Das Buch der Bücher im Orient – Online-Ausstellung und Buchpräsentation zu orientalischen Bibelhandschriften
In den Jahren 1852-55 bereiste Julius Heinrich Petermann (1801-1876), seit 1837 außerordentlicher Professor für orientalische Philologien an der Universität Berlin, den Nahen Osten. Im Auftrag des preußischen Staates besuchte er die heutige Türkei, Syrien, Palästina, den Irak und Iran, u.a. um orientalische Handschriften für die damalige Königliche Bibliothek, die heutige Staatsbibliothek, zu erwerben.
„Schon in meiner frühen Jugend“, so schreibt er im Vorwort seines Berichtes über diese Reise, „regte sich in mir ein Verlangen, das Land der Verheissung und andere Theile des Orients zu sehen, deren Sprachen und Litteraturen mich von jeher angezogen und beschäftigt haben; aber erst, nachdem ich mein fünfzigstes Lebensjahr bereits zurückgelegt hatte, ward es mir vergönnt, mein Sehnen zu befriedigen, und zwar in einer Weise und Ausdehnung, wie ich nie zuvor gehofft hatte.“ Petermann, Reisen im Orient, 1860, S. v.
Erwerb christlich- und jüdisch-orientalischer Handschriften für die Königliche Bibliothek
Petermanns besonderes Interesse galt der armenischen Sprache und Kultur, aber auch anderen religiösen Minderheiten, etwa Samaritanern, Drusen und Mandäern. Unter den Handschriften, die er für die Bibliothek erwarb, waren deshalb neben arabischen, persischen und türkischen Handschriften auch armenische, syrische und samaritanische.
Zum heute ungefähr 1700 Bände zählenden Bestand der Staatsbibliothek an jüdisch- und christlich-orientalischen Handschriften trugen neben Petermann viele weitere Orientalisten, Diplomaten und Reisende bei, etwa Eduard Sachau (1845-1930), Professor für Orientalistik an der Berliner Universität mit einem besonderen Interesse für die christlich-orientalischen Kirchen.
Letzterer brachte u.a. dieses kleine syrische Gebetbuch nach Berlin, das allein schon wegen seines Formates auffällt: Das Reisebüchlein in rotem Ledereinband misst nur 9 x 6,8 cm. Es beinhaltet das Buch der Psalmen sowie verschiedene biblische Gesänge, außerdem das Vater Unser und das Glaubensbekenntnis. Angefertigt wurde es im Jahr 1842 für den Diakon Abbo aus Mosul, von einem Mönch des Klosters Zaʿfran bei Mardin im äußersten Osten der heutigen Türkei.
Zu den besonders augenfälligen Stücken der Sammlung zählen außerdem zwei armenische Evangeliare. Auch sie sind eher kleinformatig und werden von verzierten Ledereinbänden geschützt, die in typisch armenischer Art gearbeitet sind. Schlägt man die Handschrift mit der Signatur Ms. or. oct. 3690 auf, fällt der Blick auf reiche Verzierungen und vorzüglich ausgeführte ganzseitige Miniaturen, das Pergament ist fein und papierdünn. Dies und der reichliche Gebrauch von Blattgold lassen vermuten, dass der Auftraggeber dieser Handschrift aus dem wohlhabenden Kaufmannsmilieu stammte.
Andere Stücke aus der Sammlung dagegen mögen für den Laien auf den ersten Blick eher unscheinbar wirken – ihre Bedeutung erschließt sich erst durch weitere Informationen zur Handschrift. Hierzu zählt ein koptischer Kodex aus dem 4. Jahrhundert n. Chr., der in die Zeit des Übergangs von der Buchrolle zum Kodex eingeordnet werden kann.
Prachtvoll illustrierte Handschriften
Diese und andere bemerkenswerte Stücke aus der Sammlung jüdisch- und christlich-orientalischer Handschriften präsentieren wir Ihnen ab heute in unserer Online-Ausstellung zu Bibelhandschriften aus dem Vorderen Orient und Afrika. Wir laden Sie ein, die prachtvoll illuminierten und illustrierten Handschriften ausführlich zu betrachten und mehr über die einzelnen Stücke, aber auch über die Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte der Bibel im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nord- und Nordostafrika zu erfahren.
Online-Ausstellung „Das Buch der Bücher im Orient“ >
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Meliné Pehlivanian, Christoph Rauch, Ronny Vollandt (Hgg.): „Orientalische Bibelhandschriften aus der Staatsbibliothek zu Berlin – PK: Eine illustrierte Geschichte“. Wiesbaden: Reichert, 2016. Zum Verlag >
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