. Im Vorraum schmückt eine Skulptur von Hugo Lederer eine Wandnische. Die Lampen sind noch verpackt – es sind die gleichen, wie im Rara-Lesesaal.

Skulptur im Vorraum der Veranstaltungssäle

Skulptur ‚Gottvater beseelt Adam von Hugo Lederer

Man öffnet die Türen zum künftigen Humboldt-Saal und – man betritt Schloss Sanssouci! Oder wenigstens Charlottenburg. Hier entsteht ein prachtvoller Saal mit textilen Wandverkleidungen und einem Parkett aus Räuchereiche. Zurzeit werden die bereits angebrachten Wandbespannungen gebügelt. Ja, das sieht genau so lustig aus, wie es sich anhört.

Der größte der Veranstaltungssäle

Humboldt-Saal

Durch ein Fenster zum Hof hat man einen Blick auf die Dachkonstruktion über dem großen Treppenhaus. Die Statik verlangte es, dass die angrenzenden Seitenflügel nahezu neu gebaut werden mussten. Und obwohl so viel historische Substanz wie möglich erhalten wurde, sind sie künftig in der Lage, viel stärkere Lasten aufzunehmen (großes Foto am Kopf des Beitrags).

Treppauf, treppab, die Gänge entlang – längst hat man die Orientierung verloren. Da öffnet sich plötzlich ein hoher, dunkler Raum voller Regale.

Leere Regale

Bücherregale im Inneren der Kuppel

Man hat den Innenraum der neu gebauten Kuppel an der Straßenfront Unter den Linden erreicht. Ach, wie schön war von hier die Aussicht auf die Mitte Berlins beim Richtfest! Jetzt ist das Dach gedeckt, die Aussicht weg und künftig wohnen hier, na was schon? Bücher.

Weiter geht die Wanderung durch den künftigen Bereich der Handschriftenabteilung, auch an separate Räume für die Inkunabeln und die Autographen ist gedacht. Sogar die Kunst am Bau ist schon im Entstehen – hier wird es ein weiteres Objekt von Tobias Rehberger aufgebaut. Im ehemaligen Infozentrum werden  Gruppenarbeitskabinen eingebaut. Die Farbgestaltung der Flure unterscheidet sich von der im hinteren Bauabschnitt. Überwiegen hinten Grüntöne, sind die Wände im vorderen Bereich in einem hellen Braunton gehalten.

Der künftige Handschriftenlesesaal

Handschriftenlesesaal

Zurück im Erdgeschoss werfen wir abschließend einen Blick in den Bibliotheksshop und die zukünftige Cafeteria. Hier können, nach Abschluss aller Arbeiten, auch die Besucher des am Ende des letzten Bauabschnitts eröffneten Bibliotheksmuseums einkehren. Vor allem aber Leserinnen und Leser können sich dann bei einer Tasse Kaffee darüber freuen, dass sie die Bauarbeiten endlich überstanden haben. Doch bis dahin bleibt vorerst nur die eigene Phantasie beim Betrachten der Baubilder.

Alle Bilder in diesem Beitrag: Staatsbibliothek zu Berlin – PK / Gudrun Nelson-Busch CC BY-SA-NC

Die zukünftige Cafeteria

Die zukünftige Cafeteria

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