Erhalt uns Herr bei Deinem Wort! – Reformationspropaganda im Bild
Kolorierte Flugblatt-Illustration zum Kampflied der Reformation in der Ausstellung „Bibel – Thesen – Propaganda“
Ein Beitrag von Christiane Caemmerer
Dieser schablonenkolorierte Holzschnitt gehört zu den protestantischen Propagandaflugblättern der Reformationszeit. Er stammt wohl aus der Cranach-Werkstatt und wurde nach 1548 vermutlich in Magdeburg von Pancraz Kempff gedruckt. Damit stammt das Flugblatt aus der Zeit der heftigen Auseinandersetzungen um das Augsburger Interim – ein Reichsgesetz, mit dem Kaiser Karl V. nach dem Sieg über den Schmalkaldischen Bund das Reich religiös wieder einen und gleichzeitig seine Macht konsolidieren wollte.
Der Holzschnitt zeigt im oberen Bildbereich das Weltgericht mit Gottvater, Christus und dem heiligen Geist in Gestalt einer Taube in den Wolken. Darunter sinken die katholische Geistlichkeit und die Türken in die Hölle hinab, gezogen und gepiesackt von kleinen Teufeln. Links stehen Martin Luther, Johann Friedrich der Großmütige von Sachsen, bereits mit der Gesichtsnarbe aus der Schlacht bei Mühlberg (1547), sowie Landgraf Philipp von Hessen, Georg Spalatin, Philipp Melanchthon und Jan Hus als Vorläufer der Reformation. Rechts steht eine Gruppe von Frauen, unter ihnen Sibylla von Kleve-Jülich-Berg, die Frau des sächsischen Kurfürsten, und Katharina von Bora. Dazu im Hintergrund wahrscheinlich Lukas Cranach der Jüngere mit seiner Familie. Die Gruppe der Reformatoren und ihrer Angehörigen trägt eine Miene der inneren Gelassenheit zur Schau, während die höheren Mächte die Probleme lösen.
Den originalen Aufbau des Flugblattes kann man an dem 1858 hergestellten Faksimile eines unkolorierten, aber vollständigen Exemplars dieses Flugblattes sehen. Was im kolorierten Original der Staatsbibliothek fehlt, ist der zugehörige Text und damit Luthers Lied von 1541/42. Es war kurz nach der Niederlage des kaiserlichen Heeres in Ofen (Budapest) 1541 gegen Suleiman II. zusammen mit den andern Türkenschriften Luthers im Auftrag des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich dem Großmütigen entstanden. Bereits der Titel erinnert an die allein auf das göttliche Wort gerichtete protestantische Glaubenslehre. In den ersten drei Strophen bittet Luther in drastischen Worten die Trinität um Beistand gegen die Bedrohung durch die Türken und das Papsttum. Zwei von Justus Jonas 1545 ergänzte Strophen nehmen diese Bitte um die tatkräftige göttliche Hilfe auf: „So werden sie erkennen doch/ das du vnser Got lebest noch/ vnnd hilffst gewaltig deiner schar/ die sich auf dich verlassen gar.“ Dieses gelassene „Sich verlassen“ auf den göttlichen Beistand zeigen dann auch die auf dem Holzschnitt abgebildeten Vertreter der Reformation.
Das Lied war in seiner ersten Strophe von Luther als Kinderlied apostrophiert worden und wurde regelmäßig in den Gottesdiensten gesungen. Es gehört zu den umstrittensten evangelischen Kirchenliedern, da hier zum Mord an den Gegnern aufgerufen wird. In den Jahren 1547/48 und 1550 wurde es immer wieder verboten, da man die Vergeltung des Kaisers fürchtete, aber auch umgedichtet und persifliert: „Erhalt uns, Herr, bei deiner Wurst, / Sechs Maß, die löschen einen den Durst,“ so lautete eine Variante aus katholischer Feder. Die außerordentliche Beliebtheit dieses lutherischen Kampfliedes zeigen auch die etwa hundert im 16. und 17. Jahrhundert publizierten Liedflugschriften, deren Lieder nach der Melodie von „Erhalt uns Herr bei Deinem Wort“ zu singen waren.
Zum Zeitpunkt, als dieser Druck entstand, hatte sich die Welt Johann Friedrichs von Sachsen, des Auftraggebers des Luther-Liedes, völlig verändert. Bis 1547 war er der Kurfürst von Sachsen, Förderer der Reformation und Gönner Martin Luthers, mit Philipp von Hessen Führer des Schmalkaldischen Bundes, des militärischen Beistandspaktes der protestantischen Fürsten und Reichsstädte. Im Schmalkaldischen Krieg aber wurde er 1547 in der Schlacht bei Mühlberg von den kaiserlichen Truppen vernichtend geschlagen, verhaftet, seiner Kurwürde enthoben und zum Tode verurteilt. Das Todesurteil wurde in eine langjährige Gefängnisstrafe umgewandelt. Einer der großen Helden der Reformation und Kämpfer für den wahren Glauben war geschlagen und wurde nun als Märtyrer der Reformation inszeniert. Aus der Schlacht hatte er eine lange Gesichtsnarbe davon getragen, die er jetzt mit großer Würde trug. Obwohl Johann Friedrich große Besitzungen und politischen Einfluss verloren hatte, blieb er in religiösen Fragen fest und widerstand allen Versuchen der kaiserlichen Seite – darunter Nahrungsentzug und verschärfte Gefangenschaft – ihn zur Unterzeichnung des Interims zu bewegen. So inszeniert ihn inmitten seiner Mitstreiter auch dieses Blatt der protestantischen Propaganda für den neuen Glauben.
Vom 3.2. bis 2.4.2017 können Sie dieses und viele weitere Objekte zum medialen Kampf um den wahren Glauben selbst bei uns in der Staatsbibliothek in Augenschein nehmen.
Die Jahreszahl 1447 an zwei Stellen des obigen Textes ist falsch. Richtig wäre 1547.
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