Mit Flugblättern, Freunden und Freude: Citizen Science Projekt der Stabi geht weiter!

Zwei Jahre sind im Citizen Science Projekt an der Stabi zu Kriegsflugblätter des Zweiten Weltkriegs vergangen, das in Kooperation mit dem Verein der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin durchgeführt wird und von dessen Start und Fortgang wir im Blog berichten. Das Interesse unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Thema ist ungebrochen, daher geht unser Citizen Science Projekt in die dritte Runde.

Projekttreffen im März

Im März 2025 kamen die ehrenamtlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projekts zum jährlichen persönlichen Treffen zusammen, um sich auszutauschen. Da die Flugblätter noch nicht digital vorliegen, gingen seit Frühling 2023 über 2.000 Flugblätter durch die Hände der Projektteilnehmenden.

Ehrenamtliche Projektteilnehmer:innen mit der Leiterin der Geschäftsstelle des Vereins der Freunde der SBB, Gwendolyn Mertz-Jork, beim Projekttreffen im März 2025. Copyright: SBB-PK.

Während des Projekts erhalten die Teilnehmenden Einblick in die unterschiedlichen Gestaltungsformen von Flugblättern. Bisher war eine Bandbreite an Flugblättern in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache Gegenstand im Projekt. Die Flugblätter wurden überwiegend von deutschen Propagandaabteilungen der Wehrmacht oder der SS, britischen, amerikanischen und sowjetischen Propagandaabteilungen konzipiert und hergestellt.

Die von unseren Freiwilligen unter anderem aus gedruckten Bibliographien zusammengetragenen Informationen zu den einzelnen Flugblättern werden von den Mitarbeiter:innen der Abteilung Handschriften und Historische Drucke weiterverarbeitet und anschließend in den StaBiKat eingespielt sein. So kann inzwischen nach über 1.700 bisher nicht erfassten Flugblättern recherchiert und diese Daten künftig auch als Grundlage für eine Digitalisierung verwendet werden.

Wir danken unseren Ehrenamtler:innen sowie dem Verein der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin und Gwendolyn Mertz-Jork für die Unterstützung!

Aus der Praxis der Flugblattproduktion

Je nach Bestandssegment geben die Flugblätter aus der Sammlung der Staatsbibliothek auch interessante Einblicke in die Praxis der Flugblattproduktion, bei der einige deutsche emigrierte Schriftsteller die Alliierten unterstützten. Zu den Schriftstellern und Schriftstellerinnen, die Deutschland unter dem NS-Regime verlassen mussten, zählte beispielweise Erich Weinert (1890-1953). Er hatte in kommunistischen und linkbürgerlichen Medien publiziert und emigrierte bereits im Jahr 1933. Über mehrere Stationen gelangte er schließlich nach Moskau. Auch der Dichter Johannes R. Becher (1891-1958), ebenfalls Mitglied in der KPD, lebte im Moskauer Exil, nachdem ihm 1933 die Ausreise gelang. Weinerts und Bechers Gedichte finden sich auf mehreren Flugblättern der Sowjetunion, ihre Autorschaft wird zum Teil sogar nachgewiesen und damit ihre propagandistische Tätigkeit offen beworben.

Flugblatt der Sowjetunion an deutsche Soldaten aus dem Jahr 1941 mit einem Gedicht von Erich Weinert. SBB-PK CC BY-NC-SA 4.0

Das Einbinden von Gedichten emigrierter Schriftsteller ist auch bei Flugblättern der Sowjetunion an italienische Soldaten zu beobachten. So wurden Gedichte unter dem Namen des italienischen Autors und Politikers der Kommunistischen Partei Italiens, Giovanni Germanetto (1885-1959), auf Flugblättern abgedruckt, der bereits Ende der 1920er Jahre in die Sowjetunion emigriert und für sowjetische Zeitungen tätig war.

Doch es gab auch anonyme Beteiligungen an der Produktion von Flugblättern. So stellten sich die deutschen emigrierten Schriftsteller Klaus Mann (1906-1949) und Stefan Heym (1913-2001) in den Dienst der Westalliierten.

Das Anwerben emigrierter Schriftsteller für die Propagandaarbeit der Alliierten hatte mehrere Vorteile: Die Alliierten erhofften sich unter Einbeziehung deutscher Autoren Insider-Wissen über die Zielgruppe, da Flugblätter auf die Adressatengruppe abgestimmt werden mussten. Indem den Adressaten der Flugblätter der Sowjetunion vor Augen geführt wurde, dass ein Deutscher zu ihnen sprach und kein russischer Mitarbeiter der Propagandaabteilung, wurde außerdem eine Vertrautheit erzeugt, die die Wirkung der Flugblätter verbessern sollte.

Flugblätter des Nationalkomitee Freies Deutschland

Weitere besondere Flugblätter der Alliierten unter Beteiligung deutscher Schriftsteller gingen aus einer anderen Kooperation hervor. Im Jahr 1943 schlossen sich deutsche emigrierte Schriftsteller mit deutschen Soldaten und Offizieren, die sich in Kriegsgefangenschaft befanden, zusammen, um mit Unterstützung und im Sinne des Propagandakampfes der Sowjetunion die Organisation Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) zu gründen. Auf zahlreichen Flugblättern forderte das NKFD und ihr Präsident Erich Weinert deutsche Soldaten zum Widerstand gegen das NS-Regime auf und leistete taktische Propagandaarbeit für die Sowjetunion an der Ostfront.

Sie möchten nun gleich in der Sammlung der Flugblätter des Zweiten Weltkriegs stöbern? Über diesen Suchlink gelangen Sie zu den gesamten bereits erfassten Flugblättern im StaBiKat, während Sie auch die Möglichkeit haben, unter diesem Suchlink die durch das Projekt neu nachgewiesenen Flugblätter zu recherchieren! Für Ihr Forschungsprojekt können Flugblätter aus den Sammlungen der Staatsbibliothek auch zur Einsicht in den Lesesaal Venedig bestellt werden.

Sie möchten sich auch ehrenamtlich in der Stabi engagieren? Hier finden Sie nähere Informationen zu Stabi Gemeinsam.

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