Den Amtsschimmel reiten – er wiehert schon im 18. Jahrhundert

Aus heutiger Sicht ist man geneigt zu glauben, dass früher alles unkomplizierter und einfacher war. Wie wir aus vielerlei Quellen, von denen die Staatsbibliothek eine Fülle aufbewahrt, wissen, hat das Anordnen, Regeln, Verfügen und Entwickeln von Formularen aber eine lange Tradition. Bevor  ab 1810 z.B. in Preußen die Gesetzblattveröffentlichung einsetzte, wurden andere Methoden zur Publikation und Verbreitung geltender und neuer Regelungen genutzt. Und da sind wir wieder beim „Amtsschimmel“. Einer Erklärung der Website Redensarten zufolge weist „der Begriff „Amtsschimmel“ sowohl auf die Schimmelbildung auf vergilbten Akten als auch auf die früher häufig berittenen Amtsboten hin“. Und genau diese berittenen Boten hatten die Aufgabe, schnellstmöglich die von Hofbuchdruckern publizierten Edikte, Reskripte, Dekrete, Verordnungen und anderen Bekanntmachungen unter die Leute zu bringen, zunächst einmal in die Amtsstuben, aber auch per Aushang an öffentliche Orte – also im wahrsten Sinne des Wortes eine Veröffentlichung herbeizuführen. Es war auch durchaus üblich, nach dem Gottesdienst derlei aktuelles amtliches Schrifttum von der Kanzel den Landeskindern zu verkünden. Wahrscheinlich denkt man nun sogleich an Märchen, in denen der Bote den Wunsch der Prinzessin nach einem wackeren Freier verkündet, der den Drachen tötet oder andere Bewährungsproben zu bestehen hat.

Edikt_Bienen  

In Wirklichkeit handelte es sich bei besagtem Schrifttum jedoch um i.d.R. weitaus unspektakulärere Angelegenheiten. Häufige Erneuerungen weisen zudem auch darauf hin, dass die Verordnungen wohl nicht im erwünschten Maße umgesetzt wurden. Im Folgenden sollen einige Beispiele aus dem 18. Jahrhundert (digitalisiert v.a. im Zuge des Projekts VD 18) die Vielfalt geregelter Themen und Konflikte aufzeigen. Ein häufiges Thema ist Zensur (Beispiel), aber auch Zölle und Einfuhrverbote für bestimmte Waren (im Beispiel Lederhandschuhe), landwirtschaftliche Anordnungen (im Beispiel Saat), Feiertage (Beispiel), Geldverleihen (im Beispiel Geldverleihen an Prinzen) und unerlaubtes Führen von Titeln (Beispiel) sowie unerwünschte „Traditionen“ hinsichtlich der Mitnahme von Material (im Beispiel Feierabendklötze) werden thematisiert – um nur einige herauszugreifen.

Die Staatsbibliothek hat das Glück, das Archiv der Deckerschen Oberhofbuchdruckerei zu ihren Beständen zu zählen. In wohlsortierten und auch bereits in Größenordnung digitalisierten Sammelbänden befinden sich hier alle von Decker in Berlin gedruckten Amtsdrucksachen – und zwar häufig in ihrer offiziellen Form, die die umfängliche Eingangsnennung des Herrschers einschließlich aller seiner Titel und Herrschaftsgebiete umfasst. Ergänzt werden diese Erstveröffentlichungen durch die Angabe „L.S.“ (Locus sigilli) für die Stelle des Siegels und das Ausfertigungsdatum nebst Nennung beglaubigender Minister am Ende des Druckes. Dergleichen Einzelverordnungen finden sich auch reichlich im historischen Bibliotheksbestand und bilden dort eine bedeutende Anzahl bibliotheksspezifischer Sammelbände. Diese wurden sachlich, regional oder chronologisch angelegt. Da sie auf verschiedenen Wegen in die Bibliothek gelangten, findet man hier auch Drucke derselben Edikte anderer Hofbuchdrucker. Sie unterscheiden sich im Erscheinungsbild und durchaus auch in Formulierungen; möglich waren auch die Abfassung und der Druck in einer anderen Sprache.

Eine dritte bedeutende Quellengattung stellen professionelle Ediktsammlungen dar, die über Verlage bzw. Buchhandlungen vertrieben wurden. Diese Kompilierungen wurden durch Rechtsgelehrte (z.B. Christian Otto Mylius) als auch durch Institutionen (wie die Akademie der Wissenschaften in Berlin oder die Brachvogelsche Buchhandlung in Breslau) herausgegeben. Auch in diesen Sammlungen finden sich u.U. dieselben Edikte – aber hier ohne lange Eingangsformel und durchaus abweichend in Schreibung und Wortreihenfolge. Zwei dieser für die Mark Brandenburg bedeutenden Rechtsquellensammlungen CCM und NCC wurden bereits vor 20 Jahren durch die Staatsbibliothek digitalisiert. Nun können Vergleiche einzelner amtlicher Texte im eigenen Bestand, aber auch mit Beständen anderer Bibliotheken angestellt werden.

Die Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek enthalten eine große Menge Rechtsquellen bzw. Rechtsliteratur unabhängig vom Jahrhundert wie ein Blick in die Kollektion der Rechtswissenschaft beweist. Sie sind auch das Ergebnis von Projekten wie dem Deutschen Territorialrecht des 19. Jahrhunderts.

 

 

0 Kommentare

Ihr Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlassen Sie uns einen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.